zum Hauptinhalt
Donald Trump könnte wegen illegaler Wahlkampffinanzierung vor Gericht landen.

© Reuters/Jonathan Ernst

Der Stein kommt ins Rollen: Landet Donald Trump vor Gericht?

Donald Trump soll wegen illegaler Wahlkampffinanzierung angeklagt werden. Worum geht’s? Was droht ihm? Könnte er trotzdem wieder Präsident werden? Daten, Fakten, Hintergründe.

Auf einmal scheint es gar nicht mehr so unrealistisch: Donald Trump könnte der erste Ex-Präsident in der amerikanischen Geschichte werden, der strafrechtlich verfolgt wird. Während ihrer Amtszeiten sind US-Präsidenten durch Immunität geschützt.

Wichtig ist hier der Hinweis auf das Strafrecht. Denn angeklagt wurde der 76-Jährige bereits zuvor: Die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James reichte im vergangenen September Zivilklage gegen Trump, seine Kinder und sein Unternehmen ein – wegen Betrugs auf „höchster Ebene“. Der Prozess soll am 2. Oktober starten. Daneben laufen diverse weitere Verfahren.

Der Zeitplan:

In dem aktuellen Fall hat der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, Alvin Bragg, die Federführung. Die Staatsanwaltschaft untersucht, ob Trump im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels vor der US-Wahl 2016 gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen hat.

Eine Anklage ist offenbar sehr wahrscheinlich. Der Zeitpunkt ist offen. Ein Geschworenengericht hatte in den vergangenen Monaten zahlreiche Zeugen angehört. 

Zunächst hieß es, diese Grand Jury werde am vergangenen Mittwoch im New York State Court zusammentreten, um die Argumente in dem Verfahren zu hören. Aber derzeit sieht es so aus, dass die 23 Geschworenen sich frühestens in der kommenden Woche wieder mit dem Fall beschäftigen werden.

Am Montag kam das Gericht zusammen, aber abgestimmt wurde nicht. Weitere Sitzungen soll es in dieser Woche nach CNN-Angaben nicht mehr geben.

Seit Samstag vor einer Woche ist die Aufregung groß, weil Trump in seinem Netzwerk Truth Social über eine angeblich am vergangenen Dienstag bevorstehende Festnahme fabulierte und seine Anhänger vorsorglich zum Protest aufrief.

Protestiert wurde daraufhin zwar nur vereinzelt, aber die Stadt New York versicherte, man sei auf alles vorbereitet und beobachte die Lage. Auch festgenommen wurde der Ex-Präsident bislang nicht.

Zu einer Festnahme käme es ohnehin nur, wenn Trump sich weigern würde zu kooperieren. Seine Anwälte haben signalisiert, dass er sich nicht widersetzen würde.

Die Vorwürfe:

Stormy Daniels, bürgerlicher Name Stephanie Clifford, ist eine 44-jährige Pornodarstellerin und Pornofilmregisseurin. Nach eigener Aussage hatte sie im Jahr 2006 Sex mit dem damaligen Immobilienmogul und Reality-TV-Star Donald Trump, was der bestreitet. Das Treffen soll am Rande eines Golfturniers im kalifornischen Lake Tahoe stattgefunden haben. Daniels sprach erstmals 2011 darüber, also lange vor dem Wechsel Trumps in die Politik.

Vor der Präsidentschaftswahl 2016 zahlte ihr dessen ehemaliger Anwalt Michael Cohen – der inzwischen gegen Trump ausgesagt hat – im Auftrag Trumps ein Schweigegeld in Höhe von 130.000 Dollar, mutmaßlich, um sie davon abzuhalten, öffentlich über ihre zurückliegende Affäre zu sprechen. Trump und seine heutigen Anwälte geben eine Zahlung zu, bestreiten aber, dass Trump eine Affäre mit der Darstellerin gehabt habe.

Am vergangenen Mittwoch sagte Daniels in New York zu dem Fall aus und erklärte, sie werde den Ermittlern auch weiterhin zur Verfügung stehen. Ein Geschworenengericht in Manhattan (Grand Jury) soll klären, ob die Schweigegeldzahlung gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen hat.

Die mögliche Anklage:

Staatsanwalt Bragg könnte Trump wegen gefälschter Geschäftsunterlagen anklagen, da die nach ihm benannte Familienholding Cohen für die Zahlung entschädigt und diese fälschlicherweise als Anwaltskosten deklariert habe. Trump bezeichnet den Geldtransfer als „privaten Vertrag zwischen zwei Parteien“, der völlig legal sei. Damit die Anklage wirksam wird, müssen mindestens zwölf Geschworene dafürstimmen.

Nach Erhalt der Anklage müsste Trump auf ein New Yorker Polizeirevier oder in Braggs Büro kommen und dort Fingerabdrücke und Fahndungsfotos machen lassen. Seine Anwälte haben erklärt, der Ex-Präsident werde kooperieren und sich eigenständig von Florida auf den Weg nach New York machen. Inwieweit daraus ein Spektakel wird, wie Trump es angeblich gerne hätte, ist offen. 

Anschließend – aber nicht unbedingt am ersten Tag – müsste er im Gerichtssaal erscheinen und aussagen. Ihm würden seine Rechte verlesen und er würde sich voraussichtlich nicht schuldig bekennen. Gegen Zahlung einer Kaution würde er dann wohl bis zu einem Urteil wieder freigelassen. Bis dahin könnten Monate oder gar Jahre vergehen.

Oder das Verfahren wird schnell wieder eingestellt. Im Fall einer Verurteilung reicht das Strafmaß von der Zahlung einer Geldsumme bis zu vier Jahren Haft, je nachdem, ob die Grand Jury Trump einer Ordnungswidrigkeit oder eines schweren Verbrechens für schuldig befindet.

Der Ankläger:

Alvin Bragg ist als Wähler der Demokratischen Partei registriert und damit schon länger eine Zielscheibe für Republikaner. Der 49-Jährige wurde im November 2021 zu einem von fünf Bezirksstaatsanwälten in New York City gewählt und Anfang 2022 als erster Schwarzer in diesem Amt vereidigt. Die meisten Bezirksstaatsanwälte in den USA werden in ihr Amt gewählt.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit: Manhattans Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg.

© dpa

Bragg wuchs im New Yorker Stadtteil Harlem auf, was ihn eigenen Erzählungen zufolge für sein weiteres Leben abhärtete und seine Einstellung zu Verbrechen prägte. „Bevor ich 21 Jahre alt war, wurde sechsmal eine Waffe auf mich gerichtet: dreimal von Polizisten und dreimal von Leuten, die keine Polizisten waren. Ich hatte ein Messer an meinem Hals, eine halbautomatische Waffe an meinem Kopf und ein Mordopfer vor meiner Haustür.“

Später studierte er an der Elite-Universität Harvard und arbeitete für die Bundesstaatsanwaltschaft in New York. Er vertrat unter anderem die Familie des Afroamerikaners Eric Garner, der vor fast zehn Jahren bei einem Polizeieinsatz ums Leben kam.

Den Fall Trump hat Bragg von seinem Vorgänger Cyrus Vance Jr. übernommen. Im September 2022 erhob er Anklage wegen Betrugs und Geldwäsche gegen den früheren Chefstrategen von Ex-Präsident Donald Trump, Steve Bannon. Auch war Bragg in die zivilrechtlichen Verfahren gegen die Trump Organization involviert.

In seinem Wahlkampf für das jetzige Amt verwies er mehrfach auf seine Erfahrungen im Umgang mit Trump. „Ich würde betonen, dass ich weiß, wie es geht“, sagte er zu CBS News. Auch das nutzen die Republikaner, um Bragg parteipolitische Motive vorzuwerfen. Trump und seine Anhänger sprechen davon, dass der Staatsanwalt „Soros-backed“ sei, also von dem linksliberalen Mäzen George Soros unterstützt werde.

Gegen den in Ungarn geborenen jüdischen Investor und Philanthropen Soros, der sich mit viel Geld für die Stärkung der Zivilgesellschaft und die Demokraten einsetzt, wird in rechten Kreisen seit Jahren gehetzt. Für sie ist er der Inbegriff einer angeblichen globalen Elite, die die Welt nach ihren Vorstellungen formt.

Die politischen Folgen für Trump:

Politisch relevant ist der Fall Daniels vor allem, weil noch nie ein ehemaliger US-Präsident auf diese Weise angeklagt wurde. Wie sehr sich eine Anklage auf Trumps Chancen mit Blick auf 2024 auswirken würde, ist schwer zu sagen. Moderate republikanische Wähler könnte die Dauer-Aufregung abschrecken.

Sie könnten Alternativen wie den Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, vorziehen. Es wird erwartet, dass der seine Bewerbung zeitnah verkündet. Trumps treue Anhänger wiederum – und davon hat er immer noch sehr viele – würde eine Anklage aller Erfahrung nach enorm mobilisieren.

Interessant ist der derzeitige Umgang der Republikanischen Partei mit Trump: Auf einer Konferenz der republikanischen Kongressabgeordneten in Orlando/Florida Anfang vergangener Woche attackierten viele Redner gerade Staatsanwalt Bragg und warfen ihm eine parteipolitische Hexenjagd vor, mit der ein potenzieller Wettbewerber aus dem Rennen gezogen werden soll.

Allerdings wurden auch Unterschiede deutlich, wenn es um Trump direkt geht. So griff DeSantis Bragg ebenfalls an. Aber die Solidarität des absehbar größten Konkurrenten im Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur hat Grenzen. Da Trump seinen Wohnsitz in Florida hat, müsste DeSantis womöglich über eine Auslieferung entscheiden, falls der Ex-Präsident sich doch weigert, freiwillig in New York vorstellig zu werden.

Der Gouverneur erklärte aber, sein Büro werde sich nicht mit dieser Frage beschäftigen, er habe Wichtigeres zu tun. Und der 44-Jährige ergänzte: „Ich weiß nicht, wie man dazu kommt, einem Pornostar Schweigegeld zu zahlen, damit dieser über eine angebliche Affäre schweigt.“

So oder so ist klar: Trump würde sich von einer Anklage nicht vom Wahlkampf abhalten lassen. Er glaubt offenbar ohnehin, dass ihm nicht beizukommen ist: Im Wahlkampf 2016 hatte er erklärt, er könne jemanden auf der Fifth Avenue in New York erschießen und dennoch keine Wähler verlieren.

Wie sehr die juristische Entwicklung ihn und seine Fans aufheizt, ließ sich bereits beobachten: Am Samstag hielt Trump eine seiner berüchtigten Rallyes in der texanischen Stadt Waco ab. Dabei wurden seine Attacken auf die Justiz und die Demokraten von seinen Anhängern bejubelt.

Die weiteren Untersuchungen:

Zwei andere Untersuchungen gegen Trump leitet der vom Justizministerium eingesetzte Sonderermittler Jack Smith. Dabei geht es um Trumps Rolle beim Sturm auf das Kapitol sowie die Mitnahme geheimer Regierungsdokumente in sein Privatanwesen Mar-a-Lago.

Mitglieder eines Untersuchungsausschusses zum 6. Januar 2021 empfahlen dem Justizministerium im Dezember strafrechtliche Ermittlungen gegen Trump und Vertraute. Die Empfehlung des Ausschusses ist nicht bindend.

Als nächstes soll nun der ehemalige Vizepräsident Mike Pence vor einer Grand Jury in Washington aussagen. Das wurde am Dienstag bekannt. Pence, der selbst eine Präsidentschaftsbewerbung erwägt, soll über seine Gespräche mit Trump rund um den 6. Januar Auskunft geben. Seine Anwälte hatten versucht, das zu verhindern.

Sollte Anklage erhoben werden, könnte Trump dennoch 2024 für das Weiße Haus kandidieren – und sich womöglich im Fall eines Wahlsieges selbst begnadigen. Darüber hätte dann der Supreme Court zu entscheiden. Rein theoretisch könnte Trump sogar aus dem Gefängnis heraus kandidieren.

Während alle Augen auf New York gerichtet sind, kommt auch in den Dokumentenfall Schwung: Am Freitag sagte Trumps Anwalt Evan Corcoran vor einem Geschworenengericht in Washington DC aus. Das Trump-Team hatte sich vergeblich gegen den Auftritt gewehrt. Details wurden bisher nicht bekannt.

Aber zuvor hieß es, das Justizministerium sei der Überzeugung, die Staatsanwaltschaft habe genügend Argumente geliefert, dass der Austausch zwischen Trump und Corcoran Teil eines möglichen Verbrechens sein könnte und deshalb die Vertraulichkeit der Gespräche nicht berücksichtigt werden müsse.

Bei den Unterlagen soll es sich um handschriftliche Notizen und aufgezeichnete Gespräche handeln. Bei einer früheren Anhörung hatte der Anwalt die Aussage verweigert.

Im Bundesstaat Georgia ermittelt die Staatsanwaltschaft zudem gegen den Ex-Präsidenten wegen möglicher Wahlmanipulation im Jahr 2020. Den hart umkämpften „Swing State“ gewann Biden knapp, was letztlich mit ausschlaggebend dafür war, dass der Demokrat Trump im Weißen Haus ablöste.

Trump versuchte zu verhindern, dass Georgia Biden zu Sieger erklärte. Nach Verkündung der Wahlergebnisse rief er Georgias Innenminister Brad Raffensperger an, der für den Ablauf der Wahl zuständig war, und verlangte, dass der ihm die für einen Sieg notwendigen Stimmen finden solle. Deswegen wird nun ermittelt. 

Im Fall einer Anklageerhebung und einer Verurteilung auf Ebene eines Einzelstaats könnte Trump sich als Präsident nicht selbst begnadigen. Aber wäre er der offizielle Kandidat seiner Partei für 2024, könnte er im Wahlkampf verlangen, dass die Ermittlungen bis zur Wahl ausgesetzt bleiben.

In New York hat Trump zumindest indirekt schon einmal vor Gericht verloren: Sein Immobilienkonzern wurde unter anderem wegen Steuerbetrugs zu einer Geldstrafe verurteilt. Allerdings war der Ex-Präsident dabei nicht persönlich angeklagt.

Das ist bei dem zivilrechtlichen Fall, den Generalstaatsanwältin James vorantreibt, anders. Sie wirft den Trumps vor, sie hätten Vermögenswerte je nach Bedarf größer oder kleiner dargestellt, um beispielsweise einfacher an Kredite zu kommen oder weniger Steuern zu zahlen. Die Demokratin fordert eine Strafzahlung in Höhe von 250 Millionen Dollar.

Außerdem gibt es zwei weitere zivilrechtliche Ermittlungen, die mit der Schriftstellerin E. Jean Carroll zu tun haben. Carroll wirft Trump vor, sie Mitte der 1990er Jahre in einem Kaufhaus vergewaltigt zu haben. 2019 reichte sie eine Verleumdungsklage gegen den damaligen Präsidenten ein, weil er sie als Lügnerin bezeichnet hatte. 

Im November 2022 folgte eine weitere Klage vor einem New Yorker Gericht. Zuvor war in New York die Verjährung von Sexualstraftaten aufgehoben worden, sodass Carroll nun die Klageschrift wegen Körperverletzung einreichen und Schadenersatz fordern konnte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false