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Test negativ, Licht an und losgetanzt? Warum nicht? So ließen sich Infektionen jedenfalls nachverfolgen (Archivfoto).

© Sophia Kembowski/dpa

Partys in Parks und Regeln des Senats: Lasst die Clubs öffnen – mit Hygienekonzept natürlich

Gefeiert wird sowieso – in Parks und Grünanlagen. Da wird es dann zur Sache der Polizei. So ein Unfug. Schluss mit lebensfremden Beschlüssen. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Werner van Bebber

Tanzen im Club, die Nacht ohne Limit, die Leute ohne Masken: In Leipzig haben sie es ausprobiert. Dem MDR zufolge waren die Partygäste der „Distillery“, die zuvor eine ausführliche Test-Prozedur auf sich genommen hatten, von der alt-neuen Tanzverfahrung absolut begeistert: endlich wieder in lachende, fröhliche, unbedeckte Gesichter sehen. Ein Versuch, der zeigen sollte und könnte, wie der Weg in die Normalität aussehen könnte.

In Berlin, wo Politiker gern die Bedeutung der Clubkultur betonen, gab es am vergangenen Wochenende auch einen Modellversuch: Im Club „Revier Südost“ durften 300 Tanzfreudige sozusagen AHA-raven: mit Abstand, mit Trackern, die überwachten, ob die Feiernden Abstand hielten, und mit Masken. Wer dabei sein wollte, musste getestet, geimpft oder von Corona genesen sein.

[Lesen Sie hier bei T-Plus: Das Leben nach Corona und die Frage: Sind wir noch gesellschaftsfähig?]

Für die Interessenvertreter der Clubszene, etwa für Lutz Leichsenring von der Clubcommission, war das ein Tanzschritt in die richtige Richtung.

Die Clubcommission fordert seit längerem, dieses Verbot zumindest für Außengelände endlich aufzuheben. Am Dienstag hat der Senat beschlossen, dass „Tanzlustbarkeiten“ (zitiert nach Senatsinformation) im Freien wieder erlaubt sein sollen – mit maximal 250 Teilnehmern, die negativ auf Corona getestet sein müssen.

Parks und Grünanlagen sind voller Partys

Da wirkt die Politik ein wenig wirklichkeitsfremd. Partys jeder Größe und Ausrichtung finden längst statt, ohne Genehmigung, ohne Test, unter freiem Himmel. Und nicht allein in Berlin.

Die Parks und Grünanlagen deutscher Städte sind voller feierfreudiger junger Leute, die nichts weniger im Sinn haben als „Abstand“. Am Wochenende waren die Nachrichten voll von Einsätzen des Ordnungsamts und der Polizei – in Berlin, in Potsdam, in Köln, in Essen.

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Es ist der nicht mehr stille, sondern ein donnernd basslastiger und alkohol-getriebener Protest gegen eine Verbotspolitik, die vielen wie ein Automatismus erscheint: Blick auf Inzidenzzahlen; Kanzlerin redet mit Ministerpräsidentinnen und – präsidenten; Lockerungs-Gefeilsche; Profilierungsversuche mit „mehr“ oder „weniger“ Lockerung; Warnung von Karl Lauterbach; Ankündigung neuer Lockerungen in 14 Tagen oder bei Inzidenzzahlen von – ja, wie niedrig denn noch?

Der Umgang mit ganz realen Verstößen gegen Abstandsregeln, Alkohol- und Tanzverbote einschließlich Ruhestörungen verläuft wie üblich: Aufräumen dürfen Polizei-Hundertschaften und Ordnungsamtsmitarbeiter. Die werden mit Flaschen beworfen, manchmal direkt angegriffen – und fangen mit dem Auflösen der Veranstaltung an, wenn die Feier seit ein paar Stunden läuft und der Abend weit fortgeschritten ist. Am späten Abend haben sie immerhin das Argument „Ruhestörung“ auf ihrer Seite.

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Dass vorher das gesamten Infektionsschutz-Verordnungs-Regime ignoriert worden ist, ignorieren die Ordnungskräfte geflissentlich über Stunden – in der Hoffnung, dass die Party-Auflösung später glimpflich abgeht. Aber sollten sie mit Wasserwerfern und Spezialkommandos die Park-Partys zur Feier des Sommers auflösen?

Diese Art Verbotspolitik funktioniert nicht mehr

Die Park-Partys zeigen, wie groß der Abstand der Politik mit ihren Seuchen-Eindämmungs-Bemühungen und denen ist, die die Politik vor den Folgen von Unvernunft und riskantem Verhalten schützen will. Diese Politik funktioniert nicht mehr. Sie hinkt hinter der Wahrnehmung, den Infektionszahlen und dem Lebensgefühl junger Leute her.

Wenn sich aber Tausende junger Leute nicht mehr in ein Pandemie-Verbots-Regime fügen, das die Behörden nicht durchsetzen – dann sollte man besser die Clubs öffnen. Testen, Kontaktdaten erheben und nachverfolgen, wenn ein Infektionsherd gefunden wird – das wäre vernünftig. Denn so bestünde die Chance, einen Infektionsherd einzudämmen. Diese Chance gibt es gar nicht bei Partys, deren Teilnehmer in alle Richtungen verschwinden, wenn die Polizei auftaucht. Dann nämlich findet niemand je heraus, wer sich wo infiziert hat.

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