zum Hauptinhalt
US-Außenminister Blinken bei Chinas Staatschef Xi

© dpa/AP/Leah Mills/Pool

Bloß kein „rotes Telefon“?: Chinas gefährlicher Poker mit gezielter Unsicherheit

Die USA und China reden wieder miteinander. Aber Peking verweigert direkte Kanäle von Militär zu Militär – obwohl die eine Eskalation durch Missverständnisse verhindern könnten.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Wer kann etwas gegen „rote Telefone“ haben? Und warum? Diese Frage sollten Kanzler Olaf Scholz und die anderen Kabinettsmitglieder ihren chinesischen Gästen stellen.

„Rote Telefone“ sind potenzielle Lebensretter. Angesichts der Schrecken des Kalten Kriegs bis hin zur Gefahr eines atomaren Selbstmords der Menschheit waren die Europäer dankbar, dass es einen direkten Draht von Militärs zu Militärs zwischen den USA und der Sowjetunion gab. Das Ziel war, zu verhindern, dass die Eskalationsspirale unbeabsichtigt in Gang kommt, aufgrund von Missverständnissen oder technischen Pannen.

Diese Gefahr droht heute nicht mehr in Europa, aber in Asien. Was läge näher, als die erprobten Instrumente der Kriegsvermeidung für die wachsenden Konflikte zwischen China und den USA im Indopazifik zu nutzen: Vertrauensbildung, Rüstungskontrolle, direkte Kontakte von Militärs zu Militärs, „rote Telefone“?

Nach der „Ballonaffäre“ und den folgenden Monaten diplomatischer Schweigespirale reden die USA und China wieder miteinander. Außenminister Tony Blinken war gerade in Peking und traf auch Präsident Xi Jinping. Ihr Dialog ist eine Erleichterung für die Welt.

Aber den amerikanischen Wunsch nach Mechanismen zur Kriegsvermeidung durch direkte Kontakte von Militärs zu Militärs lehnt Peking beharrlich ab. Ebenso eine Einbeziehung Chinas in atomare Rüstungsbegrenzung.

Warum nur? Eine nüchterne Analyse wäre wichtig für Deutschland. Wie sonst will es die richtige Strategie für seinen Umgang mit Peking finden? Dafür braucht es ein klares Bild, wo China Partner, wo Wettbewerber und wo systemischer Rivale ist – und: Wo China zum potenziellen militärischen Gegner des Westens werden könnte.

Bisher nennen Experten vor allem eine Erklärung für Pekings Ablehnung von „roten Telefonen“. Präsident Xi kalkuliert, dass militärische Unberechenbarkeit seinen Interessen mehr nutzt als ein System der Eskalationsvermeidung. Peking pokert mit gezielter Unsicherheit. Es meint, die westlichen Demokratien so einschüchtern und zu Nachgiebigkeit bringen zu können.

In einer Welt mit raschem Rüstungswettlauf in Asien, darunter einer wachsenden Zahl von Atomwaffen, wäre das eine unverantwortliche Strategie. Darüber sollte die Bundesregierung mit ihren chinesischen Gästen sprechen.

Und wenn die keine überzeugende Erklärung für die Verweigerung direkter Kontakte von Militärs zu Militärs haben, müsste es Konsequenzen für den deutschen Mix aus Gutgläubigkeit oder Misstrauen, Kooperation oder De-Risking haben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false