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Rheinsberg ist bei Touristen besonders für das gleichnamige Schloss im Ortskern bekannt, in dem sich auch das Tucholsky-Literaturmuseum befindet.

© Bernd Settnik/dpa

„Käme Tucholsky heute noch nach Rheinsberg?“: Rechtsextremist arbeitet in Brandenburger Touristeninformation

Die Stadt Rheinsberg ist vor allem für ihr Schloss und Kurt Tucholsky bekannt. Nun kommt sie wegen eines Mitarbeiters der Stadtverwaltung in die Kritik.

Es ist ein Gerichtsbeschluss im fernen Berlin, der in der Tucholsky-Stadt Rheinsberg im brandenburgischen Ostprignitz-Ruppin alte Diskussionen neu entbrennen lässt. Am vergangenen Dienstag urteilte das Berliner Oberverwaltungsgericht, dass es rechtens ist, dass die sogenannte „Identitäre Bewegung“ vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ beschrieben wird. Der Beschluss des Gerichts ist rechtsgültig und nicht anfechtbar.

Folgt man dem gerichtlichen Beschluss, kann man den Mann, der Besucher Rheinsbergs in der lokalen Tourist-Information empfängt, künftig gesichert als rechtsextrem bezeichnen. Daniel Pommerenke sitzt für die AfD im Kreistag von Ostprignitz-Ruppin und gilt als Akteur der „Identitären Bewegung“. 

Dem Tagesspiegel liegt Bildmaterial vor, welches Pommerenke in der ersten Reihe bei einem gewaltsamen Durchbruch einer Polizeikette im Rahmen einer rechten Demonstration der „Identitären“ im Jahr 2017 in Berlin zeigt. Vor seinem kommunalpolitischen Engagement bei der AfD soll Pommerenke aktiver Teil der Neonazi-Szene Sachsen-Anhalts gewesen sein, wie die Recherchen mehrerer antirassistischer Bündnisse belegen. 

Mehrmals verfasste er Beiträge für das neurechte Magazin Arcadi. Experten wie der Potsdamer Antisemitismus- und Rechtsextremismusforscher Gideon Botsch sehen in Pommerenke „ganz klar einen Rechtsextremisten“, wie Botsch schon 2019 der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ sagte. Pommerenke selbst sagte 2019, er sähe sich in der Nähe der „Neuen Rechten“. Dabei handelt es sich um eine Strömung innerhalb der rechtsextremistischen Szene.

Seit zwei Jahren fordert die Linke seine Entlassung

All das ist in Rheinsberg kein Geheimnis. Schon vor zwei Jahren forderte der Rheinsberger Linken-Politiker Freke Over den Bürgermeister Frank Schwochow (BVB/ Freie Wähler) dazu auf, sich von Pommerenke zu distanzieren und ihn zu entlassen. Durch die Berliner Gerichtsentscheidung zur Identitären Bewegung wittern jene in Rheinsberg, die Pommerenkes Position in der Tourist-Information der Stadt schon seit Jahren umbesetzen wollen, neue Chancen, Druck auf die Stadtverwaltung um Bürgermeister Schwochow auszuüben. 

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Mit einer Pressemitteilung wendet sich die zivilgesellschaftliche Initiative „#Rheinsbergzweipunktnull“ nun an die Öffentlichkeit und übt scharfe Kritik am Bürgermeister der Freien Wähler. Eingeleitet wird der Aufruf mit der Frage, ob „Tucholsky heute noch nach Rheinsberg kommen“ würde.

In dem Schreiben heißt es unter anderen, dass Bürgermeister Frank-Rudi Schwochow bereits 2020 seine „Hand“ über Pommerenke gehalten haben soll, da dieser sich in seiner Funktion als Mitarbeiter der Stadtverwaltung nicht „parteipolitisch“ geäußert habe.

Bürgermeister: Keine aktuellen Aktivitäten bekannt

Auf Anfrage des Tagesspiegels weist Frank-Rudi Schwochow jegliche Kritik von sich. „Aktuelle Bilder und andere Aktionen“, die Pommerenke im Rahmen von Identitären-Demonstrationen zeigen, seien ihm nicht bekannt und diese könne er deswegen nicht kommentieren, teilt er mit. Außerdem sei ein Arbeits- und Berufsverbot laut Grundgesetz „grundsätzlich nicht zulässig“, teilt Schwochow weiter mit.

[Lesen Sie mehr mit Tagesspiegel Plus: „Presse, Jansen, Frank“ :Wie es ist, auf einer Neonazi-Feindesliste zu stehen]

In Brandenburg wurde im vergangenen Jahr eine bekennende Reichsbürgerin aus ihrem Amt als Gemeinde-Bauleiterin entlassen, nachdem die Verwaltung Hinweisen über verfassungsfeindlichen Tendenzen der Frau nachgegangen war.

Für den Rheinsberger Bürgermeister gilt jedoch die Trennung zwischen einer beruflichen Leistung und der politischen Einstellung: „Herr Pommerenke verhält sich seinen Aufgaben entsprechend loyal ohne Agitation oder ideologisch politische Äußerungen gegenüber Gästen oder Kollegen“, schreibt der Politiker in seiner Antwort an den Tagesspiegel.

Bürgermeister erwägt rechtliche Schritte gegen Bündnis

Gleichzeitig teilt er gegen den Linken-Stadtverordneten Freke Over aus, den Schwochow als Urheber der Bündnis-Pressemitteilung vermutet. Dieser würde sich nicht loyal verhalten, da er der Stadt vorwirft, dass sie auch Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) beschäftigt hätte. Für Schwochow eine „vollkommen inakzeptable“ Unterstellung, die mögliche rechtliche Schritte zur Folge haben könnte, wie der Bürgermeister ankündigt.

In dem Brandbrief der #Rheinsbergzweipunktnull-Initiative findet sich der Abschnitt: „Der Bürgermeister argumentierte, in der Stadtverwaltung sollen sich Mitarbeiter nicht parteipolitisch äußern und täten das auch nicht. Sicher hätten mit der Argumentation auch die Terroristen des NSU in der Rheinsberger Verwaltung ihren Platz gefunden, parteipolitisch haben sich diese nämlich auch nie geäußert.“

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