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Auf Tour: Jan Böhmermann und sein Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld. 

© picture alliance/dpa / Rolf Vennenbernd dpa

Aufklärer oder Prahlhans?: Ein Abend im Raumschiff Ehrenfeld von Jan Böhmermann

Jan Böhmermann legte mit seinem Rundfunk-Tanzorchester ein Gastspiel in Berlin ein. Lohnt sich ein Besuch?

Mehr Binnenspannung für ein Konzert geht nicht: Draußen vor der Max-Schmeling-Halle am Montagabend eine kleine Querdenker-Gruppe samt sichernder Polizisten, drinnen gleich der Mann in Konzert, den die Demonstranten, neben der „Lügenpresse“, wohl mit am meisten hassen und dessen Lieblingsthema eben oft auch die Polizei ist. Jan Böhmermann & das Rundfunk-Tanzorchester zu Gast in Berlin auf „Ehrenfeld Intergalactic Tour“.

Was für eine Tour? Denkt man sich erst mal. Und geht da mit seinem aus dem „ZDF Magazin Royale“ gewonnenen Böhmermann-Bild rein. Man kann es sich vorstellen: So intergalaktisch-abgehoben war es bei diesem Konzert in ausverkaufter Halle natürlich nicht. Sondern zutiefst irdisch mit all den Themen, mit denen sich der Sänger, Moderator und Conférencier Jan Böhmermann in den vergangenen zehn, 15 Jahren im Fernsehen einen Namen gemacht hat.

Nazis, Polizisten, Elon Musk

Klagen, Nazis, Populismus, Elon Musk, Polizistensöhne, Kunstfreiheit, Querdenker, inklusive Anspielungen auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, Pazifismus und laufende juristische Verwicklungen mit „Welt“-Herausgeber Stefan Aust wegen einer inkriminierten „ZDF-Magazin-Royale“-Ausgabe zum Thema RAF.

Klar, das war auch ein Konzert. Dass das 15-köpfige Rundfunk-Tanzorchester unter der Leitung von Stimmverzerrer Lorenz Rhode allesamt sehr gute Musiker sind, ist Fans des „ZDF Magazin Royale“ bekannt. Bekommen jene in Böhmermanns Fernsehshow ihre wöchentlichen zwei, drei Minuten, stehen sie auf der Tour dem Chef mindestens gleichwertig zur Seite. Streicher, Blasinstrumente, wilde Percussion, Bass, Gitarre, zwei Backgroundsängerinnen, ein Mix zwischen Big-Band-Sound, Funk, Arbeiterlied, HipHop, Max-Giesinger-Style und Rap, gesanglich unterstützt von den vier „Jadebuben“ – das war mitunter dröhnend-breiig im Saalsound, ging und geht aber schon heftig in die Füße.

Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt

15, 16 Songs aus dem mittlerweile recht großen Böhmermann-Oeuvre. „Die Polizei ist nicht im Internet“, „United States of Europe“, (ziemlich gehässige) Lieder zu Rainer Wendt, dem unternehmungslustigen Chef der Polizeigewerkschaft, oder zu „Witzanwalt Dr. Scherz“, natürlich der Polizistensohn-Zyklus mit dem Smash-Hit „Ich hab’ Polizei“, bei dem sich der ganz in Schwarz gewandete Böhmermann standesgemäß Sonnenbrille und Hoodie überzog. Dazu Danger Dan als Überraschungsgast, der am Klavier seinen mittlerweile Ohrwurm „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ zum Besten gab.

Wenig Halten für das Steh-Publikum, überwiegend U30, tanzend vor der Bühne, während die sitzende „Upper Class“ auf den Rängen der Max-Schmeling-Halle von Böhmermann – leidlich old fashioned – zum Klassenkampf aufgerufen wurde. Und dann bitte gerne auch gegen die Querdenker draußen vor der Tür.

Na gut. Muss man deswegen in das Konzert gehen? Jein. Wo Böhmermann draufsteht, ist auch bei einer intergalakatischen Tour Böhmermann drin. Politische Botschaften, Aufklärung, wenngleich die Deklarierung des Ganzen als „politischer Liederabend“ immer auch dem Credo „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“ zuzuordnen ist, wie es das Konzept Jan Böhmermann seit Jahren vorsieht. Aufklärer oder Zampano/Rampensau/Prahlhans, oder geht doch beides gut zusammen?

Das Ohrendröhnen nach gut zweieinhalb Stunden weist jedenfalls darauf hin, dass das ein ziemlich aufregender, nennen wir es Konzertauftritt, war, welcher 9000 Leute spätabends in Berlin/Brandenburg recht glücklich nach Hause geschickt haben dürfte. Mit Lichterzeichen, Mitsingen, Mitklatschen, mit allgemeinem Einverständnis zu dem, was der 41-Jährige da vorne auf der Bühne von sich gibt und verbreitet. Draußen um 23 Uhr war es leer vor der Halle. Demnächst wieder mehr im ZDF.

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