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Das bringt der Serien-Monat Juni : Homophobie im Mainstream, Flucht vor dem Virus

Wie vorausschauend: Die Serienneustarts im Juni legen den Finger auf brandaktuelle gesellschaftliche Themen.

Zeitgeschichte ist das Boxenluder der Fernsehunterhaltung. Völlig überschminkt drängelt sie sich so energisch vors eigentliche Ereignis, dass es hinterm aufgebrezelten Accessoire verschwindet. Wenn Fernsehunterhaltung durch die Zeitgeschichte reist, droht ein kostümbildnerischer Zuckerschock, zumindest, wenn Kulisse und Kleider fürs deutsche Vor- bis Nachkriegs-Reenactment entworfen wurde – wie bei einer der interessanten Serienpremieren im Juni zunächst zu denken wäre.

Würde nämlich die ARD der homosexuellen Selbstbefreiung im Zeichen von Aids vor 40 Jahren ein Seriendenkmal setzen, es wäre ein Maskenball voller Stilikonen der Achtziger. Fönfrisuren, weiße Golfs, Pastellpullover, die den Zuschauerblick aufs Wesentliche verdecken.

Zum Glück aber heißt der Fünfteiler nicht „Es ist Sünde“, sondern „It’s A Sin“, weshalb die drei Hauptfiguren ab 20. Juni auf dem Streamingkanal Starzplay aus der britischen Provinz nach London ziehen, wo sie um Anerkennung kämpfen und nebenbei gegen die Schwulen-Krebs genannte Pandemie.

Kämpfen um Anerkennung: Roscoe (Omari Douglas) und Solly (Shaniqua Okwok) in „It’s A Sin“.
Kämpfen um Anerkennung: Roscoe (Omari Douglas) und Solly (Shaniqua Okwok) in „It’s A Sin“.

© Starzplay

Ästhetisch ist ihr Ringen von so präzisem Understatement, dass Ritchie (Olly Alexander), Roscoe (Omari Douglas), Colin (Callum Scott Howells) und Ash (Nathaniel Curtis) trotz allem Glamour der Gay-Community jener Tage seltsam unauffällig sind.

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Umso eindrücklicher ist dabei der trotzige Humor, mit dem Showrunner Russell T. Davies wie bei „Queer as Folk“ die Homophobie im Mainstream entlarvt. Historytainment braucht halt weder Nostalgie noch Zeigefinger, um authentisch zu sein.

Das gilt auch für „Physical“. In der zehnteiligen Tragikomödie von AppleTV+ geht es ab 18. Juni um eine Hausfrau aus San Diego, die ihrem Ehe-Knast auf der Aerobicwelle entflieht.

Die komplementärfarbige Fitnessbewegung mit Radlerhose, Stirnband, Wadenwärmer anno '82 dezent auszustatten, ist kompliziert. Trotzdem inszeniert Craig Gillespie eine Vergangenheit, die nicht nur Publikumserwartungen spiegelt, sondern weibliche Emanzipation im Würgegriff der misogynen Mehrheitsgesellschaft. Modisch darf es da zwar knallen; aber wie Rose Byrne ihrer Figur renitenten Liebreiz verpasst, bedürfte im Grunde gar keiner Kulissen.

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Es ist ein baulich-textiler Ansatz, der ab 25. Juni auch „Die geheime Benedict-Gesellschaft“ auf Disney+ zum Strahlen bringt. Um ihn an der Weltherrschaft zu hindern, schleust der Titelheld mit Doktortitel (Tony Hale) superbegabte Waisenkinder beim Zwillingsbruder ein.

Zuvor absolvieren die Intelligenzbestie Reynie (Mystic Inschoo), das Improvisationsgenie Kate (Emmy DeOliveira), der Pragmatiker Sticky (Seth Carr) und die wahrheitsliebende Constance (Marta Timofeeva) ein Bewerbungstraining, das sie für den Kampf für oder gegen Erwachsene von beklagenswerter Unzurechnungsfähigkeit stählen soll.

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Im Wutbürgerjahr 2021 mag der Weltverschwörungsfokus zwar ein wenig bedenklich sein. Zugleich aber ist die achtteilige Jugendbuchadaption so funkensprühend, als hätten nicht nur Greg Beeman und James Bobin, sondern auch Wes Anderson Regie geführt.

Eine Dynastie römischer Potentaten

Der Spaß aller Beteiligten am Superantihelden-Stoff ist in jeder Szene spürbar – und leitet damit reibungslos über zur größten Ausstattungsorgie des Serienmonats: „Domina“. Im üppig kostümierten Sky-Original geht es ab 3. Juni acht Folgen lang um Livia Drusilla, die nach der Ermordung Julius Caesars vor 2065 Jahren eine Dynastie römischer Potentaten errichtet hatte.

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Im dramaturgischen Konjunktiv von Showrunner Simon Burke wühlt sich die Serie so genüsslich durchs Spekulative einer schlecht dokumentierten Zeit, als sei Geschichtswissenschaft ein Adventurespiel. Wie immer, wenn Fernsehen versucht, vorschriftliche Zeiten zu reanimieren, wird darin gehurt und gemetzelt, dass empfindsame FSK-Kontrolleure vermutlich vor Schreck ins Kloster fliehen.

Wie immer befleißigen sich die Protagonisten dabei einer Sprache, als sähen wir Homevideos vom Rom-Urlaub, kein antikes Schauspiel.

Fernab des historischen Unsinns ist „Domina“ solides Historytainment mit Kasia Smutaniak als Livia (großes Foto oben), die im Streit mit ihrer fiktiven Gegnerin Balbina (Isabella Rosselina) eine Vorform des Geschlechterkampfs in männermächtiger Zeit vollführen.

Real sind nur die Namen einiger Charaktere und ihre historisch verbrieften Lebensabschnitte, fesselnd ist der Aufstieg des intriganten Gaius (Tom Glynn-Carney) zum ersten Kaiser Roms (Matthew McNulty) trotzdem.

Und allemal weltlicher als die Mystery-Serie des Monats: „Sweet Tooth“. In Jim Mickles opulenter Comic-Verfilmung gebiert Netflix ab 4. Juni possierliche Hybridwesen wie Gus (Christian Convery), den sein Vater vor einer Pandemie im Wald versteckt, bis ihn das Virus selber hinrafft.

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Der Zehnjährige mit dem Hirschgeweih begibt sich auf die Suche nach Mama. Doch weil der Mensch in dieser bonbonbunten Dystopie des Menschen Wolf ist, bietet Bambis Überlebenskampf in retrofuturistischer „Mad-Max“-Kulisse Spitzenfantasy mit Spannung, Herz und Sozialkritik.

Alles Bestandteile auch jener Serie, die den Juni weiter bereichert: Staffel Zwei der Gauner-Komödie „Lupin“. auf Netflix (ab 11. Juni). Wobei man dazu nicht viel mehr sagen muss als den Namen des Hauptdarstellers Omar Sy, weil Omar Sy eben Omar Sy ist und selbst dann für leichtfüßiges Entertainment sorgt, wenn er keine Juwelen sucht, sondern sein entführtes Kind.

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