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Der Unterschlupf e.V. in der Kreuzberger Wrangelstraße bietet Frauen, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind, eine Anlaufstelle. Es ist ein geschützter Erholungsort, wo die Frauen Kraft tanken können.

© Corinna von Bodisco

Zuflucht für obdachlose Frauen in Berlin-Kreuzberg: „Es läuft anders als in anderen Einrichtungen – hier kann man ankommen“

Der „Unterschlupf“ ist ein Tagestreff im Wrangelkiez, wo sich obdachlose Frauen einbringen, Schutz suchen und ausruhen können. Doch kaum gestartet, ist seine Existenz schon wieder bedroht.

Hier gibt es nicht nur das Nötigste wie Dusche, Küche und oben die Schlafräume. Zur Tagesstelle zählen ebenso ein Kreativraum, eine „Boutique“, eine Terrasse und ein Garten. Unterschlupf e.V. will obdachlosen Frauen einen geschützten Erholungsort bieten, etwa 30 kommen dafür täglich in die Kreuzberger Wrangelstraße – und das nicht nur vom Kottbusser Tor oder vom Görlitzer Park, sondern auch vom Ostbahnhof oder von noch weiter entfernt.

Das noch junge, im Februar 2023 gestartete und privat finanzierte Angebot ist stark nachgefragt. Laut der Caritas leben geschätzt 2500 Frauen in Berlin auf der Straße, in Notunterkünften seien Männer in der Mehrzahl. Es gibt nicht viele Angebote wie die Tagesstelle Unterschlupf e.V. in Berlin, speziell für Frauen (siehe Infokasten). Unterschlupf richte sich auch an trans Frauen und nicht-binäre Menschen.

Trotzdem muss der Verein offenbar Ende April 2024 die Räume wieder verlassen. Laut Bezirksamt liegt für das Grundstück Wrangelstraße 30-32 ein Bauantrag für den Neubau eines sechsgeschossigen Wohngebäudes mit Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss vor. 

„Es ist wichtig, dass es weitergeht“, sagt Ela, eine Klientin, die von Anfang an dabei ist und der man ihre Wohnsituation nicht unbedingt ansieht. „Es läuft hier anders als in anderen Einrichtungen“, sagt sie: „hier kann man ankommen“. Ela schätzt an Unterschlupf, dass sie dort ihre Wäsche selbst waschen und Vorschläge für das Zusammenleben machen könne. Sie erzählt, dass sie oft die Räume putzt. „Auch wir wollen sauber und gepflegt durchs Leben gehen.“

Das Team der Tagesstelle achtet sehr darauf, dass sich die Frauen wohlfühlen. Hier am Esstisch wird zusammen gefrühstückt und Mittag gegessen.

© Corinna von Bodisco

Auch ein „Kreativraum“ gehört zum Angebot bei Unterschlupf e.V.

© Corinna von Bodisco

Die Räume von Unterschlupf wirken hell und wohnlich, jeden Tag wird mit Lebensmitteln von der Berliner Tafel eine gesunde warme Mahlzeit gekocht. Betti, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, schneidet Zwiebeln für eine Blumenkohlcremesuppe. Die soll es dann mit gebratenen Maultaschen geben. Die Gründerin des Vereins, die auch Köchin ist und lange ein eigenes Restaurant leitete, wollte schon 2022 mit Unterschlupf e.V. starten.

Doch das sei nicht einfach gewesen. „Ein Jahr habe ich gesucht, aber niemand wollte ‚Frauen in Not‘ Räumlichkeiten vermieten“, erinnert sie sich. Dabei sei die Basis des Projekts finanziert gewesen, weil Betti über ihr Netzwerk einen privaten Geldgeber aufgetrieben habe. Das Bezirksamt habe auf Anfragen zunächst nicht reagiert. Dann sei die 62-Jährige richtig sauer geworden, sogar die Idee „wir besetzen“ kam auf.

Dazu kam es dann nicht, weil sich im November 2022 endlich der Bezirk mit der Nachricht meldete: Räume in Aussicht. Kurz vor Weihnachten stand dann fest, dass Unterschlupf e.V. und die Diakonie in der Wrangelstraße 30 Räume bekommen.

Das Gebäude in der Wrangelstraße 30 soll im Frühjahr 2024 einem Neubau weichen.

© Corinna von Bodisco

Das Kältehilfe-Übernachtungsangebot der Diakonie ist mit Unterschlupf abgestimmt: Wenn das Tagesangebot wochentags um 18 Uhr endet, bleiben diejenigen Frauen, die einen der etwa 20 Schlafplätze nutzen, über Nacht. Um 8 Uhr morgens wechseln sie ein Stockwerk tiefer und um 9 Uhr kommen diejenigen Besucher:innen, die nicht dort übernachten.

Tagsüber dürften die Frauen nicht in die Schlafräume. „Dafür haben wir zu wenig Personal“, sagt Marit Heinisch, die 25 Stunden pro Woche bei Unterschlupf arbeitet. Insgesamt fünf Frauen in Teilzeit oder als Minijobber:innen gehören zu diesem Kernteam. Betti arbeite für ihren Verein 40 Stunden ehrenamtlich pro Woche. Außerdem seien etwa zehn Ehrenamtliche dabei, weitere würden gesucht (Kontakt: frauen-projekt.unterschlupf@web.de).

Obwohl im Tagestreff die Regeln lockerer seien als in anderen Unterkünften, gebe es doch eine gemeinsame Basis: keine Gewalt, keine Drogen oder Alkohol, kein Diebstahl. „Wir versuchen hier eine Gemeinschaft zu bilden“, sagt Marit Heinisch. Aber Konflikte seien keine Seltenheit.

Eine neue, sehr unruhig wirkende Besucherin hat eine stark verletzte Nase, will aber nicht zum Arzt. „Frag sie, ob sie zum Arzt geht, wenn sie jemand begleitet“, sagt Betti zu Teamkollegin Emmillie. Doch nicht immer nehmen die Frauen die Hilfe an.

„Viele sind physisch richtig krank und leben seit Jahrzehnten auf der Straße. Einige haben Verfolgungswahn, Schizophrenie. Frauen brauchen geschützte Räume. Die meisten haben Gewalterfahrungen erlebt“, sagt Betti. Deswegen setze das Team so viel auf gemeinsames Kochen und Backen, Singen, Tanzen und Bewegung.

Manchen scheint das zu helfen: Eine Bewohnerin recht das Laub im Garten zusammen und manövriert die gelben Blätterhaufen in einer Schubkarre an den Rand des Gartens. Eine andere nutzt das Kreativzimmer, um Wolle aufzuwickeln und Musik zu hören. „Für viele Frauen ist es ein bisschen wie nach Hause kommen, es ist unser Frauenhaus“, sagt Betti. Sie hofft, dass es auch nach dem Ende der Räumlichkeiten in der Wrangelstraße für Unterschlupf e.V. weitergehen kann.

Auch das Bezirksamt bezeichnet das Angebot von Diakonie und Verein als „wichtiges und hilfreiches Projekt im Bezirk“ und will versuchen, zu unterstützen.

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