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© dpa/Sebastian Gollnow

Update

Polizei darf keine Gebühren einfordern: Berlins Innensenatorin scheitert mit verschärftem Kurs gegen „Letzte Generation“

Die Polizei erhob Gebühren für Einsätze gegen Klimablockaden – und bleibt nun auf den Kosten sitzen. Denn die Fälle fallen nicht unter die Gebührenordnung.

| Update:

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und die Polizei Berlin sind mit ihrem verschärften Kurs gegen Klebeblockaden der „Letzten Generation“ vorerst gescheitert. Der Versuch, die Aktivsten mit Gebührenbescheiden in Höhe von je 241 Euro zu überziehen und damit härter zu sanktionieren, ist offenbar nicht zulässig. Das Verwaltungsgericht hat in einem Eilverfahren auf Antrag eines Klimaaktivisten entschieden, dass es für die Gebühren keinerlei Rechtsgrundlage gibt.

Demnach darf die Polizei vorerst keine Gebühren mehr von Klimaaktivisten erheben, die sich auf der Straße festkleben und dann von der Polizei entfernt werden. Die Entscheidung des Gerichts ist noch nicht rechtskräftig. Die Polizei Berlin will Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) einlegen.

Spranger hatte im Sommer 2022 wegen der Klimablockaden Druck gemacht und angekündigt, Teilnehmer stärker zur Kasse zu bitten. „Ich halte generell ein härteres Durchgreifen für richtig“, sagte sie. Seither erhebt die Polizei Gebühren, um gegen die Täter vorzugehen. Experten hatte jedoch schon früh erhebliche Probleme gesehen. Der Rechtsanwalt Oliver Tölle, bis vor einigen Jahren Chefjustiziar der Berliner Polizei, hatte zur Gebührentaktik gesagt: „Ich halte dieses Vorgehen für zweifelhaft.“

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Die Opposition kritisierte Spranger am Dienstag scharf. „Mit ihrem ständigen Aktionismus untergräbt Innensenatorin Spranger das Vertrauen in den Rechtsstaat und erweist ihm einen Bärendienst“, sagte Grünen-Innenexperte Vasili Franco. „Dass ausgerechnet die Senatorin, die für die Einhaltung des Rechtsstaates verantwortlich ist, rechtsstaatliche Grenzen überschreitet, ist bedenklich.“

Die Innenverwaltung erklärte, sie nehme die Entscheidung des Gerichts zur Kenntnis. Diese sei lediglich „eine Rechtsauffassung“.

Polizei müsste Gebühren nicht an alle zurückzahlen

Linke-Rechtsexperte Sebastian Schlüsselburg zeigte sich wenig überrascht vom Gerichtsbeschluss. „Wenn die Polizei die von der ‚Letzten Generation‘ verursachten Kosten eintreiben will, muss sie das schlicht besser begründen und sich den Einzelfall ansehen“, sagte Schlüsselburg. „Für Fälle wie die unsinnige Beschmutzung des Brandenburger Tors wird das einfach sein. Für Fälle, bei denen grundsätzlich das Versammlungsrecht eröffnet ist, wird das nur sehr begrenzt möglich sein.“

Selbst wenn das OVG den Eilbeschluss der ersten Instanz bestätigt, müsste die Polizei die Gebühren nicht an alle zurückzahlen, wie ein Gerichtssprecher erklärte. Betroffene müssten zumindest rechtlich gegen die Bescheide vorgegangen sein. Das Verfahren beginnt damit, einen Widerspruch einzulegen. Laut Polizei sind 47 Klageverfahren anhängig – das wären insgesamt 11.327 Euro.

Nach den jüngsten Zahlen von Anfang September hatte die Polizei nach Straßenblockaden durch Klimaaktivisten Gebühren in Höhe von 53.500 Euro eingenommen. Zu 222 Gebührenbescheiden seien Zahlungseingänge von je 241 Euro zu verzeichnen. 157 Vorgänge seien bereits abgeschlossen.

Im aktuellen Fall hatte ein Klimaaktivist im Juni 2022 mit anderen die Kreuzung am Frankfurter Tor in Friedrichshain blockiert und sich festgeklebt, um gegen die Klimapolitik der Bundesregierung zu protestieren. Nachdem die Polizei ihn aufgefordert hatte, die Fahrbahn zu verlassen, was dieser jedoch nicht befolgte, lösten ihn die Einsatzkräfte von der Straße und trugen ihn weg.

Der Aktivist legte Widerspruch ein

Die Polizei erhob daraufhin im April 2023 eine Gebühr in Höhe von 241 Euro. Zur Begründung hieß es, dass die Blockade den Straßenverkehr erheblich behindert habe und somit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellte.

Der Aktivist legte Widerspruch gegen den Gebührenbescheid ein, nach dessen Ablehnung stellte der Mann einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht. Das Verwaltungsgericht entschied, dass der angewendete Gebührentatbestand nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar sei.

Die Polizei berief sich auf einen Passus ihrer Gebührenordnung zur Abwehr von Gefahren, wenn etwa ein Tier eingefangen werden muss oder ein Bauzaun auf die Straße kippt. Doch für das Lösen angeklebter Hände sei dieser Passus gar nicht ausgelegt, entschied das Gericht.

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