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Der Gärtnerlehrling Martin Freyther erntet auf unseren Archivbild in einem Gewächshaus der Werder Frucht Tomaten der Sorte Swift.

© ZB/Patrick_Pleul

„Betriebe, die nicht digital sind, tun sich schwer“: Ohne Social Media kein Nachwuchs

Oliver Hoch, Verbandschef der Garten- und Landschaftsbauer Berlin-Brandenburg, über erfolgreiche Personalpolitik der Firmen und Fehler in der Bildungspolitik.

Der Garten- und Landschaftsbau ist eine Wachstumsbranche. Haben die Betriebe ausreichend Personal?
Nein, seit ungefähr fünf Jahren haben wir Probleme. Es fehlen vor allem die qualifizierten Fachkräfte. Wir versuchen auf allen Ebenen, nachzusteuern, zum Beispiel haben wir einen dualen Studiengang geschaffen, um Abiturienten zu gewinnen.

Und das funktioniert?
Ja, es ist der erfolgreichste duale Studiengang im „grünen Bereich“ in Deutschland. Die vielen Fachbetriebe in der Hauptstadtregion ermöglichen diesen Erfolg. Nach zwei Jahren hat man den Berufsabschluss und nach weiteren zwei Jahren den Bachelor, der eine leitende Tätigkeit auf der Baustelle ermöglicht.

Wie viele der rund 90 Ausbildungsbetriebe im Berliner Galabau bieten die Studienmöglichkeit an?
Fast 70, obwohl das relativ teuer ist und risikoreich, denn es ist nicht ausgemacht, dass der junge Mensch mit Bachelor auch im Betrieb bleibt.

Wie ist die Marktlage bei den normalen Azubis?
In der Vergangenheit haben wir von einer kleiner werdenden Torte aufgrund der Attraktivität des Berufs etwas mehr abbekommen als andere. Doch der Verdrängungswettbewerb wird größer, die anderen werden besser bei der Nachwuchswerbung und geben entsprechend Geld aus.

Wie macht sich das bemerkbar?
Die Ausgaben für Messen und Ausbildungsbörsen haben sich vervielfacht. Die Wettbewerber schlafen nicht: Wenn wir Bagger mitbringen, dann ist die Bundeswehr schon mit einem Panzer da.

Oliver Hoch ist Geschäftsführer des Fachverbands Garten- und Landschaftsbau Berlin-Brandenburg seit 2003.

© PR

Welche Betriebe sind am erfolgreichsten in der Azubi-Akquise?
Das sind Betriebe, die junge Leute haben und die in sozialen Netzwerken unterwegs sind. Unternehmen, die nicht digital affin sind und einige Jahre nicht ausgebildet haben, tun sich dagegen schwer. Es muss von einem Betrieb etwas ausgehen, das die jungen Leute auf ihren Kanälen anspricht.

Soziale Medien sind wichtiger als die Berufsberatung in den Arbeitsagenturen oder die Berufsorientierung in den Schulen?
Die Berufsorientierung in den Schulen ist natürlich wichtig und hat sich in den letzten Jahrzehnten um einen Quantensprung verbessert. Grundsätzlich konzentriert sich die schulische Berufsorientierung aber eher auf eine akademische als auf eine duale Ausbildung. Um unsere Berufe zu zeigen, müssen auch wir als Verbände stärker werden und Marketing einsetzen. Das funktioniert am besten auf sozialen Medien und über die Eltern.

Wie kommt man an die Eltern ran?
Über die Leistungswerbung der Branche und das Image des Berufs. Der Garten- und Landschaftsbau war vor 30 Jahren nicht bekannt, heute kommt er in jeder Soap vor. Die Eltern sehen gerne ihr Kind in einem Beruf, in dem das Einkommen sicher ist und ausreicht für eine selbstständige Existenz.

Der Staat sollte die Jugendlichen nicht in ihrer neigungsorientierten Verweigerungshaltung bestärken.

Oliver Hoch, Verbandschef der Garten- und Landschaftsbauer

Der Staat fördert mit allen möglichen Programmen Erstausbildung und Weiterbildung. Was sind die wichtigsten?
Man kann ziemlich genau sagen, was der Staat nicht tun sollte. Das „Parken“ der Jugendlichen in schulischen Schleifen, obwohl Tausende Ausbildungsstellen in Berlin-Brandenburg nicht besetzt werden können, schadet allen, weil die jungen Leute in einer neigungsorientierten Verweigerungshaltung bestärkt werden.

Eine Abbrecherquote von 30 Prozent und mehr in der dualen Ausbildung weisen aber auch auf eine unzulängliche Neigungsorientierung hin.
Jede und jeder sollte sich erstmal in einem Praktikum die Branche angucken. Und dass jetzt die Bundesagentur für Arbeit im Zusammenhang mit lebenslangem Lernen das Umsatteln erleichtert, ist natürlich auch richtig und gut.

Was sind heutzutage attraktive Arbeitsbedingungen?
Mobilität und Wohnen sind wichtig. Betriebe geben ihren Azubis auf dem flachen Land Mobilitätshilfen, und in den Städten ist bezahlbares Wohnen ein großes Thema.

Warum baut die Wirtschaft, also Unternehmen, Verbände, Innungen, keine Lehrlingsheime?
Ich sehe eher die Kommunen und die Berliner Bezirke gefragt, die branchenübergreifend für die Rahmenbedingungen zuständig sind und solche Heime bauen könnten. Für Menschen mit ostdeutscher Sozialisation ist das nicht ungewöhnlich, oder nehmen wir die Wohnheime der Ausbildungsstätten für Pflegeberufe. Da könnte man ansetzen.

Bei den Gehältern der Landschaftsgärtner vermutlich auch?
Wenn der Auftraggeber das bezahlt. 20 bis 30 Prozent der Aufträge kommen hier in der Region vom Staat, der einen vergabespezifischen Mindestlohn eingeführt hat, um sich ein gutes Gewissen zu verschaffen. Das steht aber in einem Missverhältnis zur Wertschöpfung.

Der Berliner Vergabemindestlohn liegt bei 13 Euro. Das zahlen doch die Auftraggeber, auch die privaten, locker.
Vorsicht! Wir legen ja nicht nur Gärten an oder bauen Sportplätze. Reinigungsarbeiten in Grünanlagen und das Zusammenkehren des Laubs gehören auch dazu. Behalten wir diese Tätigkeiten, oder machen das künftig Roboter? Gerade für Langzeitarbeitslose brauchen wir solche Tätigkeiten, die als Einstiegsszenario in die Branche genutzt werden können.

Rund 30 Prozent der Arbeitslosen in Berlin sind länger als zwölf Monate arbeitslos.
In Berlin gibt es einen hohen Anteil Zugewanderter und viele Kleinstselbstständige unter den Leistungsempfängern von Grundsicherung. Für diese Menschen ist eine staatlich finanzierte Coaching- und Begleitinfrastruktur wohl unentbehrlich, auch wenn die nicht immer effizient ist.

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