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Tania Bruguera, Künstlerin und Aktivistin, vor ihrer Performance „Where Your Ideas Become Civic Actions (100 Hours Reading The Origins of Totalitarianism)” im Hamburger Bahnhof.

© dpa/Christoph Soeder

„Die Polizei muss dann auch eingelassen werden“: Berlins Innensenatorin appelliert an Kulturorte nach propalästinensischen Störaktionen

Israelfeindliche Aktivisten störten eine Lesung mit Texten von Hannah Arendt. Die Veranstalter riefen aber nicht die Polizei. Innensenatorin Spranger ist entsetzt.

Veranstaltungen an Hochschulen und Kulturort sind in den vergangenen Wochen von propalästinensischen Gruppen und Israelfeinden massiv gestört worden – doch die Institutionen nehmen das lieber hin, als die Polizei zu rufen. Das hat Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Montag beklagt.

Sie appellierte im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses an Hochschulen und Kultureinrichtungen, bei kritischen und gefährdeten Veranstaltungen zuvor die Polizei zu informieren – und bei Vorfällen zu alarmieren und dann auch einzulassen.

Anlass für die ungewöhnlich deutliche Äußerung der Innensenatorin ist der Abbruch einer Lesung im Berliner Museum Hamburger Bahnhof wegen propalästinensischer Störungen und Hassreden. Die Polizei ermittelt gegen die Störer, dabei war sie an dem Abend selbst nicht alarmiert worden.

Die 100-stündige Performance mit der Lesung einer umfassenden Analyse totalitärer Strukturen der Publizistin Hannah Arendt (1906–1975) am 11. Februar war von den Veranstaltern abgebrochen worden. Eine Gruppe von 20 israelfeindlichen und propalästinensischen Aktivisten hatte die Lesung des Werks „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ zweimal massiv gestört. Die Gruppe rief Sprüche wie „Antifascism is antizionism“ („Antifaschismus ist Antizionismus“), „Germany is a fascist state“ („Deutschland ist ein faschistischer Staat“) und auch die strafbare Parole „From the River to the Sea Palastine will be free“.

Der Staatsschutz des LKA ermittelt gegen die Störer

„Doch die Polizei wurde nicht alarmiert“, beklagte Spranger. Erst am nächsten Tag sei über die Internetwache eine Anzeige gestellt worden. Es sei überaus wichtig, die Polizei vorab über Veranstaltungen zu informieren, damit sie Schutzmaßnahmen ergreifen könne. „Und sie muss dann auch eingelassen werden“, sagte Spranger.

Es sei auch schon geschehen, dass die Polizei vom Veranstalter, der das Hausrecht ausübt, nicht hineingelassen worden sei und es später Beschwerden gegeben habe, weil die Polizei angeblich nichts getan habe. „Dann ist das eine sehr, sehr schwierige Situation. Das ist ein riesiges Problem. Ich kann nur anmahnen, dass dann anders gehandelt wird“, sagte Spranger.

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) forderte Kulturinstitutionen auf, die Polizei vorab über kritische Veranstaltungen in Kenntnis zu setzen.
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) forderte Kulturinstitutionen auf, die Polizei vorab über kritische Veranstaltungen in Kenntnis zu setzen.

© DAVIDS/Tom Maelsa

Zum Vorfall im Hamburger Bahnhof werte die Polizei nun zahlreiche Videos von den Störungen aus, die im Internet kursieren. Der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz des Landeskriminalamtes (LKA) befrage zudem Zeugen. Etwa 100 Menschen hätten das Geschehen beobachtet. Ein Direktor des Museums sei angespuckt und rassistisch beleidigt worden. Wäre die Polizei informiert gewesen und hätte eingreifen dürfen, hätte die Veranstaltung fortgeführt werden können, sagte Spranger.

Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat wegen diverser ähnlicher Vorfälle bereits ein härteres Vorgehen gefordert. Die Hochschulen und Kulturorte, für die das Land Berlin verantwortlich ist, müssten ihr Hausrecht gegen antisemitische Störungen mithilfe der Polizei „konsequent wahrnehmen“.

Der Senat müsse „mit den Zuschuss- und Zuwendungsempfängern und institutionell geförderten Einrichtungen in seinem Einflussbereich für eine angemessene und konsequente Ausübung des Hausrechts“ sorgen, forderte die SPD-Fraktion. Ihr Ziel: „Aktivistische antisemitische Gruppen müssen zügig und falls erforderlich ebenfalls zügig mithilfe der Berliner Polizei aus dem Veranstaltungsort entfernt werden.“ Veranstaltungen müssten fortgesetzt werden können, Straftaten verfolgt werden.

„Die Bekenntnisse gegen Antisemitismus klingen hohl, wenn im konkreten Fall die Störung hingenommen und die Veranstaltung abgebrochen wird“, sagt Martin Matz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. „Die Leitungen der Institutionen setzen häufig auf Diskussionen statt Polizei. Das ist ein unhaltbarer Zustand.“

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