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© picture alliance/dpa/Jens Kalaene

Lehrermangel zum Schulstart in Berlin: In der Hauptstadt fehlen mehr als 2000 Lehrkräfte

Viele Kinder, wenig Lehrpersonal: Die Gewerkschaft GEW beklagt Berlins schlechte Ausstattung, macht kaum Hoffnung - und einen pragmatischen Vorschlag.

Zu wenig Personal, kaum Platz und eine Besserung der Lage ist auch nicht in Sicht: Es waren erwartbar trübe Mitteilungen und Zahlen, die der Landesverband Berlin der Gewerkschaft für Wissenschaft und Erziehung GEW zum Start dieses neuen Schuljahrs präsentierte. Zum allseits bekannten Mangel an Lehrkräften im Land kommt laut dem GEW-Landesvorsitzenden Tom Erdmann hinzu, dass die Zahl der Schüler:innen an den staatlichen Schulen stark gestiegen ist: Es sind nun 6000 mehr als noch im vergangenen Schuljahr.

Rund 1400 Stellen für Lehrkräfte seien derzeit unbesetzt, sagte Erdmann. „Wir brauchen mehr als 2000 Personen, um diese Lücke zu stopfen.“ Bewusst wähle er das Wort „Personen“, denn von der Idealvorstellung, dass jede an einer Schule arbeitende Person eine voll ausgebildete Lehrkraft sein kann, hat man sich in Berlin ohnehin zwangsläufig verabschiedet.

Das zeigt sich auch an der aktuellen Zusammensetzung der Berliner Lehrerschaft. Von 3255 eingestellten Personen hätten 1214 eine volle Lehramtsausbildung. 1797 der neu Eingestellten seien dauerhaft unbefristet, 1458 befristet. Unter den unbefristeten Beschäftigten seien zudem 543 Quereinsteiger:innen und 40 Personen ohne volle Lehramtsausbildung.

Die Situation wird sich bis zum Schuljahr 2027/28 noch verschärfen.

Tom Erdmann, GEW-Landesvorsitzender

„Die Situation wird sich bis zum Schuljahr 2027/28 noch verschärfen“, mahnte Erdmann. Der Bedarf an Lehrpersonal, der derzeit laut einer Modellrechnung der Bildungsverwaltung bei 32.481 liegt, werde bis dahin auf 33.409 steigen. Dieser Mangel übersetzt sich teilweise in ausfallenden Unterricht. 23.000 von 93.500 zu vertretenden Stunden hätten im vergangenen Schuljahr nicht unterrichtet werden können. Erdmann verwies auch darauf, dass diese Zahlen noch beschönigt seien.

Zahlen für Stundenausfall kaum zu ermitteln

In ihrer Not streichen die Schulen Förder- und Inklusionsstunden. Zudem werden die Klassen vergrößert. Als erteilter Unterricht gelte an manchen Schulen bereits, wenn eine Lehrkraft ein Arbeitsblatt verteile, sagte Erdmann.

Dadurch seien belastbare Zahlen für den effektiven Unterrichtsausfall schwer zu ermitteln. Wie gravierend schlecht hingegen einige der Berliner Schulen mit Personal versorgt sind, zeigt eine aktuelle Analyse des Tagesspiegels, zugrunde liegen ihr Daten der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie für das vergangene Schuljahr.

Die GEW forderte, das durch nicht erfolgte Einstellungen frei gewordene beziehungsweise übrig gebliebene Budget von rund 60 Millionen Euro den Schulen zur Verfügung zu stellen. So könne, wenn schon keine voll ausgebildeten Lehrer:innen greifbar seien, dieses Geld doch für anderweitig pädagogisch geschultes Personal genutzt werden, von dessen Einsatz dann zumindest die Kinder profitieren, beispielsweise Ergotherapeut:innen.

Den Alltag personell zu organisieren, ist mittlerweile das Hauptgeschäft.

Nuri Kiefer von der GEW über die Arbeit vieler Schulleiter:innen

Dass hinter aller Zahlen-Jonglage Menschen stehen, darauf verwiesen stellvertretend für Schulleiter:innen Nuri Kiefer, Vorsitzender der Vereinigung Berliner Schulleiterinnen und Schulleiter in der GEW, und Karin Petzold aus dem GEW-Vorstandsbereich Schule. Sie ist Lehrerin an einer Spandauer Grundschule.

Die Personalakquise sei ein überwiegender Teil der Arbeit von Schulleitungen, sagte Kiefer. „Den Alltag personell zu organisieren, ist mittlerweile das Hauptgeschäft.“ Außerdem übernähmen Direktor:innen flächendeckend flexibel Vertretungsstunden. Selbst Erzieher:innen würden mittlerweile verheizt. „Nicht aus böser Absicht“, sagte Kiefer, „sondern weil es gar nicht anders geht.“ Natürlich schlage so eine Dauerbelastung auf Stimmung und Umgangston im Kollegium. Kiefer forderte, mindestens die Sekretariatsstunden in den Schulen zu erhöhen, damit die Leitungen entlastet werden können.

Insbesondere Grundschulkinder leiden unter den größer werdenden Klassen, sagt Petzold. Die Lautstärke, wenn Partnerarbeit gefordert ist, der Mangel an Rückzugsräumen oder allein der fehlenden Möglichkeit, sich zwischendurch mal zu bewegen, belaste die Kinder. „Jedes Kind bringt andere Eigenschaften mit sich“, sagte Petzold. Als Lehrerin sitzen mehr als zwei Dutzend Kinder vor ihr. Dazu gehören natürlich auch noch die Eltern, die Bedarf und Anspruch auf Schulgespräche haben.

„Es wird eng“, sagte Petzold. Obwohl dies auf die räumliche Situation bezogen war, wirkt dieser Satz zum Schulstart und auf die allgemeine Situation bezogen wie eine gültige Analyse.

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