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Gesichtert. Polizisten stehen vor dem Eingang des Columbiabads in Neukölln. Immer wieder kam es hier zu Gewalt und Rangeleien. (Archivbild)

© dpa/Carioline Bock

Exklusiv

Leichter Anstieg erwartet: Bisher 48 Gewaltdelikte in Berliner Freibädern im Jahr 2023

Vor allem die Zahl an Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung hat im Vergleich zum Vorjahr zugenommen. Ein- und Ausgänge im Sommerbad Neukölln werden nun mit Kameras überwacht.

In Berlins Freibädern wurden in diesem Jahr bisher 48 Gewaltdelikte erfasst (Stand 18. Juli). Das geht aus einer Anfrage der Grünen-Abgeordneten Klara Schedlich und Vasili Franco an die Senatsinnenverwaltung hervor, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt. Im Vergleich zum Vorjahr ist damit 2023 ein leichter Anstieg der Gewaltvorfälle zu vermuten. Im gesamten Jahr 2022 wurden 57 Delikte erfasst. Die Freibad-Saison läuft in der Regel – je nach Freibad – bis Anfang oder Ende September.

Die Innenverwaltung betonte in ihrer Antwort, dass die Zahl der registrierten Straftaten in Freibädern im Jahresverlauf starken Schwankungen unterliege. „Dies begründet sich unter anderem durch wetterbedingt unterschiedliches Besucheraufkommen.“ Zu den Besucherzahlen in diesem Jahr gibt es allerdings noch keine Angaben.

„Tatsächlich machen die Gewaltstraftaten in den fast 60 Berliner Bädern gerade einmal 0,07 Prozent aller Gewaltdelikte in Berlin aus“, sagte Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, dem Tagesspiegel. „Bäderbetriebe und Polizei sind in der Pflicht, für Ansprechbarkeit, Sicherheit und effektive Strafverfolgung, bei denen, die über die Stränge schlagen, zu sorgen.“

83
Prozent der Tatverdächtigen sind männlich.

Laut Franco braucht es einen stärkeren Fokus auf den Schutz vor sexueller Belästigung. 2023 wurden in den Freibädern bereits elf Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung erfasst, im gesamten Jahr 2022 waren es sieben.

Bei den Gewalttaten im Jahr 2023 handelt es sich vor allem um gefährliche Körperverletzungen, einfache Körperverletzungen, Bedrohungen und sexuelle Belästigung. 83 Prozent der Tatverdächtigen sind Männer. Dreimal musste die Polizei in diesem Jahr bereits ein Freibad räumen – in allen Fällen betraf es das Sommerbad Neukölln am Columbiadamm.

Als häufigste Anlässe für die Gewalt nennen die Berliner Bäder-Betriebe eskalierende Privatstreitereien, Streitereien an Rutschen und Sprungtürmen, sexuelle Belästigungen mit anschließenden Verteidigungsreaktionen und unbefugtes Betreten des Geländes, wodurch es zu Konflikten mit dem Sicherheitspersonal kommt.

Videoüberwachung im Sommerbad Neukölln

Nach diversen Gewaltvorkommnissen in diesem Sommer und einer zwischenzeitlichen Schließung des Sommerbads Neukölln hat der Berliner Senat Mitte Juli eine Ausweispflicht in den Freibädern eingeführt. Wie bereits im vergangenen Jahr gibt es vor einigen Bädern mobile Polizeiwachen. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) kündigte außerdem an, das Budget der Bäder für Sicherheitspersonal von derzeit 1,5 Millionen Euro im Jahr noch einmal zu erhöhen.

Seit Freitag soll darüber hinaus eine weitere Maßnahme greifen. Die Berliner Bäder-Betriebe (BBB) kündigten an, die Ein- und Ausgänge des Sommerbades Neukölln durch Videokameras zu überwachen. „Dies ist eine weitere wichtige Maßnahme, um das Sommerbad Neukölln wieder sicherer zu machen und Eskalations-Situationen vorzubeugen“, sagte Johannes Kleinsorg, Vorstandsvorsitzender der BBB.

Die Kameras im Sommerbad Neukölln würden nicht Umkleideräume oder Liegewiesen filmen, sondern ausschließlich den Ein- und Ausgang des Bades. Die Bilder sollen nach einer Frist von 72 Stunden automatisch gelöscht werden, sollten Ermittlungsbehörden sie nicht zuvor anfordern.

Kritik an der Maßnahme kommt von den Grünen. „Nach wie vor ist unklar, welchen Nutzen eine Videoüberwachung im Eingangsbereich haben soll, Straftaten in dem Bereich wurden bisher nicht einmal gesondert erfasst“, sagte Franco dem Tagesspiegel.

Die sportpolitische Sprecherin der Grünen, Klara Schedlich, fordert statt Überwachung mehr Investitionen in die Infrastruktur der Bäder. „Was die Berliner Bäder am dringendsten brauchen, ist keine Videoüberwachung, sondern saubere Duschen und Umkleiden sowie ausreichend Personal, das jederzeit ansprechbar ist“, sagte sie. „Wenn der Ausbau der Bäderinfrastruktur genauso viel Interesse hervorrufen würde, wie jede einzelne im Schwimmbad verübte Straftat, dann wären unsere Bäder schnell saniert.“

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