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Franziska Giffey (SPD) ist Regierende Bürgermeisterin von Berlin.

© dpa / Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Update

Giffey zur Berliner Wahlwiederholung: „Jedes Wahllokal wird 140 Prozent an Ausstattung erhalten“

Die Verantwortung für das Wahldebakel liege auf vielen Schultern, sagte die Regierende Bürgermeisterin im Parlament. Die Opposition fordert Senator Geisel zum Rücktritt auf.

| Update:

Nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichtshofs zur kompletten Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl hat Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Donnerstag im Parlament eine Regierungserklärung abgegeben.

„Es ist ein einschneidendes Erlebnis für unsere Stadt, das berührt auch mich als Berlinerin“, sagte Giffey zu Beginn ihrer Erklärung. Dass Wahlen reibungslos ablaufen, sei eine Grundvoraussetzung.

„Der Vorgang hat großen Schaden angerichtet, es sind Fehler passiert, die nicht hätten passieren dürfen“, sagte die SPD-Politikerin. Die Verantwortung dafür liege aber auf vielen Schultern – das zeige die umfassende Begründung des Gerichts.

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Schon vor der Entscheidung des Landesverfassungsgerichtshofs über eine komplette Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl seien die Vorbereitungen darauf angelaufen. Im Nachtragshaushalt seien dafür 39 Millionen Euro bereitgestellt.

„Jedes Wahllokal wird 140 Prozent an Ausstattung erhalten“, versicherte Giffey, nachdem bei den Wahlen im vergangenen Herbst in großem Umfang Stimmzettel fehlten und nicht genügend Wahlurnen zur Verfügung standen.

Wir kümmern uns darum, dass Berlin trotz der Herausforderungen weiterläuft.

Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin

Giffey appellierte auch an die Handlungsfähigkeit des Senats und der rot-grün-roten Koalition: „Wir kümmern uns mit Nachdruck weiterhin um das, was jetzt das Wichtigste ist: um die Menschen in unserer Stadt, um unsere Wirtschaft, um eine gesicherte Energieversorgung unserer kritischen Infrastruktur. Wir kümmern uns darum, dass Berlin trotz der Herausforderungen weiterläuft.“

Darüber hinaus stellt Giffey ausführlich die Ergebnisse der bisherigen Regierungsarbeit vor. Im Angesicht dreier großer Herausforderungen – bestehend aus Pandemie, Fluchtbewegung und steigenden Energiekosten – habe der Senat die Berliner:innen gut durch die Krise geführt.

Regierende Bürgermeisterin zu sein sei „die schönste Aufgabe, die man sich vorstellen kann“, sagte Giffey, die im Februar wieder als Spitzenkandidatin zur Wahl stehen wird. „Wir fühlen uns an das Versprechen gebunden, Berlin zur Zukunftshauptstadt zu machen.“

CDU-Parteichef sieht SPD in der Hauptverantwortung

CDU-Partei- und Fraktionschef Kai Wegner kritisierte Giffey im Anschluss an die Erklärung scharf. „Für die Blamage der Wahlwiederholung trägt die SPD die allergrößte Verantwortung“, erklärte Wegner und monierte, dass sich die Regierungschefin für das offenkundige Versagen am Wahltag nicht entschuldigt habe.

„Die Berlinerinnen und Berliner hätten endlich eine klare Entschuldigung verdient, auch die sind sie heute schuldig geblieben“, sagte Wegner und fügte hinzu: „Aus arm aber sexy ist unglaublich aber wahr geworden.“

Herr Geisel, treten sie zurück!

Kai Wegner, CDU-Partei- und Fraktionschef

Mit Blick auf den bislang von Giffey gestützten Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD), der zum Zeitpunkt der Wahl Innensenator war, sagte Wegner: „Diese historische Schlappe darf nicht ohne Konsequenzen bleiben.“ Geisel habe alle Warnungen im Vorfeld der Wahl in den Wind geschlagen, erklärte Wegner und bezeichnete die Dreifachwahl inklusive Volksentscheid am Marathontag als „Himmelfahrtskommando“.

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„Herr Geisel, treten sie zurück!“, forderte Wegner und kündigte an, dass jeder Tag, an dem Geisel im Amt bleibe, ein Tag sei, „an dem Giffey beschädigt wird“.

SPD-Fraktionschef weist Attacken zurück

SPD-Fraktionschef Raed Saleh versprach, das Urteil des Gerichts „mit Demut“ zur Kenntnis zu nehmen und bedankte sich bei den damaligen Wahlhelfern. „Vielen Dank für ihren Einsatz für Berlin und für die Demokratie.“ Saleh wies Wegners scharfe Attacken auf seine Partei, die SPD, zurück. „Wir wollen einen Wahlkampf für die Menschen machen, in einem fairen Wettstreit. Was die Berliner nicht wollen, ist das Verhalten von Ihnen, Herr Wegner.“

Saleh erklärte, die Koalition wolle ihre „Politik für soziale Gerechtigkeit und Ökologie“ fortführen. „Wir müssen dafür sorgen, dass in der größten Krise seit Jahrzehnten die Menschen ihren Lebensunterhalt bestreiten können, ihre Wohnung heizen können und sie nicht verlieren.“ Daran müssten sich alle Parteien messen lassen, sagte Saleh.

Berlin funktioniert nicht, wie es soll. Man fühlt sich wie Asterix und Obelix auf der Suche nach dem Passierschein A38.

Werner Graf, Grünen-Fraktionschef

Grünen-Fraktionschef Werner Graf fand deutliche Worte zur Wahlwiederholung. Diese sei der „Worst Case für die gesamte Berliner Politik“, sagte Graf. „Berlin verheddert sich selbst immer wieder in seiner eigenen Bürokratie! Berlin funktioniert nicht, wie es soll“, sagte der Grünen-Politiker. „Man fühlt sich wie Asterix und Obelix auf der Suche nach dem Passierschein A38.“

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Graf plädierte für ein „Update Berlins“ und präsentierte fünf Leitlinien für Politik und Verwaltung: Klarere Aufgabenverteilung, mehr Transparenz, mehr Digitalisierung, projektorientierteres Arbeiten und eine Verankerung einer vernünftigen gesamtstädtischen Steuerung in der Verfassung. Diskussionen über eine neue Verwaltung seien nicht „sexy“, aber die Wiederholungswahl müsse der „letzte Warnschuss“ gewesen sein.

Die Linken-Fraktionsvorsitzende Anne Helm bemühte sich um einen Blick auf das Positive an der Arbeit der Koalition: „Es ist kein Zufall, dass es in Berlin ein 29-Euro-Ticket gibt und ein 9-Euro-Sozialticket geben wird“, sagte Helm. Sie gab mit dem Verweis auf die Ampel-Koalition im Bund schon mal einen Wahlhinweis in eigener Sache für die Wahl Februar im Februar aus: „Die Ampel im Bund legt 100-Milliarden-Fonds für Aufrüstung auf, aber keinen für sozial-ökologischen Umbau.“ Rot-Grün-Rot erhöhe in Berlin dagegen die Mittel für Investitionen in soziale Infrastruktur., sagte Helm. „Finde den Unterschied! Ich gebe einen Tipp: Den Unterschied macht die Berliner Linke.“

FDP: Dysfunktionalität „weltweit bekannt“

FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja sprach mit Blick auf die Gerichtsentscheidung am Vortag von einer „beschämenden Gewissheit“, betonte aber auch, dass daraus für alle politischen Akteure miteinander eine Aufgabe erwachse, die es anzugehen gelte.

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„Ich schäme mich für die politischen Akteure, die nicht das nötige Rückgrat mitbringen, um dafür die Verantwortung aufzubringen“, erklärte Czaja weiter und warf der Regierenden Bürgermeisterin in Rückgriff auf deren Rede vor, in einer „Parallelwelt“ zu leben. Über Selbstverständlichkeiten dürfe nicht mehr diskutiert, sondern sie müssten umgesetzt werden, erklärte Czaja und fügte hinzu: „Die weltweit bekannte Dysfunktionalität ist und bleibt ein Armutszeugnis, mit dem wir uns auseinanderzusetzen haben.“

Auch AfD fordert Geisels Rücktritt

AfD-Partei- und Fraktionschefin Kristin Brinker warf Giffey vor, „Schönfärberei“ zu betreiben. Mit Blick auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofs sprach sie von einem „Dokument der Schande für unsere Stadt“ und von einer „Blamage für die Stadt“. „Herr Geisel, treten Sie endlich zurück!“, formulierte Brinker in Richtung des ehemaligen Innensenators und erklärte: „Berlin braucht dringend eine Wahlwiederholung.“

Mit der Entscheidung für eine komplette Wahlwiederholung wegen zahlreicher Fehler am 26. September 2021 kommen auf den rot-grün-roten Senat mehrere Herausforderungen zu. Einerseits müssen die drei Partner zusammen weiter vernünftig regieren, was in Zeiten einer Energiekrise und hoher Inflation wichtiger denn je ist. Andererseits müssen alle Parteien erneut einen Wahlkampf organisieren und sich voneinander abgrenzen. Dafür bleibt wenig Zeit zur Vorbereitung – denn die Wiederholungswahl soll am 12. Februar stattfinden.

Am Mittwoch hatte der Berliner Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die von zahlreichen Pannen geprägte Wahl zum Abgeordnetenhaus komplett wiederholt werden muss. Die Abstimmung vor rund 14 Monaten sei wegen „schwerer systemischer Mängel“ ungültig.

Aus Sicht des Gerichts gab es eine „Vielzahl schwerer Wahlfehler“ – und zwar schon bei der Vorbereitung, wie dann auch am Wahltag selbst. Diese seien mandatsrelevant gewesen, haben sich also auf die Zusammensetzung des Parlaments ausgewirkt. Der Grundsatz der Allgemeinheit, Gleichheit und Freiheit sei verletzt worden.

Als Beispiele für Wahlfehler nannte Gerichtspräsidentin Ludgera Selting falsche, fehlende oder eilig kopierte Stimmzettel, zu wenige Wahlurnen, die zeitweise Schließung von Wahllokalen sowie lange Schlangen davor, mit Wartezeiten von mitunter mehreren Stunden. In rund der Hälfte der 2256 Wahllokale stimmten Wähler noch nach 18 Uhr ab.

Bis zur Konstituierung des neuen Parlaments könne das aktuelle weiterarbeiten, erklärte das Gericht. Da es sich um eine Wiederholungs- und keine Neuwahl handele, ende die Legislaturperiode weiterhin 2026. Die Parteien müssen mit denselben Kandidaten antreten wie 2021. (mit dpa)

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