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HelloFresh liefert Kochboxen mit vorbereiteten Zutaten und Rezept nach Hause. Das Unternehmen ist seit 2017 an der Börse notiert.

© HelloFresh

Betriebsratswahlen bei Hellofresh: Berliner Arbeitsgericht setzt Wahlvorstand für Kochbox-Versand ein

Die Gewerkschaft Verdi konnte sich vor Gericht gegen die Geschäftsführung durchsetzen. Doch das letzte Wort ist in dem Rechtsstreit noch nicht gesprochen.

Die 1300 Berliner Beschäftigten des Kochboxenversands Hellofresh können einen Betriebsrat wählen. Am Dienstag setzte das Arbeitsgericht einen Wahlvorstand ein. Die Gewerkschaft Verdi hatte eine entsprechende Klage eingereicht. Die Entscheidung ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Die Geschäftsführung des börsennotierten Unternehmens, die sich bereits im Vorfeld gegen die Gründung eines Betriebsrates ausgesprochen hatte, könnte dagegen Rechtsmittel einlegen.

Bereits im Juni sollte bei einer Betriebsversammlung ein Wahlvorstand für die Berliner Zentrale gewählt werden. Doch dabei kam keine Mehrheit zustande, es gab zu viele ungültige Stimmen und Enthaltungen.

Die Geschäftsführung interpretierte dieses Ergebnis seinerzeit als Gewissensentscheidung der Belegschaft: „Die Mitarbeitenden haben auf demokratische Art und Weise zum Ausdruck gebracht, dass sie mehrheitlich nicht möchten, dass bei Hellofresh in Berlin ein Betriebsrat implementiert wird“, teilte das Unternehmen seinerzeit mit.

Ein Wahlvorstand organisiert die Wahl des Betriebsrates. Das dafür notwendige Verfahren ist gesetzlich genau geregelt, sodass der Wahlvorstand keinen Einfluss auf das Ergebnis hat. Das Gremium hat also nur eine ausführende Funktion.

Wenn die Wahl des Wahlvorstands scheitert, so wie bei Hellofresh, kann das Arbeitsgericht einen Wahlvorstand einsetzen. Dazu müssen mindestens drei wahlberechtigte Beschäftigte einen entsprechenden Antrag stellen. Das haben sie in diesem Fall mit juristischer Unterstützung von Verdi getan.

Hellofresh-Anwältin: Beschäftigte seien ausgeschlossen worden

Die Anwältin Kara Preedy von der Wirtschaftskanzlei Greenberg Traurig vertrat die Geschäftsführung von Hellofresh bei der Verhandlung am Dienstag. Preedy beantragte, den Antrag abzuweisen. Sie bezweifle, sagte sie, dass die Betriebsversammlung rechtmäßig abgelaufen sei, und zählte eine ganze Reihe von Kritikpunkten auf.

Die Gewerkschafterin Franziska Foullong (2.v.l) mit dem Wahlvorstandsmitgliedern und Unterstützern.

© Christoph M. Kluge/Tagesspiegel

Die Beschäftigten hätten nicht genug Zeit gehabt, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, sagte Preedy. Ein erheblicher Teil der Belegschaft komme aus dem Ausland und sei mit dem deutschen Betriebsverfassungsgesetz nicht vertraut. Die Initiator:innen hatte den Aufruf zur Wahl Mitte Juni in der Berliner Zentrale aufgehängt – eine Woche vor dem Termin.

Diese Frist sei „extrem kurz“ gewesen, zumal ein Teil der Beschäftigten wegen des Pfingstwochenendes noch später davon erfahren habe. Eine gerichtliche Einsetzung lehnte die Anwältin der Geschäftsführung aber ebenfalls ab, denn eine solche Lösung sei vom Gesetzgeber nur als Notbehelf vorgesehen. Das sei „nicht nötig“, fand Preedy.

Richter: Es gebe keine „harten Fristen“

Der Vorsitzende Richter Lutz Nimmerjahn ließ bereits während der Verhandlung erkennen, dass er das anders sieht. Es gebe zum Beispiel keine „harten Fristen“ für die Bekanntmachung des Wahltermins, sagte er.

1300 
Beschäftigte hat Hellofresh in Berlin

Man müsse „mit Ratio“ auf die Gegebenheiten schauen und prüfen, ob „wesentliche Gruppen der Mitarbeiter“ an ihrer Teilnahme gehindert wurden. Anders ausgedrückt: Nach Ansicht des Richters ist es durchaus üblich, dass nicht jeder und jede einzelne Beschäftigte erreicht werden kann. Das führe aber nicht automatisch dazu, dass keine Wahl stattfinde.

Am Nachmittag teilte das Arbeitsgericht die Entscheidung mit: „Zur Durchführung der Betriebsratswahl im Betrieb in der Prinzenstraße“ werde vom Gericht ein Wahlvorstand bestellt. Gegen den Beschluss kann beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Beschwerde eingereicht werden.

Wir legen großen Wert auf die Beteiligung und Mitbestimmung unserer Mitarbeitenden und werden uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass sie in Unternehmensprozesse eingebunden und ihre Stimmen gehört werden.

Saskia Leisewitz, Sprecherin von Hellofresh

Die Geschäftsführung gibt sich noch nicht geschlagen. „Wir haben die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin über die Bestellung eines Wahlvorstands bei der Hellofresh SE in Berlin zur Kenntnis genommen und warten nun darauf, dass uns die Entscheidungsgründe des Gerichts zugestellt werden“, teilte die Sprecherin Saskia Leisewitz mit.

Hellofresh plant keine Betriebsrats-Alternative mehr

Außerdem betonte sie: „Wir legen großen Wert auf die Beteiligung und Mitbestimmung unserer Mitarbeitenden und werden uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass sie in Unternehmensprozesse eingebunden und ihre Stimmen gehört werden.“

Die Geschäftsführer Thomas Griesel (links) und Dominik Richter (rechts) brachten Hellofresh 2017 an die Börse.

© Foto: Thilo Rückeis

Nach Tagesspiegel-Informationen teilten die Chefs ihrer Belegschaft am Nachmittag in einer internen Rundmail mit, dass sie die Entscheidung des Gerichts als nicht rechtskräftig ansehen, solange sie nicht in schriftlicher Form vorliegt.

Im Sommer hatte Hellofresh versucht, eine unternehmensinterne Beschäftigtenvertretung einzuführen. Dieser „Fresh Council“ sollte die Belegschaft vertreten, hätte aber im Gegensatz zu einem Betriebsrat keine arbeitsrechtliche Grundlage gehabt. Inzwischen sind diese Pläne vom Tisch, das bestätigte die Sprecherin.

Die Verdi-Gewerkschaftssekretärin Franziska Foullong sieht darin einen fadenscheinigen Versuch, echte Mitbestimmung zu verhindern. Eine Vertretung ohne Rechtsgrundlage sei ein „zahnloser Tiger“, sagte sie. „Das haben die Initiatoren der Wahl durchschaut und sich für ihr Recht entschieden.“

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