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Annalena Baerbock (li., Bündnis 90/Die Grünen) und der chinesische Außenminister Qin Gang (re.) geben im Staatsgästehaus Diaoyutai eine gemeinsame Pressekonferenz.

© picture alliance/dpa

Baerbock in Peking: Und dann zieht die deutsche Außenministerin die Augenbrauen zusammen

Menschenrechte, Ukraine-Krieg und Taiwan: Außenministerin Annalena Baerbock spricht auf ihrer China-Reise Klartext. Ihr Gastgeber ist wenig erfreut.

Von Hans Monath

In einem Scherbengericht der chinesischen Führung gegen die deutsche Außenministerin hat deren Antrittsbesuch in China nicht geendet, wie das manche Kritiker von Annalena Baerbock erwartet hatten.

Obwohl die Grünen-Politikerin für ihre offene Ansprache von Regelverletzungen gegenüber den Machthabern in Peking bekannt ist, zeigten ihre Gesprächspartner dem Gast gegenüber bei dem zweitägigen Besuch zunächst eine hohe Wertschätzung. 

Die drückte sich schon in dem Umstand aus, dass sich für die Außenministerin sowohl Vizepräsident Han Zheng, der mächtige Außenpolitiker Wang Yi wie auch ihr Kollege Qin Gang Zeit nahmen oder nehmen wollten.

Von Lektionen und Belehrungen

Qin Gang rollte ihr gleichsam den roten Teppich aus. Er besuchte am Freitagmorgen, dem zweiten Tag des Besuchs, gemeinsam mit Baerbock das Werk des deutschen Herstellers Vitesco in seiner Heimatstadt Tianjin. Vitesco produziert schon seit 26 Jahren dort und ist seit 2019 spezialisiert auf elektrische Achsantriebe für Kunden wie PSA oder Hyundai.. Von dort fuhr Qin gemeinsam mit Baerbock in einem Sonderschnellzugzug nach Peking. 

Trotz klarer Warnungen von Baerbock vor einem chinesischen Angriff auf Taiwan und Mahnungen zur Einhaltung internationaler Regeln betonte Qin Gang sein Interesse an der gemeinsamen Arbeit mit Deutschland für Frieden in der Welt. Allerdings musste der Gast seine länglichen Ausführungen wohl als eine Art Lektion in Selbstbewusstsein, Eigenständigkeit und womöglich auch Machtversessenheit empfinden. 

Außenministerin Annalena Baerbock im Lama-Tempel in Peking: Li Xuetao von der Beijing Foreign Studies University gab ihr dort eine Führung. Der Professor studierte Sinologie, Religionswissenschaft und Germanistik in Bonn und promovierte auch dort.

© imago/photothek/IMAGO/Kira Hofmann

Schon vor dem Treffen hatte Baerbock deutlich gemacht, dass sie von ihrer eigenen, werteorientierten Außenpolitik in Peking keine Abstriche machen wollte. Sie erteilte aber auch einem Decoupling, also einer wirtschaftlichen Abkoppelung von China nach US-Vorbild, eine Absage und plädierte für eine enge Zusammenarbeit beider Länder bei der Entwicklung erneuerbarer Energien. 

Es gibt für den Schutz der Menschenrechte keine allgemeingültigen Standards für die Welt.

Qin Gang, Außenminister der Volksrepublik China

Auf ihrer gemeinsamen Pressekonferenz zeigten sich Qin und Baerbock höflich miteinander, aber kompromisslos in der Sache. Bei gegensätzlichen Positionen, etwa in der Frage der Menschenrechte oder in der Haltung gegenüber Taiwan, gab es keine erkennbare Annäherung. Mehrfach ging Qin Gang vor Journalisten ausführlich direkt auf Äußerungen von Baerbock ein.

Baerbock nannte eine militärische Eskalation um die demokratische und von China beanspruchte Inselrepublik Taiwan ein „Horrorszenario“ für die Welt. 50 Prozent des globalen Handelsverkehrs gingen durch die Meerenge der Taiwanstraße. Die „Schockwelle dieser Wirtschaftskrise“ würde auch China treffen. „Konflikte dürfen nur friedlich gelöst werden“, mahnte sie.

Baerbock bekräftigte die deutsche Ein-China-Politik, wonach Peking als einzig legitime Regierung Chinas anerkannt wird und keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan unterhalten werden. Baerbock betonte aber, eine gewaltsame Veränderung des Status quo sei nicht zu akzeptieren.

Qin Gang verwahrte sich gegen jede ausländische Einmischung. Taiwan sei Teil Chinas, dies erlaube keine Intervention von außen. Wenn andere Staaten den Ein-China-Grundsatz „wirklich respektieren“, sollten sie die nach Pekings Darstellung separatistischen Aktivitäten in Taiwan ablehnen.

Qin Gang über Menschenrechte: Brauchen keine Lehrmeister

Zudem äußerte Baerbock ihre Sorge darüber, dass die Freiräume für die Zivilgesellschaft und die Menschenrechte in China beschnitten würden. Doch hier verwahrte sich Qin Gang erwartungsgemäß in einem längeren Vortrag gegen Kritik: „Es gibt für den Schutz der Menschenrechte keine allgemeingültigen Standards für die Welt“, behauptete der Diplomat. Womöglich meinte er auch seinen Gast, als er anfügte: „Was China am wenigsten braucht, sind Lehrmeister aus dem Westen.“ 

Auch die systematische Unterdrückung muslimischer Minderheiten in Xinjiang, wie den Uiguren, prangerte Baerbock an. Hier behauptete ihr chinesischer Amtskollege, es gehe dabei nicht um Menschenrechte, sondern um den Kampf gegen Radikalismus und Separatismus. Es gebe anti-chinesische Kräfte im Ausland, die die Xinjiang-Frage benutzten, um Chinas Aufstieg eindämmen zu wollen.

Mit sichtlicher Ungeduld hörte Baerbock in der Pressekonferenz den Vorwürfen Qin Gangs zu, der die Chance auch nutzte, beide Staaten als Land der Vernunft und der Denker zu bezeichnen, die prädestiniert seien zur Arbeit am Frieden – freilich nach chinesischen Regeln.

Baerbock nutzte ihre letzte Antwort und versuchte die These zu kontern, es gebe keine allgemeingültigen Menschenrechtsregeln. Die, so sagte sie, hätten beide Länder doch mit der UN-Charta und der Menschenrechtsdeklaration unterschrieben.

Am Tag zuvor hatten Baerbock und ihre Delegation nach der Landung in der Hafenstadt Tianjin, eine Autostunde von Peking entfernt, zunächst den deutschen Windkraft-Getriebe-Produzenten Flender besucht, der für deutsch-chinesische Wirtschaftskooperation steht.

Treffen mit Klimaaktivisten

Der kaufmännische Geschäftsführer von Flender in China, Martin Kaufung, schwärmte von einer „gigantischen Auftragslage“. Und man sei schnell: Vom Angebot bis zur Aufstellung eines neuen Windkraftrades dauere es in China ein halbes Jahr. Anschließend besuchte die Ministerin die Schule Nr. 42 in Tianjin, an der auch Deutsch unterrichtet wird. 

China liefert nicht und will auch in Zukunft keine Waffen an die Konfliktparteien liefern.

Qin Gang, Außenminister der Volksrepublik China, zum Krieg in der Ukraine

Unklar blieb, ob es bei dem zweitätigen Besuch zu einem Treffen der Ministerin mit Vertretern der am Montag zu hohen Haftstrafen verurteilten Bürgerrechtler Xu Zhiyong (50) und Ding Jiaxi (55) oder anderen Oppositionellen kam.

Mit Klimaaktivisten traf die Grünen-Politikerin allerdings zusammen. Zwei prominente Juristen waren wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ zu 14 und zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Aktivisten appellierten an Baerbock, sich für die sofortige Freilassung der beiden einzusetzen.

Am Samstagmorgen wollte Baerbock in Peking noch den einflussreichen Außenpolitiker Wang Yi treffen, bevor sie nach Südkorea und Japan, den weiteren Stationen ihrer Ostasien-Reise, fliegen wollte. 

Hatte die forciert wertegeleitete Außenpolitik der Grünen-Politikerin nach fast zwei Tagen in China Früchte getragen? Konkrete Zugeständnisse der Gastgeber waren jedenfalls am Freitagnachmittag noch nicht zu erkennen. Vielleicht war es eine neue Erfahrung, harte Botschaften von chinesischen Spitzenpolitikern auf offener Bühne zu hören.

Als Außenminister Qin jedenfalls in Bezug auf Russland versicherte: „Wir liefern nicht und werden auch in Zukunft keine Waffen an Konfliktländer liefern“, zog die neben ihm stehende deutsche Außenministerin die Augenbrauen zusammen. Es wirkte wie ein Ausdruck großer Skepsis.

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