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In Mitte versammelten sich Abtreibungsgegner und -gegnerinnen beim "Marsch für das Leben" zu einer Demonstration, initiiert vom Bundesverband Lebensrecht.

© Paul Zinken/dpa

Mahnwachen von Abtreibungsgegnern: Wie viel Schutz brauchen ungewollt Schwangere?

Die Ampel-Koalition will die sogenannten Gehsteigbelästigungen vor Konfliktberatungsstellen unterbinden. Das ist heikel.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Das Schlagwort heißt „Gehsteigbelästigung“. Es bezeichnet die Situation, wenn Frauen, die ungewollt schwanger sind, auf dem Weg zur Abtreibungsberatung oder -klinik an Abtreibungsgegnern vorbeimüssen, die mit Plakaten und Spruchbändern zum Schutz des ungeborenen Lebens aufrufen.

Die Ampelregierung hat schon in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass sie dem ein Ende bereiten wolle. Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, hat jüngst gefordert, diese Art Demonstration zur Ordnungswidrigkeit zu erklären, und ein Gesetzentwurf ist in Arbeit.

Ist das gut so? Auch wer unbedingt dafür ist, dass sich niemand belästigen lassen muss, kann die Notwendigkeit von Special-Interest-Regelungen anzweifeln, solange nicht plausibel dokumentiert wurde, wie groß das Problem wirklich ist. Schließlich kollidieren solche Beschränkungen mit den allgemeinen Grundrechten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die allen lieb und teuer sein sollten.

Bei Pro Familia heißt es, solche Gehsteigbelästigungen kämen in drei bis vier Städten vor einzelnen Beratungsstellen vor. Sie gingen von größtenteils religiös motivierten Abtreibungsgegnern aus, die unter dem Motto „40 Days for Life“ zwei Mal im Jahr zu 40-Mahnwache-Tagen blasen. Wenn das alles ist, warum belegt man die Demonstranten nicht einfach mit einer Abstandsauflage von 100 Metern?

Fragen kann man auch, warum die politische Kommunikation die abtreibungswilligen Frauen in den Fokus nimmt. Die müssen in der Regel nur ein- oder zwei Mal in die Beratungsstellen. Die Beratenden oder – im Fall von Kliniken – Mediziner*innen gehen die Wege täglich. Sollte eine gesetzliche Regelung, wenn überhaupt, nicht in ihrem Interesse kommen? Von allen anderen Menschen, die sich wegen einer Konfliktlage von Pro Familia helfen lassen möchten, ganz abgesehen.

Die Politik hat diverse Möglichkeiten, Frauen zu helfen, die ungewollt schwanger sind. Sie könnte den Beratungspflichtparagrafen 219 abschaffen und stattdessen einen Anspruch festschreiben, oder dafür sorgen, dass die Abtreibungsregelungen in allen Bundesländern gleich sind und Online-Beratung überall akzeptiert wird.

Was jetzt passiert, sieht dagegen aus, als instrumentalisiere sie auch selbst die betroffenen Frauen, um sich in ihrer Wählerinnenklientel Applaus zu sichern. Vielleicht doch ein bisschen wenig, wenn dafür der Verdacht entsteht, unliebsame Meinungen würden per Verordnung unterdrückt.

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