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Bei den Verhandlungen geht es um alle Kinder und Jugendlichen der Stadt, also um rund 600.000 junge Menschen.

© Frank Molter/dpa

Update

Fünf Milliarden Euro schwer: In Berlin beginnt das Ringen um den neuen Bildungsetat

Mehr als 500 strittige Posten müssen geklärt werden. Debattiert wird über Budgets für Schulen und Bildungsprojekte. Ein wichtiges Thema aber bleibt außen vor.

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Es gilt, die Nadel im Heuhaufen zu finden: Wo verbirgt sich das Geld, das helfen könnte, Berlins Schülerleistungen zu verbessern oder ein paar hundert Kitaplätze mehr zu bauen? Wo stecken auch kleinere Posten, die sich zugunsten des einen oder anderen Lieblingsprojekts der drei Koalitionäre trotz der Sparzwänge retten ließen? Wo hat die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie ihre Schwachstellen vergraben, und wie kann die Opposition aus all dem Funken schlagen? Fragen über Fragen. Ihre Antworten liegen im Haushaltsentwurf, genauer: im fünf Milliarden Euro schweren Einzelplan 10, dem Etat für Schule und Kita.

Die erste Haushaltslesung war schon – am 28. März: bleischwer, sechs Stunden lang, wie üblich beim ersten Durchgang. Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse und ihre Staatssekretäre (alle SPD) quälten sich durch die Seiten. Da wurden sie durchdekliniert, die großen und kleinen Posten von A wie Ausbildungsbeihilfen bis Z wie Zuschüsse.

Dabei hagelte es 508 Fragezeichen. Denn jede Fraktion kann an jedem beliebigen Etatposten einhaken und einen Berichtsauftrag an die Senatsverwaltung auslösen, wenn ein Punkt nicht glasklar erscheint. Dann will sie Aufschluss über verdächtige Kostensteigerungen ebenso wie über ominöse Nebenkosten. Dann will sie wissen, warum die Landeszentrale für Politische Bildung einen zweiten Standort braucht oder warum die Gerichtskosten durch die Decke gehen.

In der ersten Woche nach den Ferien beginnt nun der zweite Teil der Verhandlungen, die sich noch den ganzen Mai und Juni hinziehen sollen, bis am Schluss nur die ganz großen Brocken übrig sind. Die müssen dann die Fraktionsspitzen wegräumen.

Umfangreichster und aufgeladenster Etat Berlins

Aber bis dahin ist noch eine Menge zu tun, denn Busses Etat ist nicht nur der umfangreichste, sondern auch der aufgeladenste Berlins. Schließlich geht es um alle Kinder und Jugendlichen der Stadt, also um rund 600.000 junge Menschen, sowie um ihre knapp 60.000 Erzieher und Lehrkräfte, um Hausmeister, Eltern, Sozialarbeiter und Tausende freie Träger von der Krippe bis zur Suchtberatung. Wo anfangen?

Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) verfügt über den größten Haushalt der Stadt.
Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) verfügt über den größten Haushalt der Stadt.

© Christoph Soeder/dpa

Die Fallhöhe wird schon beim ersten Punkt deutlich. Er umkreist die „Coronamaßnahmen zur Bekämpfung der Pandemiefolgen für Kinder, Jugendliche und Familien“. Ein dickes Brett.

Auch hier soll die Senatsverwaltung helfen – mit einem Bericht über alles, was sich so zwischen „Aufholen nach Corona“ und „Corona-Rücklage“ abgespielt hat. Das wird beschwerlich, aber die Koalition will es so, während die AfD lieber wissen will, was „alle Maßnahmen zur Betreuung und Beschulung von Flüchtlingskindern aus der Ukraine“ kosten oder ob es inzwischen an allen Schulen Kinderschutzkonzepte gegen sexuellen Missbrauch gibt.

Schulen droht weitgehender Verlust flexibler Gelder

Vieles davon trat bei den Haushaltsverhandlungen zunächst in den Hintergrund , denn die Musik spielte in den ersten Wochen woanders. So lenkten alle großen Schulleitungsverbände das Augenmerk auf den weitgehenden Verlust ihrer flexiblen Gelder: Aus den bis zu 26.000 Euro, die sie bisher im Jahr pro Schule bekamen, sollten 3000 Euro werden, was sie nicht hinnehmen wollten. Der in Gründung befindliche neue Verband der Grundschulleitungen schloss sich nach Informationen des Tagesspiegels ebenfalls dem Protest an.

Es ging um rund 13 von 15 Millionen Euro, die verloren gehen sollten – also 26 Millionen im Doppelhaushalt, 65 Millionen auf die ganze Legislatur gerechnet. Allerdings scheint die Gefahr gebannt, nachdem SPD-Fraktionschef Raed Saleh kurz nach den Osterferien verkündete, dass seine Fraktion bei den Schlussverhandlungen zum Haushalt den Verfügungsfonds retten wolle.

Andere Haushaltsposten sind bisher weniger im Fokus, was sich aber bald ändern könnte. Das gilt etwa für das Projekt „Teach first“. Es entsendet Hochschulabsolventen zur Unterstützung an Schulen. Zuletzt bekam „Teach first“ Gelder, um gezielt an Brennpunktschulen die Anzahl der Schulabgänger ohne Abschluss zu senken. Wenige Projekte gelten als so fokussiert und wirksam. Dennoch soll die Finanzierung jetzt ganz aus dem laufenden Etat verschwinden. Vorübergehend würden Projektgelder zur Verfügung stehen, die aber noch vor Ende der Laufzeit, also mitten im Schuljahr, verbraucht wären.

Geld für Schulbauoffensive fließt langsamer als geplant

Ähnlich soll es weiteren kleinen Projekten – etwa für Antidiskriminierung und kulturelle Bildung – gehen, um die noch gekämpft werden dürfte, wenn die Haushaltsverhandlungen beginnen. Mitunter liegen die Projekte in den Wahlkreisen der Abgeordneten, genießen auch daher hohes Augenmerk. Dann wird es auf Verhandlungsgeschick ankommen.

So ist es auch mit anderen Posten wie dem kostspieligen Challenge-Projekt für Brennpunktschulen. SPD-Fraktionschef Raed Saleh glaubt, hiermit ein Erfolgsmodell aus London zu importieren. Ob sich ein Fraktionsmitglied findet, das bereit wäre, Saleh sein Lieblingsprojekt auszureden, damit das Geld in anerkanntere Projekte fließt, ist noch unklar.

Marzahn-Hellersdorfs Bildungsstadtrat Torsten Kühne (CDU) hat ausgerechnet, dass rund 300 Millionen Euro fehlen, um alle Schulen zu bauen, für die es Rahmenverträge gibt.
Marzahn-Hellersdorfs Bildungsstadtrat Torsten Kühne (CDU) hat ausgerechnet, dass rund 300 Millionen Euro fehlen, um alle Schulen zu bauen, für die es Rahmenverträge gibt.

© Kai-Uwe Heinrich

Offen ist auch, inwieweit es gelingt, Kita- und Schulplätze zu bauen. Marzahn-Hellersdorfs Bildungsstadtrat Torsten Kühne (CDU) hat da große Zweifel: Er rechnete aus, dass rund 300 Millionen Euro fehlen, um alle Schulen zu bauen, für die es Rahmenverträge gibt. Die Finanzverwaltung spricht zwar nur von 136 Millionen Euro, die gegenüber dem Investitionsprogramm fehlen. Aber klar ist durch ihr Eingeständnis geworden, dass das Geld für die Schulbauoffensive langsamer fließt. Somit ist zweifelhaft, ob genügend Schulplätze gebaut werden können.

Zusätzlich irritierend daran ist, dass nichts zu hören ist von einem Protest der Bildungsverwaltung gegen diese offenkundige Finanzierungslücke. Ohne Kühne wüsste die Öffentlichkeit davon gar nichts: Er gehört zu den wenigen politischen Akteuren, die schon in der vergangenen Legislatur mit dem Schulbau befasst waren und sich mit dem Haushalt auskennen. Er war es denn auch, der vor zwei Wochen im Tagesspiegel auf die fehlenden Gelder hingewiesen hatte.

Zur Verwirrung trägt auch bei, dass die neuen Schulbauten im Etat der Bauverwaltung verortet sind und damit den kritischen Blicken der Bildungsfachleute entgehen. Das aber ist ein handfester Nachteil – im Kampf um Schulplätze und um Transparenz.

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