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Ohne Quereinsteiger wäre in Berlin etwa jedes dritte Klassenzimmer ohne Lehrkraft.

© picture alliance/dpa / dpa/Monika Skolimowska

Update

Überraschendes Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts: Ausbildung von Quereinsteigern hat keine Rechtsgrundlage

Regelungen für den Zugang zum Studium und zum Prüfungsverfahren „fehlen vollständig“. Bildungsverwaltung prüft jetzt die Folgen der Einzelfallentscheidung.

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Das Berliner Verwaltungsgericht hat am Dienstag bekannt gegeben, dass die vom Senat organisierte Ausbildung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern in den Lehrerberuf rechtlich nicht abgesichert sei. Zur Begründung hieß es, dass die Grundlage in Form eines Gesetzes oder Rechtsverordnung „vollständig“ fehle. Diese Grundlage sei aber notwendig, da die berufsbegleitenden Studien der Quereinsteiger einen Zugang zum Lehrerberuf eröffnen.

Für Berlins Kampf gegen den Lehrkräftemangel ist das Urteil aber möglicherweise ohne größere Bedeutung. Es handele sich um eine „Einzelfallentscheidung“, die „keine unmittelbaren Auswirkungen auf andere Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger hat“, lautete die Einschätzung der Senatsverwaltung für Bildung auf Anfrage des Tagesspiegels.

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Die Opposition spricht von „Stümperei“ und einer „Ohrfeige“ für die Verwaltung

Berlins CDU-Vorsitzender Kai Wegner bezeichnete das Urteil als „Ohrfeige für die SPD-Bildungsverwaltung“. FDP-Bildungsexperten Paul Fresdorf nannte das Versäumnis „verheerend“, der AfD-Bildungspolitiker Thorsten Weiß eine „unfassbare Stümperei“. Eine Berufung der Bildungsverwaltung gegen das Urteil gilt unter Fachleuten als unwahrscheinlich, da sie schon an einer rechtssicheren Lösung arbeitet.

Eine Regelung durch Gesetz oder Rechtsverordnung ist erforderlich, fehlt aber im Land Berlin vollständig.

Verwaltungsgericht Berlin zur Ausbildung der Quereinsteiger

Die Qualifikation für zwei bis drei Fächer ist eine Voraussetzung für Lehrkräfte in Berlin. Da in Berlin Lehrkräfte fehlen, wird seit rund zehn Jahren in hohem Maße auf Quereinsteiger zurückgegriffen. Sie machen inzwischen rund ein Drittel der Berliner Kolleg:innen aus. Im konkreten Verfahren, das jetzt entschieden wurde, ging es um eine Quereinsteigerin, die zwei Fächer berufsbegleitend nachstudieren sollte und in Mathematik durchfiel. Sie hatte dagegen geklagt.

Die Quereinsteigerin unterrichtet bereits seit 2013 an einer Grundschule. Laut Gericht hatte sie einen Hochschulabschluss als Diplom-Biologin, den die Verwaltung zum Grundschulfach Sachkunde/Naturwissenschaften rechnet. Weil alle Grundschullehrer:innen einen Abschluss in Deutsch und Mathematik haben müssen, wurde sie zu berufsbegleitenden Studien in diesen beiden Fächern zugelassen.

Die Klägerin war in Mathematik durchgefallen

Die Klägerin bestand die zweite Klausur im Fach Mathematik trotz Wiederholung nicht, auch bei einer mündlichen Nachprüfung erbrachte sie nicht die geforderten Leistungen. Daraufhin teilte ihr die Senatsverwaltung mit, dass sie die berufsbegleitenden Studien endgültig nicht bestanden habe. Gegen diesen Bescheid wandte sich die Klägerin, sie will ihre berufsbegleitenden Studien fortführen.

Das Verwaltungsgericht hat der Klägerin teilweise recht gegeben: Der negative Prüfungsbescheid ist aufgehoben, ihre Studien darf die Klägerin aber demnach nicht fortsetzen. Denn damit dürfe sie an Schulen unterrichten, wofür allerdings nach dem Grundgesetz eine rechtliche Regelung fehle, insbesondere bezüglich des Zugangs zum Studium sowie des Prüfungsverfahrens und der dabei geforderten Leistungen.

Ein Sprecher der Senatsbildungsverwaltung erläuterte, dass die Behörde bereits „seit geraumer Zeit“ an einer Rechtsgrundlage für die berufsbegleitenden Studien von Lehrkräften im Quereinstieg arbeite. Diese Rechtsgrundlage werde zeitnah als Teil des ohnehin geplanten Lehrkräfteänderungsgesetzes ins Beteiligungsverfahren gegeben.

Die Bildungsverwaltung beschwichtigt

Bis zum Erlass des Änderungsgesetzes und der Rechtsverordnung könnten die berufsbegleitenden Studien weiter angeboten und diejenigen, die diese erfolgreich absolviert haben, zum Vorbereitungsdienst zugelassen werden. Das vorliegende Urteil bedeute, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studien, die diese endgültig nicht bestehen, „gegen die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens“ klagen könnten.

Bis zu einer Entscheidung in diesen Verfahren, die es möglicherweise geben könnte, werde jedoch voraussichtlich eine Rechtsgrundlage geschaffen worden sein. Laut Bildungsverwaltung laufen aktuell aber nur eine Handvoll Quereinsteiger Gefahr, ihre Studien nicht zu bestehen.

Es ist bereits seit mehreren Jahrzehnten gängige Praxis beim Quereinstieg, von einer arbeitsrechtlich zu regelnden Qualifizierungsmaßnahme auszugehen. 

Ein Sprecher der Bildungsverwaltung

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin habe auch keine negativen Auswirkungen auf Quereinsteigende, die sich derzeit in den Studien befinden oder diese erfolgreich abgeschlossen haben, sagte er Sprecher der Bildungsverwaltung. Eine nach den berufsbegleitenden Studien und dem Vorbereitungsdienst abgelegte Staatsprüfung sei weiterhin gültig.

„Auch wegen des derzeitigen Lehrkräftemangels“ würden die laufenden berufsbegleitenden Studien nicht eingestellt, sondern bis zum Erlass der neuen Regelungen fortgeführt, führte der Sprecher aus. Er begründete das bisherige Versäumnis damit, dass es „bereits seit mehreren Jahrzehnten“ gängige Praxis beim Quereinstieg sei, von einer arbeitsrechtlich zu regelnden Qualifizierungsmaßnahme auszugehen und eben nicht von einer öffentlich-rechtlichen Ausbildungsmaßnahme, die einer gesetzlichen Regelung bedurft hätte.

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