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Jordan Peterson, kanadischer Psychologe und Kulturkritiker, Streiter gegen die politische Korrektheit

© Gage Skidmore/flickr.com/CC BY-SA 2.0

Update

Lieblingsautor der Neuen Rechten : „Berlinverbot für Jordan Peterson“ – 300 Menschen demonstrieren vor dem Tempodrom

Der kanadische Psychologe gilt als Lieblingsintellektueller der Neuen Rechten. Seine Buchvorstellung im Tempodrom stieß deshalb nicht nur auf Wohlwollen.

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Jordan Peterson ist ein Mann, der eine Lücke klaffen lässt. Zum einem zwischen dem konservativen Lager, dem sich der kanadische Psychologe zugehörig fühlt, und jenen anderen, die er der „woken Cancel Culture“ und dem „postmodernen Neomarxismus“ zuordnet. Von Genderpolitik hält er genau so wenig wie von politischer Korrektheit. Aber Peterson lässt noch eine andere Lücke klaffen, gerade hier in Deutschland: Er ist überraschend unbekannt für jemanden, der im angelsächsischen Raum vielerorts schon als der öffentliche Intellektuelle der modernen Rechten verbrieft wird.

So kann es auch vorkommen, dass das Berliner Tempodrom ausverkauft ist, wenn Peterson am Donnerstagabend sein Buch Beyond Order vorstellt, und in der Stadt außer Fans und Gegnern trotzdem kaum jemand davon Bescheid weiß. Ähnlich fasst dieses Paradoxon die Aktionsgruppe „Keine Shows für Täter!“ zusammen, in deren Visier Peterson nun geraten ist.

Das Bündnis, das sich im Sinne des Opferschutzes sieht und zuvor Kundgebungen gegen die Aktivitäten von Profiboxer Tom Schwarz und Comedian Luke Mockridge hielt, forderte ein „Berlinverbot für Jordan B. Peterson“, der „spätestens seit 2014 als zweifelhafte Galionsfigur der Alt-Right-Bewegung“ diene.

Gegen 19.30 Uhr traf vor dem Tempodrom ein Protestzug mit rund 300 Teilnehmenden ein. Sie tragen Transparente mit Aufschriften wie „Patriarchat abtreiben“ und „Keine Shows für Täter“. In Redebeiträgen teilten sie auch gegen den Veranstaltungsort, das Tempodrom, aus: „Seid ihr so zynisch, mit der Diskriminierung von Menschen Geld zu machen? Habt ihr die Deportationen am Anhalter Bahnhof vergessen?”

Der Protestzug vor dem Tempodrom.

© Alexander Kloß/Tsp

Die Anzahl der einströmenden Gäste nimmt derweil stetig zu. Bei den Fans macht sich eine gewisse Uniformität breit: überwiegend männlich, im jüngeren bis mittleren Alter, gelegentlich in Begleitung. Larissa, die lieber nur mit ihrem Vornamen genannt werden will, geht lieber zur Show als zum Protest. Früher hätte sie sich eher bei letzterem verortet, aber mittlerweile ist ihr die linke Bewegung zu engstirnig geworden, sagt sie. Dort sehe man „nur noch schwarz und weiß“.

Misogynie, Antisemitismus, Rassismus und Transphobie

„Von den Protestierenden würde ich wahrscheinlich als Nazi bezeichnet werden”, sagt sie, während im Hintergrund die lärmenden Protestierenden die Grünfläche vor dem Tempodrom einnehmen. Peterson sei jemand, der sich in den Kategorien „Misogynie, Antisemitismus, Rassismus und Transphobie“ zu Hause fühle, und dem „weder hier, noch anderswo“ eine Plattform ermöglicht werden solle, werfen ihm die Gegendemonstranten vor. Unterstützt wurde der Protestaufruf von verschiedenen lokalen Antifa-Gruppen.

„Lang leben die postmodernen Neo-Marxisten”, stand über einem Porträtposter von Philosoph Slavoj Žižek, gegen den Peterson unter viel Medienwirbel 2019 über Kommunismus debattierte. Peterson sei jemand, der sich auf die damalige Debatte vorbereitete, indem er „auf Wikipedia über das Kommunistische Manifest las”, sagte eine Rednerin bei der Demonstration.

Meine Familie ist jüdisch. Für mich ist das auch etwas Persönliches.

Ahmed aus New York

Ahmed ist vor kurzem aus New York nach Berlin gezogen, hat Frau und drei Kinder. Von den deutschen Parolen versteht er nicht viel, aber gekommen ist er trotzdem. “Meine Familie ist jüdisch. Für mich ist das auch etwas Persönliches.” Peterson manipuliere vor allem junge Männer und dem müsse man sich entgegenstellen.

Karla ist Mitorganisatorin und Teil des Bündnisses „Keine Shows für Täter”. Belastende Zitate von Peterson gibt es ihrer Meinung nach genug, aber sie zeigte sich vor allem besorgt über das, was „zwischen den Zeilen” stehe. Wie ein trojanisches Pferd schlichen sich so Botschaften ein, die im rechten Lager auf Anklang stoßen. Dogwhistle (zu deutsch “Hundepfeife”) nennt man so etwas in der Fachsprache.

Ich glaube, dass das Tempodrom nicht kritisch hinterfragt hat, wen sie dort einladen. Es hat mich enttäuscht, dass sie ihm so eine Bühne bieten.

Karla, Teil des Bündnisses „Keine Shows für Täter“

Auf Nachfrage, ob Petersons Auftritt nicht unter die Meinungsfreiheit falle, lenkte sie etwas ein: „Es fällt unter die Meinungsfreiheit und auch Berufsverbot würde ich ihm nicht erteilen. Aber ich glaube, dass das Tempodrom nicht kritisch hinterfragt hat, wen sie dort einladen. Es hat mich enttäuscht, dass sie ihm so eine Bühne bieten.” Karla kritisierte auch Petersons Zusammenarbeit mit radikalkonservativen Koryphäen wie Ben Shapiro und seiner Medienplattform „DailyWire+“.

In der Tat eckt Peterson mit seinen Aussagen nicht nur im politischen Kontext an. Nahezu ebenso häufig, wie er auf der einen Seite als öffentlicher Intellektueller dargestellt wird, wird er anderorts als Pseudointellektueller dekonstruiert. In seiner wohl bekanntesten Theorie aus seinem Bestseller 12 Rules for Life vergleicht er die evolutionäre Psyche des Menschen mit der eines Hummers.

Dem Mensch sei, genauso wie seinem schalentierhaften Urvorfahren, ein evolutionäres Verständnis für soziale Hierarchien anheim, von dem man sich inspirieren lassen solle. Hummermännchen, die im gegenseitigen Macht- und Paarungskampf erfolgreich sind, würden ihre Gegner dominieren und dadurch breitschultrig mit Serotonin strotzen. Männer sollen der Welt ebenso breitschultrig und geltungssüchtig entgegentreten, da man sich nur so die Gunst der dominanzliebenden Frauen sichern könne. Für manch einen ist der Gedankensprung zum Sozialdarwinismus an dieser Stelle nur ein kleiner.

Die Liste der Skandale und Affronts um den Psychologen ist einigermaßen lang. 2019 lud ihn die Universität Cambridge nach Protesten als Gastforscher aus. Peterson gibt sich gern betont unpolitisch und will nichts damit zu tun haben, als ein Fan mit der T-Shirt-Aufschrift „Ich bin ein stolzer Islamophober“ mit ihm für ein Foto posiert.

Auf Twitter ist er seit Juni gesperrt, weil er gegen die „Richtlinie zu Hass schürendem Verhalten“ verstieß. Unterstützer sehen in ihm derweil eine der letzten Bastionen der Meinungsfreiheit. Diese verteidige seiner Ansicht nach möglicherweise auch Wladimir Putin, wenn er in seinem Angriffskrieg in der Ukraine gegen den „pathologischen Westen“ vorgehe.

Jordan Peterson spaltet zur Zeit die Gemüter wie kaum eine andere Person des internationalen öffentlichen Lebens. Im Comic-Universum von Captain America diente er bereits als Superschurken-Inspiration und der jüngst erschienene US-Thriller Don’t Worry Darling nutze ihn als Vorlage für den von Chris Pine gespielten Bösewicht. Regisseurin Olivia Wilde nannte ihn im Interview den „pseudointellektuellen Helden der Incel-Community“. Auf seiner Welttournee ist Berlin als einziger Auftritt in Deutschland vermerkt. Ob es auch sein letzter sein wird, bleibt abzuwarten.

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