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Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey schaut sich bei MAN große Bauteile für Kompressoren an.

© Valentin Petri

MAN schraubt in Berlin an der Energiewende: Teile für Großwärmepumpen kommen aus Tegel

Tausende Berliner Haushalte sollen nachhaltig mit Fernwärme versorgt werden. Wichtige Komponenten stellt MAN auf dem traditionsreichen Borsig-Gelände her. Am Mittwoch schaute die Wirtschaftssenatorin vorbei.

Vergangenheit und Zukunft kommen auf eigenartige Weise zusammen auf dem ehemaligen Gelände der Borsigwerke in Berlin-Tegel. Die alten Backsteinhallen, die um die Egellsstraße herum thronen, wüssten sicher viel zu erzählen. Ende des 19. Jahrhunderts ließ das Maschinenbauunternehmen Borsig sie errichten, um dort Dampflokomotiven und Kältemaschinen herzustellen. Die MAN Energy Solutions produziert hier heute Kompressoren.

Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) hat sich am Mittwoch zum Werksbesuch angekündigt. Weil sie sich verspätet, berichten die Wärmewende-Experten von MAN im Konferenzraum von grünen Kraftstofflösungen. Mit Autos habe man hier ja nichts zu tun, auch wenn das viele denken würden, sagt Technologievorstand Gunnar Stiesch halb scherzhaft.

Das Unternehmen hieß bis 2018 MAN Diesel & Turbo und benannte sich dann um. Das habe aber nichts mit dem Dieselskandal beim Mutterkonzern Volkswagen zu tun gehabt, betonen die Firmenvertreter, sondern sei Ergebnis eines Strategieschwenks nach dem Pariser Klimaabkommen. Statt Diesel und Turbo suchte man jetzt also Lösungen für die Energiewende?

In der Schiffsmotorenherstellung sind wir Weltmarktführer. In dem Bereich bleibt der Dieselmotor unersetzlich.

Gunnar Stiesch, Technologievorstand MAN Energy Solutions

„In der Schiffsmotorenherstellung sind wir Weltmarktführer. In dem Bereich bleibt der Dieselmotor unersetzlich“, erklärt Stiesch. Methanol sei hier der Kraftstoff der Stunde. Um den herzustellen, brauche man CO₂. Es wäre natürlich ideal, das aus der Atmosphäre zu ziehen, aber das sei im industriellen Maßstab noch nicht möglich.

Um das CO₂ transportfähig, nutzbar oder speicherbar zu machen, brauche man die Kompressoren, die bei MAN in Tegel gebaut werden. „Wir sehen CO₂ in der Zukunft als Rohstoff“, sagt Stiesch. Deswegen werde der Bedarf an CO₂ für die Industrie massiv steigen. Die Energiewende scheint paradox zu sein.

Inzwischen ist auch die Wirtschaftssenatorin eingetroffen. Sehr passend sei der Besuch hier, beginnt Giffey, da der Senat gerade beschlossen habe, in den nächsten zwei Jahren 300 Millionen Euro in den Rückkauf des Fernwärmenetzes von Vattenfall zu investieren. „Fernwärme in Landeshand ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang.“

Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) mit Technologievorstand Gunnar Stiesch (r.) und Standortleiter Markus Röhner.
Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) mit Technologievorstand Gunnar Stiesch (r.) und Standortleiter Markus Röhner.

© Valentin Petri

Knapp die Hälfte der CO₂-Emissionen werden in Berlin durch Heizung, Klimatisierung oder Warmwassernutzung in Gebäuden verursacht. Um den Wärmesektor zu dekarbonisieren, will auch der Senat verstärkt auf Wärmepumpen setzen.

Wärmepumpen sind aus Sicht der MAN-Vertreter besonders geeignet, weil sie eine hohe Energieeffizienz haben: für jede zugeführte Kilowattstunde Strom produzieren sie drei Kilowattstunden Wärme, erklären die Spezialisten.

25.000
Haushalte im dänischen Esbjerg versorgt eine Großwärmepumpe mit Kompressoren aus Tegel.

Die Kompressoren aus Tegel werden für Großwärmepumpen gebaut. Die Anlagen sollen dabei helfen, Branchen wie die Zementindustrie zu dekarbonisieren. Oder sie beheizen ganze Kleinstädte. Im dänischen Esbjerg versorgt eine Großwärmepumpe aktuell etwa 25.000 Haushalte. Eine weitere Anlage soll demnächst in Aalborg entstehen und schon die doppelte Leistung haben, berichtet Standortleiter Markus Röhner.

Für die Wärmepumpen brauche es vor allem zwei Dinge, sagt Technologievorstand Stiesch: Grünen Strom und eine Wärmequelle. In Dänemark sei die Nordsee Wärmespender. In Berlin habe man ja die Spree und das Abwasser, schlägt Giffey vor.

Am Ende des Rundgangs geht es zu den Kompressoren in die Werkshalle. Die tonnenschweren Teile werden von den Mitarbeitern handgefräst und zusammengesetzt, berichtet Produktionsleiter Sven Düsselmann. Schon ein Fräsfehler von einem Zehntel der Breite eines Haares sorge dafür, dass eine Komponente unbrauchbar werde. Zwischen 30 und 50 Kompressoren stellt das Unternehmen pro Jahr in Tegel her.

„Von den Schaufeln bitte keine Fotos veröffentlichen“, sagt Düsselmann und deutet auf die wuchtigen runden Metallgetriebe. Dafür interessiere sich auch die Konkurrenz.

MAN-Werk in Berlin stand auf der Kippe

Vor einigen Jahren stand die Zukunft des MAN-Werks auf der Kippe. Die Unternehmenszentrale wollte massiv Stellen am Standort Berlin abbauen. Das sei jetzt ganz anders, berichtet ein Mitarbeiter. Aufgrund der Nachfrage und des wachsenden Bedarfs für die Energiewende sei der Standort wieder im Aufwind.

Ein Abschlussfoto vor dem riesigen Endprodukt. „Alle reden immer über Wärmepumpen“, sagt Giffey beim Abschied. Eigentlich sollten alle Leute, die gegen hohe Energiekosten protestieren, mal für einen Besuch im Werk vorbeikommen, um zu sehen, was Klimaschutz in der Umsetzung bedeute. „Das wird einfach Zeit brauchen, dieser Prozess.“

Dann steigt sie in ihren Dienstwagen und verschwindet im Halbdunkel zwischen den alten Backsteinhallen.

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