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Engagierte Sprachpaten: Angelika Horn (v. li.), Dorohea Peichl und Karin Parnitzke.

© Frank Bachner

Tagesspiegel-Spendenaktion: Wie Berliner Ehrenamtliche migrantischen Schülern beim Deutschlernen helfen

Wenn Kinder mit Migrationshintergrund zu Hause kein Deutsch hören, kann das zu Problemen in der Schule führen. Die „Sprachpaten“ unterstützen sie – und brauchen selbst finanzielle Hilfe.

Hussein hat eine Henne aus der Schachtel gezogen. Jetzt streckt der Zweitklässler das Federvieh aus Pappe Angelika Horn entgegen. „Wie heißt die Frau vom Hahn“, fragt die Rentnerin. Drei Jungs und zwei Mädchen, alle aus der Klasse 2c der Ringelnatz-Grundschule in Berlin-Reinickendorf, sitzen am Tisch und überlegen. „Kaninchen“, sagt Amira, deren echter Name anders lautet. Auch Hussen heißt anders. Die Schwierigkeiten, die beide mit der deutschen Sprache haben, sind real.

Nächster Versuch. Amira hat einen Papp-Spaten gezogen. Also, was ist das? „Eine Schaufel“, sagt einer der Jungs. Schon besser, zumindest fast richtig. „Ein Spaten“, korrigiert Angelika Horn. „Damit kann man tief graben.“ Und wie viele Silben hat das Wort Spaten? „Spa-ten“, sagt sie laut. „Spa-ten“, wiederholen die Kinder. „Zwei.“ Na bitte, klappt doch.

Willkommen bei den „Sprachpaten“ des Vereins „Gesellschaft und Bildung“, willkommen bei den ehrenamtlichen Helfern, die Kinder mit viel Liebe und Empathie Lesen und Schreiben auf Deutsch beibringen. Zumeist unterstützen sie Grundschüler mit Migrationshintergrund: Jungs und Mädchen, „die Defizite haben, weil zu Hause kein Deutsch gesprochen wird“, sagt Dorothea Peichl, die Vorsitzende des Vereins. „Oder sie haben Defizite, weil zu Hause gar niemand mit den Kindern redet“, ergänzt die frühere Lehrerin Angelika Horn. So etwas gibt es auch.

Es sind nur die fünf Kinder, die hier im Klassenzimmer zusammensitzen. Eine Kleingruppe mit klarem Ziel: ein Niveau zu erreichen, das es ihnen ermöglicht, dem regulären Unterricht zu folgen.

Das wichtigste Mittel dabei ist neben der Empathie der Sprachpaten das Spiel mit der Schachtel: Darin liegen Dutzende Papp-Tiere und -Gegenstände. Die Kinder ziehen etwas und benennen, was sie gefischt haben. „Selbst wenn sie irgendwann besser lesen können, verstehen sie nicht, was sie lesen“, sagt Dorothea Peichl. Also müssen die Kinder einen visuellen Bezug zu dem Begriff bekommen.

Hussein hat ein Dach mit Kamin gezogen. Angelika Horn zeigt auf den Kamin. „Weißt Du, wie das heißt?“ „Dach.“ Fast richtig. „Kamin“, sagt Horn. „Weißt Du, was da rauskommt?“ „Luft“, antwortet Hussein. „Rauch“, verbessert Amira. Angelika Horn nickt anerkennend.

Immer wieder ist im Raum Klatschen zu hören, Beifall ist damit jedoch nicht gemeint. Angelika Horn teilt die Worte in Silben ein, jede Silbe bedeutet ein Klatschen. Auch das hilft den Kindern, die Sprache zu lernen.

Nun üben die Kinder den Buchstaben „e“ zu schreiben. Sieben-, achtmal „e“, bis die Zeile voll ist. Dann kommt das „i“ dran. Und schließlich zusammen: „ei“. Schritt für Schritt.

Auch Karin Parnitzke sitzt mit am Tisch, eine weitere Spachpatin. Sie bildet mit Angelika Horn das eigentliche pädagogische Helfer-Team. Dorothea Peichl kümmert sich um die Organisation und Ausrichtung des Vereins.

Seit Beginn des Schuljahrs 2022/23 läuft das Sprachpaten-Projekt, bisher begrenzt auf die Ringelnatzschule. Doch Peichl möchte es ausdehnen, 20 weitere Sprachpaten sollen ab 2024 in verschiedenen Reinickendorfer Schulen mit Zweitklässlern arbeiten. „Die Paten finde ich“, sagt die Vereinsvorsitzende. „Aber wir benötigen Geld, damit wir sie mit Unterrichts- und Bastelmaterial ausstatten können.“ Deshalb bitten sie und die anderen Vereinsmitglieder um die Unterstützung der Tagesspiegel-Leser.

Neun Kinder profitieren von den Sprachpaten – der Bedarf ist höher

Bis jetzt beschränkt sich das Sprachpaten-Projekt auf zwei Gruppen mit insgesamt neun Kindern. Einmal in der Woche kommen Kinder aus zwei Klassen, je eine Schulstunde lang, geschickt von ihren Klassenlehrern. „Der Bedarf ist eigentlich viel höher“, sagt Angelika Horn.

Den Kindern macht das Lernen mit den Paten Spaß. Während Hussein weiterhin das „e“ übt, beugen sich Mohammed und Djamila über ein gelbes Heft und lesen gemeinsam. Manchmal kichern sie.

Alle Kinder, die bisher in der Sprachpaten-Gruppe waren, haben lesen gelernt.

Angelika Horn, Sprachpatin im Verein „Gesellschaft und Bildung“

Die Erfolge sind klar spürbar, sagt Angelika Horn. „Alle Kinder, die bisher in der Sprachpaten-Gruppe waren, haben lesen gelernt.“ Zwei polnische Zweitklässler hätten alles „sogar superschnell begriffen“. Deren Lehrerin sei überrascht gewesen, dass die beiden sich im Unterricht plötzlich häufig gemeldet haben. „Die Kinder sind intelligent“, sagt Horn, „aber was sollen sie machen, wenn sie die Begriffe nicht kennen oder nicht lesen können?“ Die Kinder bleiben das ganze Schuljahr bei den Paten.

Dann läutet die Glocke, es ist Pause. Angelika Horn blickt ein bisschen niedergeschlagen zu den Zweitklässlern. „Leider ist unsere Stunde jetzt zu Ende, ist das nicht traurig?“ Ist es, so sehen die Kinder das auch. Die Einheit endet mit einer kleinen Beifallrunde, alle winken und sagen Tschüss.

Aber nicht alle gehen gleich los. „Die können ja gar nicht aufhören“, sagt Horn und zeigt auf zwei Mädchen. Sie sind so vertieft, dass sie einfach weiterlesen. Es ist einer der vielen kleinen Erfolge des Projekts.

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