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Kopie von Patrick Mason - By Mischa Fanghaenel

© Mischa Fanghaenel

Schwarz, Leder und ein bisschen verrucht: Berghain-Türsteher zeigen Kunst auf der Berliner Art Week

Sven Marquardt ist nicht der einzige Berghain-Türsteher, der nebenher als Fotograf arbeitet. Er und sein Kollege Mischa Fanghaenel präsentieren in Berlin derzeit Ausstellungen.

In Berlin ist Art Week, es dreht sich also alles um Kunst, oder besser: um alles, was man irgendwie als Kunst labeln kann. So drängen sich am Mittwochabend im Kreuzberger Modefachhandel Voo Store die Gäste auch nicht für den Verkauf eines exklusiven Turnschuhs, sondern für eine Ausstellung.

Zumindest offiziell, denn eigentlich handelt es sich um die Werbeveranstaltung eines mittelpreisigen niederländischen Jeansherstellers, der hier die Fotos seiner neuen Kampagne präsentiert. Die Fotos wurden allerdings nicht von irgendwem geschossen, sondern von Berghain-Türsteher und Fotograf Sven Marquardt – ein Name, der in Berlin immer zieht.

Dementsprechend sahen nicht nur die Kleider der beworbenen Kollektion, sondern auch die Gäste so aus, als hätten sie sich für einen Abend im Berghain feingemacht, oder zumindest die Laufsteg-Version davon: primär schwarze Kleidung, viel Haut, ein bisschen Leder, ein bisschen verrucht.

Die Kampagne heißt passend dazu „11+1“, eine Anspielung darauf, dass man es in Berlin ja nicht geschafft hat, wenn man auf Gästelisten steht, sondern erst, wenn man auch eine +1, 2 oder eben 11 mitbringen darf. Marquardt ist ja Experte auf diesem Gebiet.

Als Sven Marquardt dann da war, lies er sich auch vor seinen Werken ablichten. 

© PR/BOLD for G-Star RAW

Um 18 Uhr soll die Free-Drink-Veranstaltung – natürlich mit strenger Einlasskontrolle! – losgehen. Allein der Star des Abends ist nicht pünktlich. Marquardt zieht es vor, erst einer – ebenfalls im Rahmen der Art Week stattfindenden – Joko Ono Performance (ohne Joko Ono) beizuwohnen und danach noch ein bisschen Smalltalk bei einem Skateboard-Pop-Up-Shop im Garten der Neuen Nationalgalerie zu führen. Dort hatten unter anderem die Künstlerin Anne Imhof und der Designer Stefano Pilati (der war sogar anwesend) einige der Bretter mit ihren Entwürfen versehen. Gegen 19 Uhr bequemt sich Marquardt dann, auch auf der eigenen Veranstaltung aufzutauchen.

Ein weiterer Berghain-Türsteher stellt Fotografien aus

Sven Marquardt ist allerdings nicht der einzige Berghain-Türsteher, der auch Fotograf ist. Quasi zeitgleich eröffnet am Mittwochabend die Ausstellung seines Tür-Kollegen Mischa Fanghaenel, der, ebenfalls in einem Hinterhofgebäude, allerdings in Mitte, seine Serie „Nachts“ präsentiert.

Die Veranstaltung lässt sich wohl am besten mit dem Titel „Berghain goes Berlin-Mitte“ beschreiben: Vor dem Eingang auf der Schönhauser Allee hat sich gegen 21 Uhr – natürlich! – eine Schlange aus mehrheitlich schwarz gekleideten Menschen gebildet, die im Nieselregen auf Einlass warten. Immerhin muss hier niemand Angst davor haben, abgewiesen zu werden – sofern man auch hier den obligatorischen Platz auf der „Liste“ hat.

Drinnen hängen in einem bunkerartigen Raum des Veranstaltungsortes Acht Berlin die auf Aluminium gedruckten Schwarz-Weiß-Fotografien Fanghaenels. Sie zeigen Menschen aus der Berliner Technoszene, darunter bekannte (Berghain-)DJs wie Patrick Mason oder Âme. Die Idee, sagt der Fotograf, sei ihm während des Corona-Lockdowns gekommen, als keiner gewusst habe, ob Clubs jemals wieder öffnen könnten. Er habe nach einer Möglichkeit gesucht, diese Nacht-Welt und ihre Protagonisten zu verewigen.

Die so entstandenen Fotos sollen nun, wo die Clubs lang wieder geöffnet sind, einen Einblick in eine der Öffentlichkeit sonst meist verborgen bleibende Szene geben. Wer genau auf den Bildern zu sehen ist, bleibt allerdings den Eingeweihten vorbehalten; sie sind weder mit Titeln noch mit Namen der Porträtierten versehen.

Allerdings kann man, und das passiert bei Porträt-Ausstellungen sonst eher selten, viele der Menschen auf den Fotos auch leibhaftig vor Ort erleben. Die meisten der geladenen Modelle halten sich dabei praktischerweise in der Nähe ihres Abbilds auf, sodass sich Realität und Darstellung direkt miteinander abgleichen lassen.

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