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Ältere Geflüchtete aus der Ukraine können Anspruch auf Grundsicherung haben.

© dpa/Henning Kaiser

Deutlich mehr Alte bedürftig?: Ein leicht übertriebener Trend

Der Faktencheck zeigt: Die starke Zunahme der Zahl der Grundsicherungsempfänger geht zum Großteil auf Geflüchtete aus der Ukraine zurück. Das wiederum hat einen einfachen Grund.

In Deutschland seien so viele Rentner wie nie auf Grundsicherung angewiesen. Die Nachricht machte am Wochenende auf allen Kanälen die Runde. Denn das Statistische Bundesamt hat neue Quartalszahlen vorgelegt.

Demnach ist die Zahl der Älteren über 65 Jahren, die ohne staatliche Unterstützung nicht über die Runden kommen, im Juni auf 684.360 gestiegen. So hoch war die Zahl in der Tat noch nie seit Einführung der Grundsicherung als Form der Sozialhilfe im Jahr 2005. Grundsicherung im Alter können alle Menschen beantragen, deren Einkünfte nicht ausreichen, um die Lebenshaltungskosten zu decken.

Die Gründe sind vielfältig. Da ist etwa das Lebensalter, das im Durchschnitt steigt. Ältere werden immer älter, aber neue Fälle kommen hinzu. Dramatik ist in die Grundsicherungsbilanz vor allem durch eine Zahl gekommen: Seit März vergangenen Jahres sind mehr als 90.000 Männer und Frauen mehr in der Grundsicherung, ein Anstieg um immerhin 15 Prozent. Im März 2022 hatten noch gut 594.000 Rentner Grundsicherung bezogen.

Woher aber kommt ein solches Plus binnen zwölf Monaten? In den Jahren zuvor hatte es das nicht gegeben. Die Antwort ist aus der reinen Statistik nicht herauszulesen, aber zu ahnen. Das Statistische Bundesamt erfasst nämlich Deutsche und Ausländer oder Nicht-Deutsche (es werden beide Begriffe genutzt) getrennt.

Letztere sind in aller Regel Inländer ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Bei den deutschen Rentnern ging die Zahl von 436.630 auf 459.420 nach oben. Das Plus von knapp 23.000 war etwas mehr als im Jahr davor, als die Zahl um etwas mehr als 20.000 gestiegen war.

Bei den Ausländern dagegen wuchs die Zahl der Bezieher von Grundsicherung wesentlich stärker. Sie ging von 157.570 auf 224.945 nach oben. Dieser Anstieg um mehr als 67.000 Männer und Frauen macht somit den Großteil des Gesamtanstiegs von gut 90.000 Personen aus. Aber wie ist das zu erklären?

Putins Krieg

Die Antwort gaben die Wiesbadener Statistiker bereits vor drei Monaten, als der beträchtliche Anstieg bei der Grundsicherung schon einmal durch die Nachrichten ging. Es ist Putins Krieg und die Reaktion der deutschen Politik, welche die deutliche Steigerung bewirkt. Seit März 2022 sind viele Ukrainer nach Deutschland geflohen.

Darunter waren auch viele Ältere. Sie werden, so sie leistungsberechtigt sind, seit Juni vorigen Jahres über die Grundsicherung im Alter versorgt und nicht über die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Der Bund finanziert

Der Grund: Die Grundsicherung finanziert der Bund, der mit der Übernahme von älteren Geflüchteten aus der Ukraine die Kommunen etwas entlastet hat.  73.060 Männer und Frauen aus der Ukraine bezogen Ende 2022 Grundsicherung, ein Jahr davor waren es gut 20.000.

Der Check der Fakten gibt also nicht her, dass es bei Inländern einen dramatischen Anstieg gegeben hat. Der Großteil geht eben auf die Notmaßnahme zugunsten der ukrainischen Flüchtlinge zurück. Wenn sie bald zurückkehren würden, hätten wir ein Minus – selbst wenn die Zahl der Inländer ähnlich steigt wie zuletzt. Wie lautet dann die Nachricht?

Richtig ist allerdings, dass der Trend bei der Grundsicherung seit Jahren nach oben geht. Die Zahl der Bezieher und Bezieherinnen mit deutscher Staatsangehörigkeit hat binnen zwei Jahren, also seit März 2021, um etwa 43.000 zugenommen, das sind mehr als zehn Prozent. Zieht man die ukrainischen Leistungsberechtigten ab, ist der Zuwachs in der Kategorie „Ausländer“ weitaus geringer. Der Sozialverband Deutschland geht allerdings von einer hohen Dunkelziffer von Betroffenen aus, die ebenfalls unter dem Existenzminimum leben, aus Scham oder Unwissen aber keine Sozialleistungen in Anspruch nehmen. 

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