zum Hauptinhalt

© dpa/Philipp von Ditfurth; Bearbeitung: Tagesspiegel

Kür der „Miss Germany“: Wie zeitgemäß ist das noch?

Am Samstag ist das Finale der „Miss Germany“-Staffel 2023. Viele finden solche Wettbewerbe faszinierend, andere problematisch. Lässt sich das Format aktualisieren? Drei Meinungen zum Thema.

Am 4. März ist das Finale der „Miss Germany“-Staffel 2023. Sind solche Miss-Wahlen noch zeitgemäß? Was ist faszinierend daran, was problematisch? Inwieweit lässt sich das Format aktualisieren? Was könnte an seine Stelle treten? In unserer Serie „3 auf 1“ gehen drei Expert:innen diesen Fragen nach. (Alle Beiträge von „3 auf 1“ finden Sie hier.)


Das Format hat sich längst dem Zeitgeist angepasst

Wir leben in einer Klischee-Welt. Während rote Badeanzüge reflexartig Erinnerungen an eine in Zeitlupe durch die Brandung von Malibu joggende Pamela Anderson erzeugen, umweht Miss-Wahlen stets ein modriger Hauch von Vorstadtglamour. Vielleicht, weil „Miss“ nicht geschützt ist und daher deutschlandweit von „Miss Metzgereihandwerk“ bis „Miss Kleingärtnerverein Ostbevern“ gemisswahlt wird, als wäre die Schärpen-Industrie systemrelevant.

Selbst der Marktführer „Miss Germany“ gilt landläufig als untalentierte Schwester von „Germany’s Next Topmodel“. Während da immerhin zuverlässig relevante Influencerinnen rekrutiert werden, reicht es bei „Miss Germany“ meist nur für „Temptation Island“.

Dabei hat sich das Format längst dem Zeitgeist angepasst. Dieses Jahr steht eine trans Frau im Finale. Auch insgesamt setzt sich der Kandidatinnen-Kader nicht mehr nur aus 19-jährigen, langbeinigen Lena-Gercke-Klonen zusammen, die sich Weltfrieden wünschen. Allein, dass sich deswegen AfD-nahe Tastaturpatrioten in Ekstase echauffieren, sichert für mich die Daseinsberechtigung des Wettbewerbs.


Eine Alternative wäre eine Wahl zur „Miss Persönlichkeit“

Unsere Agentur unterstützt keine Miss-Wahlen und kritisiert das erzeugte Frauenbild und den Fokus auf Äußerlichkeiten. Oft tragen diese Veranstaltungen zur Objektivierung von Frauen bei und vermitteln ein antiquiertes und engstirniges Schönheitsideal. Wir setzen unseren Schwerpunkt auf „People Models“, also individuelle Persönlichkeiten.

Bei Miss-Formaten sollte noch mehr Wert auf die persönlichen Leistungen und Fähigkeiten der Kandidatinnen gelegt werden. So könnten auch ein Talentwettbewerb oder eine Frage-und-Antwort-Runde zu aktuellen Themen integriert werden. Eine Alternative könnte eine Wahl zur „Miss Persönlichkeit“ sein, bei der Frauen eben nicht nur für ihr Aussehen, sondern viel mehr für ihre Leistungen und ihren Einfluss auf die Gesellschaft ausgezeichnet werden.

Diese Art von Veranstaltung würde eine positive Botschaft an junge Mädchen senden: dass sie sich auf ihre Fähigkeiten konzentrieren sollten, anstatt sich von äußeren Schönheitsstandards definieren zu lassen.


Miss-Wahlen gehören einer vergangenen Ära an – zum Glück

Am Samstag laufen sie wieder. Im Europapark Rust konkurrieren zehn Finalistinnen um den Titel der „Miss Germany“. Normschön sehen sie alle aus – doch darum geht es angeblich nicht, glaubt man den Veranstaltern. Ähnlich wie das deutlich reichweitenstärkere Äquivalent „Germany’s Next Topmodel“ hat sich der Wettbewerb vor drei Jahren einer Generalüberholung unterzogen. „Miss Germany“ sei kein Schönheitswettbewerb mehr, sondern eine „Auszeichnung für Frauen, die Verantwortung übernehmen“, heißt es auf der Webseite. Weiterhin sei man ein „First Mover“, der „Female Empowerment im Mainstream“ verankere.

Konkret bedeutet dieser Diversity-Sprech: In der Jury sitzen jetzt auch Frauen, Alters- und Gewichtsgrenzen wurden hochgesetzt beziehungsweise ganz aufgehoben, die Krone abgeschafft. Seitdem standen Kandidatinnen mit Mehrgewicht und Prothesen im Finale, trans Frauen und solche, die von ihrer Missbrauchserfahrung berichteten oder sich für Umweltschutz einsetzten.

Dieser Imagewandel liegt nahe, auch im Sinne der Wirtschaftlichkeit. Denn dass sechs Jahre nach „MeToo“ nicht mehr langbeinige Blondinen im Bikini von älteren Herren mit Punktetafeln bewertet werden können, scheint klar – wohl auch den Sponsoren.

Doch die krampfhaften Modernisierungsbemühungen werfen vor allem eine Frage auf: Warum braucht es diese Formate überhaupt noch? Von Werbeeinnahmen für die Veranstalter einmal abgesehen. Eine Plattform kann sich in Zeiten von Social Media schließlich jede selbst aufbauen. Miss-Wahlen gehören einer Ära an, die längst vergangen ist – zum Glück.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false