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Verstehen sich gut: Chinas Ministerpräsident Li Qiang und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

© Geisler-Fotopress/Frederic Kern

Deutsch-chinesischer Frontalvortrag: Scholz befreit das KP-Regime von lästigen Journalistenfragen

Zu Hause müssen Chinas Mächtige sich keinen kritischen Medien stellen. Warum lässt die Bundesregierung zu, dass Ministerpräsident Li Qiang auch in Berlin nur dozieren darf?

Ein Kommentar von Cornelius Dieckmann

Wenn chinesische Politiker ins Ausland reisen, gehört dazu ein lästiges Risiko: Sie müssen sich kritischen Fragen stellen. In dieser Hinsicht konnte Ministerpräsident Li Qiang, die Nummer zwei der KP-Diktatur hinter Xi Jinping, bei seinem Berlin-Besuch am Dienstag aufatmen. Nach den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, für die Li sich auf die erste Auslandsreise seiner Amtszeit begeben hatte, beraumte die Bundesregierung nicht, wie eigentlich üblich, eine Pressekonferenz an – sondern eine „Pressebegegnung“.

Im Klartext hieß das: Frontalvortrag. Nachfragen der versammelten Medien wurden nicht zugelassen. Stattdessen verlasen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Li vorbereitete Statements, die Presse durfte mitschreiben. Hinterher verschwanden die Regierungschefs in Sekundenschnelle.

Dabei gäbe es etliche Fragen, die man Li gern stellen würde: Wie soll der Westen China als Friedensmacht ernst nehmen, wenn es zugleich Taiwan mit Krieg bedroht und im Staatsfernsehen animierte Bilder der Bombardierung des Inselstaats zeigt?

Warum verurteilt Peking den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht, wenn es doch bei jeder Gelegenheit betont, die territoriale Unversehrtheit von Staaten sei unantastbar?

Wie kann die Volksrepublik eine „Weltschicksalsgemeinschaft“ nach chinesischem Vorbild propagieren, wenn sie Menschenrechte mit Füßen tritt, ethnische Minderheiten unterdrückt, Aktivisten einsperrt und Journalisten drangsaliert?

China will auf solche Kritik nicht öffentlich antworten müssen. „Unsere etablierten Pressekonferenzen ohne vorgegebene Fragen versucht die chinesische Seite daher auszuhöhlen“, heißt es in einer Analyse des Bundeswirtschaftsministeriums, aus der am Dienstag der Investigativjournalist Manuel Bewarder zitierte.

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Schon im „Dokument Nummer 9“, einem geleakten internen Papier des KP-Regimes aus dem Jahr 2012, kristallisierte sich Chinas Vorstellung von der Aufgabe der Medien: „Es gibt Menschen, die unter dem Vorwand, für die ‚Pressefreiheit‘ einzutreten, die westliche Vorstellung von Journalismus fördern und den Grundsatz unseres Landes untergraben, nach dem die Medien vom Geist der Partei durchdrungen sein sollten.“

Das ist nur kein Journalismus, das ist Propaganda. Die Volksrepublik ist ein medienfeindliches Land. In der aktuellen Rangliste von Reporter ohne Grenzen steht China in Sachen Pressefreiheit auf Platz 179 von 180 – dahinter einzig Nordkorea.

„Freiheit und Offenheit braucht auch der Journalismus“, sagte Scholz am Dienstag, als er im Kanzleramt neben Li Qiang stand. Eine wichtige und dankenswerte Ermahnung an Peking, die Arbeit ausländischer Korrespondenten nicht zu behindern und Visavergaben nicht zu blockieren.

Doch sie passt nicht zu einem Wohlfühltermin, bei dem Journalisten zu Chronisten degradiert werden. Die Regierungsgespräche fanden in Berlin statt und nicht in Peking. Gemerkt hat man das an diesem Nachmittag nicht.

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