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Schaulustige begutachten einen Panzer in Rostow am Don.

© dpa/Uncredited

Eine Chronologie der Ereignisse: Wie kam es zu dem bewaffneten Wagner-Aufstand?

Seitdem die Wagner-Gruppe Prigoschin am Freitag die Begründung des Kremls zur „militärischen Spezialoperation“ in der Ukraine infrage gestellt hat, überschlagen sich die Ereignisse. Eine Chronologie.

Der Konflikt zwischen dem russischen Machtapparat und den von Jewgeni Prigoschin geführten Wagner-Söldnern eskalierte in weniger als 24 Stunden. Nachdem Prigoschin in einer Videobotschaft die russische Führung offen kritisiert hatte, kam es zu Angriffen auf einen Wagner-Stützpunkt.

Anschließend rückten diese auf russisches Territorium vor und nahmen sogar ein Armeequartier ein. Eine Chronologie der Ereignisse.

1 Wagner bezweifelt russische Kriegsgründe

Die Eskalation beginnt mit einer Videonachricht. Darin stellt Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin am Freitagmittag zum ersten Mal die Gründe für die „militärische Spezialoperation“ infrage. Er erklärt, es habe weder vonseiten der Nato noch der Ukraine eine Bedrohung gegeben. Ebenso sei der Krieg „nicht notwendig, um die Ukraine zu demilitarisieren oder denazifizieren“. Es sei nur darum gegangen, dass Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu zum „Marschall werden und eine zweite Heldenmedaille bekommen kann“. Prigoschin attackiert zudem die „oligarchische Oberschicht“, die „geistig krank“ sei.

2 Angriff auf Stützpunkt der Wagner-Gruppe

Wenige Stunden später geht Prigoschin die russische Führung erneut an. Sein Pressedienst behauptet am Freitagabend, das russische Militär habe einen Wagner-Stützpunkt bombardiert, es seien 2000 Kämpfer ums Leben gekommen. Ein Video soll den Raketenangriff zeigen, unabhängig lässt sich dies nicht verifizieren. „Wer versucht, uns Widerstand zu leisten, den werden wir als Bedrohung betrachten und sofort töten“, droht Prigoschin.

Russland weist die Vorwürfe als falsch und eine „Provokation“ zurück. Als Reaktion kündigt Prigoschin jedoch an, nach Rostow am Don zu marschieren. Dort befindet sich der am nächsten zur Front gelegene Sitz des Verteidigungsministeriums. Prigoschin hält sich ebenso offen, nach Moskau vorzudringen.

3 Geheimdienst und Generalstaatsanwaltschaft ermitteln

Doch mit seiner Ankündigung überschreitet der Milizenführer die rote Linie der russischen Führung endgültig. Noch am Freitagabend leitet der Inlandsgeheimdienst FSB Ermittlungen wegen eines versuchten Militärputsches und des Aufrufs zu einer „bewaffneten Meuterei“ ein. Auch die Generalstaatsanwaltschaft leitet ein Strafverfahren ein, Prigoschin könnte daher ein Freiheitsentzug von bis zu 20 Jahren drohen.

Der FSB fordert die Wagner-Kämpfer zudem auf, ihren Anführer festzunehmen. Der 62-jährige Prigoschin hingegen erklärt: „Das ist kein bewaffneter Aufstand, sondern ein Marsch für Gerechtigkeit.“ Zugleich werden gegen Mitternacht die Sicherheitsvorkehrungen in der Hauptstadt Moskau erhöht, unter anderem durch Panzer.

4 Wagner gelangen auf russisches Territorium

Nach Mitternacht erklärt Prigoschin in einer Audiobotschaft, seine Miliz sei auf russisches Territorium vorgerückt und würde „alles zerstören“, das sich ihnen in den Weg stelle. „Wir machen weiter, wir gehen bis zum Ende.“ Noch in der Nacht behauptet der Wagner-Chef, man habe einen russischen Militärhubschrauber abgeschossen. Nachrichtenagenturen konnten dies jedoch zunächst nicht überprüfen. Der Gouverneur Rostows ruft die Bevölkerung über Telegram dazu auf, zu Hause zu bleiben. Außerdem wird die Autobahn südlich von Moskau gesperrt.

5 Söldner nehmen Rostow ein

Am frühen Samstagmorgen gegen 7.30 Uhr Ortszeit erklärt der Chef der Söldnertruppe über Telegram, er habe das Armeehauptquartier sowie einen Flugplatz in Rostow ohne eigene Schussabgabe eingenommen. Ein Video zeigt, wie Prigoschin mit dem stellvertretenden Verteidigungsminister Junus-Bek Jewkurow spricht.

Zuvor hatten russische Streitkräfte Zugangsstraßen mit Panzern und Tanklastwagen gesperrt. Auf Bildern ist zu sehen, wie schaulustige Zivilisten auf den Straßen in Rostow sind, teilweise im Gespräch mit Söldnern. Etwa zeitgleich wird das Hauptquartier der Wagner-Gruppe in St. Petersburg von Polizisten durchsucht und abgesperrt. Für die Region Moskau wird zudem der Anti-Terror-Notstand ausgerufen.

6 Ansprache Putin und Kämpfe

Am Samstagmorgen wendet sich dann Präsident Wladimir Putin mit einer Fernsehansprache an das russische Volk. Der Aufstand sei eine „tödliche Bedrohung“ und ein „Dolchstoß in den Rücken“. Er bezeichnet die Wagner-Söldner als „Verräter“, die „unweigerlich bestraft“ werden müssten. Prigoschin hingegen erklärt, eine Kapitulation seiner Miliz sei ausgeschlossen.

In der von Moskau rund 500 Kilometer entfernten Stadt Woronesch kommt es laut übereinstimmenden Berichten zudem zu Kämpfen zwischen dem russischen Militär und der Wagner-Miliz. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kommentiert die Geschehnisse mit „Schwäche im großen Stil“. Am Samstagnachmittag erscheinen zudem Berichte, nach denen Wagner in die russische Region Lipezk rund 400 Kilometer südlich von Moskau vorgedrungen sein soll.

Alle aktuellen Entwicklungen über den Vormarsch der Wagner-Söldner Richtung Moskau lesen Sie hier.

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