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© Screenshot Tsp

„Das ist mein Land, Du bist hier Gast“: Berliner Polizist beleidigt Familie in eigener Wohnung rassistisch

Es ging um 750 Euro wegen einer Geldstrafe. Doch der Polizeieinsatz bei einer syrischen Familie in Berlin geriet völlig aus dem Ruder.

Es sind verstörende Szenen von einem Polizeieinsatz in der Wohnung einer syrischen Familie in Alt-Hohenschönhausen. Der Linke-Abgeordnete Ferat Kocak hat Ausschnitte davon in den sozialen Medien veröffentlicht. Zwei Beamte der Berliner Polizei bringen einen nur in Unterhemd und Shorts gekleideten Mann schmerzhaft zu Boden, sein auf dem Bett sitzendes Kind muss es mit ansehen und schreit vor Angst. Am Ende sagt einer der Beamten zu dem Mann und seiner Frau: „Ihr seid hier in unserem Land, ihr habt Euch nach unseren Gesetzen zu verhalten“. Und: „Das ist mein Land und Du bist hier Gast.“

Das alles geschah am vergangenen Freitagmorgen in Lichtenberg. Die Frau hatte alles mit dem Handy aufgezeichnet. Mehr als fünf Minuten ist das Video lang. Noch am selben Tag gingen sie und ihr Mann selbst zur Polizei und erstatteten Anzeige wegen Körperverletzung, weil der 30-Jährige leicht am Arm verletzt worden sei. Zudem seien sie rassistisch beleidigt worden. Und sie legten der Polizei das Video vor.

Seither ermittelt die „Ermittlungsgruppe Zentral“ vom Staatsschutz des Landeskriminalamtes, die für Verdachtsfälle zu politisch motivierter Kriminalität bei der Berliner Polizei zuständig ist. Der Beamte ist inzwischen in den Innendienst versetzt worden. Sein Verhalten sei „nicht mit den Leitlinien der Polizei Berlin in Einklang zu bringen“, sagte ein Behördensprecher dem Tagesspiegel.

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Der Sprecher kündigte an: „Weitere dienstrechtliche Konsequenzen folgen. Wir stehen gegen jegliche Form diskriminierenden und menschenverachtenden Verhaltens.“ Die Beamten selbst leiteten Ermittlungen gegen das Paar wegen Widerstands, tätlichen Angriffs und versuchter Gefangenenbefreiung ein.

Screenshot aus dem Video.

© Screenshot Tsp

Doch das komplette Video, das der Tagesspiegel einsehen konnte, zeigt etwas anderes. Für Kenner wirken die Vorwürfe konstruiert, wie eine Schutzbehauptung. Zu sehen sind zwei Beamte, die mehr als bestimmt auftreten, die überfordert wirken. Schreiende und weinende Kinder sind zu hören, die ansehen müssen, wie ihr Vater von Beamten gefesselt wird – in der eigenen Wohnung, einem nach dem Grundgesetz besonders geschützten Raum. „Guck mal meine Kinder“, sagt der 30-jährige Syrer an einer Stelle. „Bin ich der Verbrecher oder Du“, entgegnet einer der beiden Beamten.

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Nach dem bisherigen Ermittlungsstand wollten die Polizisten der 28-Jährigen Frau eine sogenannte Gefährderansprache halten, es geht um ein anderes Ermittlungsverfahren, worum es dabei geht blieb unklar. Die Frau sollte gewarnt werden. Zudem lag gegen ihren Mann ein Haftbefehl wegen Erschleichens von Leistungen vor, der ebenfalls vollstreckt werden sollte. Er soll nach Tagesspiegel-Informationen drei Mal ohne Ticket in Bus und Bahn erwischt worden sein und bekam dafür eine Geldstrafe über 750 Euro. Er zahlte aber nicht.

© Screenshot Tsp

„Schuhe anziehen, Sie kommen jetzt mit, sonst gehen Sie ohne Schuhe“, sagt einer der Polizisten an jenem Freitagmorgen. Die Frau fasst einen Beamten von hinten an, sagt: „Die Kinder schlafen.“ Der Beamte sagt laut: „Vorsicht, fass mich nicht an.“ Dann eskaliert es. Der Beamte will dem Mann die Handschellen anlegen, der Mann weigert sich, mitzugehen, verschränkt die Arme, diskutiert und fragt: „Warum?“. Die Kinder schreien. „Geh zurück“, schreit der auffällige Beamte zur Frau. „Ich bezahle“, beteuert der Mann. „Was willst Du uns sagen? Hol das Geld“, brüllt der Polizist und führt den Mann ins Schlafzimmer, wo eines der Kinder liegt.

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„Die Kinder schlafen“, sagte die Frau. „Verpiss Dich“, sagt der Beamte. Der 30-jährige Vater wirkt verzweifelt, zeigt auf sein Kind, ist wütend. Die Beamten greift er nicht an, doch der auffällige Polizist schubst ihn gegen den Schrank, bringt ihn mit dem anderen Polizisten zu Boden. Das Geld, das er aus einem Beutel holen wollte, liegt vor ihm auf dem Boden.

Später fragt die Frau, warum der Beamte ihren Mann schlägt. Und sagt, dass die drei Kinder alles mit ansehen mussten. Der Beamte sagt ihr, sie solle raus gehen. Als sie meint, dass es ihre Wohnung sein, kommt vom Beamten die rassistische Bemerkung, es sei sein Land. Die Frau holt das Geld, der Beamte brüllt die Frau an: „Halt die Fresse, fass mich nicht einmal an, ich bringe dich ins Gefängnis.“ Der 30-Jährige schreit, der Polizist solle nicht so mit seiner Frau reden. Doch der Beamte äußert sich wieder rassistisch.

Laut Polizei wurde der 30-Jährige nicht mitgenommen, weil er die Geldstrafe bezahlt hat. Bislang wird nur gegen einen Beamten ermittelt. Das Verhalten des anderen wird geprüft, etwa ob er selbst den Vorfall im Nachhinein gemeldet hat. Die Berliner Grünen erklärten, die Aussagen der Beamten in dem Video seien „zutiefst verstörend, rassistisch und ein Schlag ins Gesicht aller Menschen mit Migrationsbiografie in unserer vielfältigen Stadt“.

Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) mahnte zur Vorsicht. „Es sollte jedem klar sein, dass eine Videosequenz nie den kompletten Einsatz zeigt. Nichtsdestotrotz fallen da natürlich Worte, die nicht zur Kommunikation einer bürgerfreundlichen Polizei passen, die wir uns vorstellen“, sagte Jendro.

Die jetzt von der Berliner Polizei zugesicherten Ermittlungen sorgten für Transparenz. „Die wäre übrigens möglich, wenn man die Kollegen flächendeckend mit Bodycams ausstatten und deren Einsatz im Wohnraum ermöglichen würde“, sagte Jendro. „Klar ist auch, dass geprüft werden sollte, wer die Aufnahmen gemacht und verbreitet hat und ob hier nicht auch gegen Persönlichkeitsrechte der Betroffenen verstoßen wurde.“

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