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Der Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg (BER) leidet unter den Spätfolgen des Planungschaos und den Ausfällen in der Pandemie.

© dpa / Patrick Pleul

BER erholt sich zu langsam von Corona : Berlins Rechnungshof warnt vor neuen Finanzrisiken

Berlin, Brandenburg und der Bund bewilligten zuletzt knapp zwei Milliarden Euro für die Sanierung der Flughafengesellschaft. Reicht das nicht?

Berlins Landesrechnungshof warnt vor erneuten Belastungen für die öffentlichen Haushalte am Willy-Brandt-Flughafen in Schönefeld, in den bereits rund sieben Milliarden Euro geflossen sind. Die oberste Finanzkontrollbehörde der Hauptstadt meldet in einem von rbb-Recherche jetzt publikgemachten „vertraulichen Teil“ des jüngsten Rechnungshof-Jahresberichtes Zweifel an, dass die Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes (FBB) trotz der jüngsten Milliarden-Spritze tatsächlich bis 2026 aus den roten Zahlen geführt werden kann.

„Durch die fehlende Wirtschaftlichkeitsuntersuchung kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Finanzmittel durch das Land Berlin bereitgestellt werden müssen“, heißt es in dem 41-Seiten-Bericht.

BER erholt sich nach Corona am langsamsten

Und dieses Risiko wird größer und dürfte den BER-Aufsichtsrat beschäftigen, der sich ab Freitag nach Tagesspiegel-Informationen zu einer zweitägigen internen Strategieklausur in ein Schönefelder Hotel zurückzieht. Das Management unter BER-Chefin Aletta von Massenbach wird dort seinen Kontrolleuren eine Analyse samt Schlussfolgerungen vorlegen müssen, warum sich der Berlin-Brandenburger Airport nach dem Corona-Einbruch von allen größeren deutschen Flughäfen unverändert am langsamsten erholt.

Dies belegen auch aktuelle Zahlen zur Entwicklung des Luftverkehrs in Deutschland, die der Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) diese Woche präsentierte. Danach hat der BER mit 19,8 Millionen Passagieren im Jahr 2022 bisher 56 Prozent des Vorkrisennivaus von 2019 erreicht: In Frankfurt am Main waren es bereits 69 Prozent, in München 66 Prozent, in Köln/Bonn 71 Prozent, in Hamburg 64 Prozent, in Düsseldorf und Hannover 63 Prozent.

Auch der BDL-Ausblick für 2023 fällt für den BER – der von Kürzungen von Billigairlines und dem Rückgang innerdeutscher Flüge stark betroffen ist – deutlich verhaltener als für Frankfurt oder München. Dieser Trend hat Rückwirkungen auf die FBB-Finanzen. Hinzu kommen Inflation, Energiekrise und steigende Zinsen.

Bürgschaftsmodell hätte 804 Millionen Euro gespart

Dabei hatten Berlin, Brandenburg und der Bund für die Sanierung der FBB erst 2020/2021 weitere 2,2 Milliarden Euro bewilligt, um eine Insolvenz der FBB abzuwenden und die Firma bis 2026 zu sanieren. Laut Berliner Rechnungshof hätte die öffentliche Hand aber rund 804 Millionen Euro sparen können, wenn statt des verfolgten Teilentschuldungskonzeptes das Status-Quo-Modell, nämlich eine Verlängerung bestehender Eigner-Bürgschaften verfolgt worden wäre. Allerdings wäre die FBB dann bis 2031 auf öffentliche Hilfen angewiesen gewesen.

Der Rechnungshof rügt es als Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung, dass die Senatsverwaltung für Finanzen – damals von Senator Matthias Kollatz (SPD) geführt – keine „eigene Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für alle vier Sanierungsszenarien“ erstellte: „Insofern hat sie auch nicht belastbar systematisch prognostiziert, dass das angestrebte Ziel der finanziellen Selbstständigkeit der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH im Jahr 2026 erreichbar ist.“ Die ungeprüften Alternativen waren neben dem Bürgschaftsmodell eine von Berlin und Brandenburg von vornherein strikt abgelehnte Teilprivatisierung der FBB sowie eine Insolvenz.

Grüne sehen sich bestätigt

Die Rüge des Rechnungshofes deckt sich im Nachhinein mit der damaligen Position der Grünen, die vor Bewilligung neuer Kapitalspitzen für den Hauptstadt-Airport vergeblich ein Sanierungsgutachten zu den FBB-Finanzen gefordert hatten, sich aber in der rot-grün-roten Koalition in Berlin und dem Kenia-Bündnis aus SPD, CDU und Grünen in Brandenburg damit nicht durchsetzen konnten.

Im Fall der FBB könnten zusätzliche Liquiditätshilfen oder weitere staatliche Bürgerschaften erforderlich werden.

Vertraulicher Teil des jüngsten Jahresberichtes des Landesrechnungshofes

Die externen Expertisen, die die öffentliche Hand damals von den Unternehmensberatungen Deloitte und WKTG erstellen ließ, hält der Berliner Rechnungshof für nicht ausreichend. So hätte die Senatsverwaltung berücksichtigen sollen, dass die FBB in ihren Businessplänen „mit ambitionierten Zielen“ in Hinblick auf Materialaufwandquote, Personalaufwandquote und Gewinnmarge gerechnet habe, „auf die auffälligen Plandaten (...) wiederholt gutachterlich hingewiesen“ worden sei.

Gewarnt wird: „Im Fall der FBB könnten zusätzliche Liquiditätshilfen oder weitere staatliche Bürgerschaften erforderlich werden.“ Die hat die Europäische Union, als sie die letzte Kapitalspritze genehmigte, allerdings ausgeschlossen. Im Rechnungshofbericht heißt es auch, die FBB befinde sich „weiterhin in einer möglicherweise bestandsgefährdenden Finanzlage.“

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