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Betriebe aus fast allen Branchen suchen Nachwuchs. In Berlin hat vor allem die Industrie Probleme.

© dpa/Martin Schutt

Zu wenig Plätze oder zu wenig Bewerber?: Berliner Senat und IHK streiten um die Ausbildungsumlage

Der neue Senat lädt zu einem Bündnis für Ausbildung und bereitet eine Umlage vor. Die IHK sieht die Schulen in der Pflicht.

In Berlin sind derzeit 43 Prozent der von den Betrieben angebotenen Ausbildungsplätze nicht besetzt. Jedes fünfte Industrieunternehmen findet keine Azubis, im Gastgewerbe sind es 18 Prozent und im Handel 17 Prozent. Das hat die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin in einer aktuellen Umfrage bei 240 Betrieben ermittelt.

Vor diesem Hintergrund sei die vom Senat geplante Ausbildungsumlage, die Betriebe zahlen müssten, die nicht ausbilden, völlig unverständlich: Es gebe nicht zu wenig Ausbildungsplätze, sondern zu wenig Bewerber, kommentierte IHK-Präsident Sebastian Stietzel am Dienstag die Senatspläne. Auf der Plattform ausbildung.de seien derzeit 15.000 offene Stellen in der Region registriert.

Der Senat hatte zuvor festgelegt, wie ein neues Bündnis für Ausbildung ausgestaltet wird. Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe und Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (beide SPD) betonten die Bedeutung zusätzlicher Ausbildungsstellen, die mit der Drohung einer Ausbildungsumlage erreicht werden sollen.

Die Umlage kommt nicht, wenn bis zum 31. August 2025 2000 zusätzliche Lehrverträge unterschrieben wurden. Im Vergleich zu welchem Ausbildungsjahr, ist offen. „Wir werden mit den Partnern darüber sprechen, was unsere Zielzahl ist“, sagte Giffey.

3135
Jugendliche fanden 2022 keinen Ausbildungsplatz.

Ende August wird das erste Treffen des Ausbildungsbündnisses stattfinden. Mitglieder sind die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, IHK und Handwerkskammer, der Einzelhandelsverband und das Gastgewerbe sowie die Bildungsverwaltung und der DGB. „Wir haben auf dem Berliner Ausbildungsmarkt eine Schieflage, die wir zurechtrücken wollen“, sagte Kiziltepe. 3135 junge Menschen hätten 2022 keinen Ausbildungsplatz gefunden.

Zehn Prozent bilden aus

Ein Gesetz über die Ausbildungsumlage werde parallel zum Arbeitsprozess des Bündnisses vorbereitet. Die Arbeitssenatorin nannte dieses Instrument eine „faire Maßnahme“, die auch bereits erfolgreich in manchen Branchen praktiziert werde. In Berlin bildeten nur etwa zehn Prozent der Betriebe aus. Im bundesdeutschen Durchschnitt seien es etwa doppelt so viele.

Mit einer Umlage würde die vielen kleinen und mittelgroßen Betriebe die Ausbildungsplätze der großen finanzieren, argumentiert die IHK dagegen. Die Besetzung der offenen Stellen sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dafür sei mehr Berufsorientierung während der Schulzeit und überhaupt mehr Beratung der Jugendlichen erforderlich.

Als Gründe für Nicht-Ausbildung nennen 72 Prozent der befragten Betriebe den Mangel an geeigneten Bewerbern; 30 Prozent berichten über den Abbruch der Ausbildung entweder durch den Azubi oder den Ausbildungsbetrieb.

Bemerkenswert ist die Qualität der Berufsschulen. Nur jeder zehnte Ausbildungsbetrieb äußerte sich zufrieden über die Zusammenarbeit mit den Schulen. Die Bedarfe der Wirtschaft würden in der Schule nicht hinreichend berücksichtigt, es falle zu viel Unterricht aus, die Vermittlung des Lernstoffs sei ebenso wenig auf der Höhe der Zeit wie die Ausstattung der Berufsschulen. Im Haushalt 2024/25 müssten deshalb für eine zeitgemäße Ausstattung Mittel bereitgestellt werden, fordert die IHK.

Der DGB hat eine andere Sicht auf die Dinge. „Der leichte Anstieg offener Ausbildungsstellen reicht nicht, um wenigstens das Niveau vor der Pandemie zu erreichen“, sagte Nele Techen, DGB-Vize in Berlin-Brandenburg, und warf der Wirtschaft „fehlende Ausbildungsbereitschaft“ vor. Die Umlage begrüßt der DGB, bedauerlich sei die Einführung im Jahr 2025.

„Die Erfahrungen aus früheren Ausbildungsoffensiven dämpfen meine Erwartung, dass die Situation in eineinhalb Jahren eine bessere ist“, sagte Techen. Ebenso wie Kammern und Verbände werde sich der DGB für eine bessere Berufsorientierung einsetzen.

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