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Wagner-Söldner ziehen sich aus Rostow am Don zurück.

© REUTERS/stringer

Update

Abkommen mit dem Kreml: Wagner-Söldner bleiben straffrei – Prigoschin muss nach Belarus ins Exil

Der Machtkampf zwischen Wagner und der russischen Militärführung eskalierte. Die Söldner rückten Richtung Moskau vor. Am Abend beorderte Prigoschin sie plötzlich zurück. Der Überblick.

| Update:

Das Strafverfahren gegen den Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, wegen des bewaffneten Aufstands gegen die Militärführung wird laut Kreml eingestellt. Prigoschin selbst werde nach Belarus gehen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Samstag der russischen Nachrichtenagentur „Interfax“ zufolge. Die Ereignisse des Tages seien tragisch, so Peskow.

Es sei ein Abkommen getroffen worden, um weitere Verluste zu vermeiden, teilte der Kreml am Samstag mit. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko habe seine Vermittlung angeboten, da er Prigoschin seit etwa 20 Jahren persönlich kenne. Russlands Präsident Wladimir Putin habe dem zugestimmt. Auf die Frage hin, welche Aufgaben Prigoschin in Belarus ausführen solle, habe Peskow nicht antworten können, schreibt „Interfax“.

Wagner-Kämpfer ziehen sich derweil aus Rostow am Don zurück, wie ein Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters von vor Ort berichtet. Allerdings blieben schwere Fahrzeuge und Kampfwagen an einigen Verkehrsknotenpunkten der Stadt zunächst weiter in Stellung. Jewgeni Prigoschin verkündete zuvor in einer Sprachnachricht, die über seinen Pressedienst auf Telegram verbreitet wurde, dass seine Kämpfer sich in Militärbasen zurückziehen würden.

„Innerhalb von 24 Stunden sind haben wir 200 Kilometer Richtung Moskau zurückgelegt. In dieser Zeit haben wir keinen einzigen Tropfen Blut unserer Kämpfer vergossen. Jetzt ist der Moment gekommen, an dem Blut vergossen werden könnte“, sagte Prigoschin. Deshalb – „wohl verstehend, dass russisches Blut auf einer Seite vergossen werden könnte“, sollen sich die Wagner-Söldner „wie geplant in die entgegengesetzte Richtung in die Feldlager zurückziehen“.

Wagner-Chef Prigoschin hatte sich zuvor nach den Angaben des belarussischen Präsidialbüros bereit erklärt, den Vormarsch seiner Kämpfer in Russland zu stoppen. Er sei zu einer Deeskalation der Situation bereit, erklärte das Büro auf seinem offiziellen Kanal beim Kurznachrichtendienst Telegram.

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko habe mit dem Einverständnis von seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin mit Prigoschin gesprochen. Es liege eine Vereinbarung über die Sicherheit der Wagner-Kämpfer auf dem Tisch. Prigoschin erwähnte Lukaschenko in seiner Sprachnachricht nicht ausdrücklich.

Putin äußert sich nicht zum Rückzug

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hat nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Belta am Samstagabend ein zweites Mal mit Russlands Staatschef Wladimir Putin telefoniert. Darin habe er ihn über das Ergebnis seiner Gespräche mit Söldner-Chef Jewgeni Prigoschin informiert. Das russische Präsidialamt und Putin selbst äußerten sich zunächst nicht.

Der Machtkampf zwischen dem russischen Militärunternehmer Jewgeni Prigoschin und der Staatsführung unter Präsident Wladimir Putin in Moskau war zuvor zu einer der schwersten innenpolitischen Krisen Russlands seit Beginn des Ukraine-Kriegs vor rund 16 Monaten eskaliert.

Prigoschin wirft Putin vor, zu lügen

Prigoschin hatte am Freitag die offizielle Kriegsbegründung als Lügengeschichte bezeichnet und Verteidigungsminister Sergej Schoigu vorgeworfen, einen Angriff auf seine Söldnergruppe Wagner befohlen zu haben. Daraufhin hatte Prigoschin Vergeltung angekündigt. In der Nacht zu Samstag hatten seine Truppen die Grenze überquert und am Morgen die Stadt Rostow am Don eingenommen.

Daraufhin hatte sich ein Konvoi mit Wagner-Söldnern Richtung Moskau bewegt. Am Samstagnachmittag hatten die Söldner nach Angaben der Regionalverwaltung Lipezk die Oblast 400 Kilometer von Moskau entfernt erreicht. Der Krisenstab der Region erklärte später, dass einige Straßen beschädigt worden seien, um den Vormarsch der Wagner-Truppen zu bremsen. Auch aus der Region Moskau hatte es Berichte über Straßenblockaden gegeben.  

Russlands Inlandsgeheimdienst FSB leitete nach den Ankündigungen Prigoschins, sich gegen die russische Militärführung aufzulehnen, strafrechtliche Ermittlungen wegen des Aufrufs zu einer „bewaffneten Meuterei“ ein.

In der Zwischenzeit hatte sich Tschetschenenführer Ramzan Kadyrow hinter die russische Führung gestellt und mitgeteilt, Soldaten für den Kampf gegen die Wagner-Gruppe nach Russland geschickt zu haben. Bevor es zu Zusammenstößen zwischen den Wagner-Söldnern und Kayrows Kämpfern hätte kommen können, kündigte Prigoschin den Rückzug seiner Truppen an.

Hier der Überblick, wie der Wagner-Aufstand verlief:

1. Das Zentrum des Aufstandes – Rostow besetzt

Die Sicherheitsdienste sollen in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden sein. Bisher gibt es zwar keine Berichte über Zusammenstöße, aber in sozialen Medien kursieren Videos, die gepanzerte Fahrzeuge des Militärs und der Nationalgarde in Moskau und der südlichen Stadt Rostow am Don zeigen – nahe der Frontlinie zur Ukraine, wo Prigoschins Kämpfer stationiert waren.

Nachdem Tschetschenenführer Ramsan Kadyrow angekündigt hatte, seine Kämpfer gegen die Wagner-Söldner loszuschicken, tauchten am Samstagnachmittag Videos auf Telegram auf, die Kolonnen tschetschenischer „Ahmat“-Kämpfer in der Region Rostow zeigen sollen. Über Kämpfe oder Zusammenstöße gibt es keine Berichte. Wagner-Söldner riefen die Bevölkerung in Rostow am Don jedoch auf, öffentliche Orte zu verlassen.

Mehreren Berichten zufolge überschritten in der Nacht zahlreiche Wagner-Kämpfer die Grenze. Gegen 1 Uhr schrieb Prigoschin bei Telegram: „Wir überquerten die Staatsgrenze. Grenzschutzbeamte umarmten unsere Kämpfer. Wir kämpfen nicht mit Kindern, Schoigu tötet unsere Kinder.“ Und weiter: „Sie haben Wehrpflichtige gegen uns aufgestellt, die uns zur Seite gehen ... Wir gehen weiter. Wir gehen bis zum Ende.“

Wagner-Kämpfer in Rostow

© Imago/Erik Romanenko

In anderen Berichten hieß es, russisches Militär wollte die Kämpfer aufhalten. In sozialen Medien wurden zudem am frühen Morgen Videos geteilt, die zeigen sollen, wie Wagner-Kämpfer das Militärhauptquartier in Rostow am Don umstellen und schweres militärisches Gerät darauf richten. Prigoschin erklärte die Militäreinrichtungen der Stadt für besetzt. Rostow ist der Sitz des südlichen russischen Militärkommandos.

„Faktisch ist die Arbeit von Organen der zivilen und militärischen Führung blockiert“, sagte Putin in einer Fernsehansprache am Morgen. Über die Lage in dem an die Ukraine grenzenden Gebiets Rostow erklärte er: „Sie bleibt schwierig.“

Von Rostow aus befanden sich übereinstimmenden Berichten zufolge zwei Konvois auf dem Weg in den Norden und Süden Russlands. Die Ziele sind offenbar Moskau und Krasnodar.

Prigoschin behauptete zudem in der Nacht, seine Männer hätten einen Militärhubschrauber abgeschossen, der auf einen zivilen Konvoi geschossen habe. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es nicht. Am Morgen wurde zudem ein Video öffentlich, das Prigoschin in Rostow im Gespräch mit dem stellvertretenden Verteidigungsminister Junus-bek Jewkurow und dem stellvertretenden Leiter des russischen Militärgeheimdienstes Wladimir Aleksejew zeigt.

Die aktuelle Situation erfordert die maximale Konzentration aller Kräfte, um die Ordnung aufrechtzuerhalten.

Wassili Golubew, Gouverneur der russischen Region Rostow

Der hatte zuvor erklärt: „Dies ist ein Dolchstoß in den Rücken des Landes und des Präsidenten.“ Aleksejew appellierte in einem Video an Prigoschins Kämpfer, die Rebellion abzubrechen. „Dies ist ein Staatsstreich.“

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Der Gouverneur der russischen Region Rostow hatte die Einwohnerinnen und Einwohner angesichts des sich zuspitzenden Konflikts in der Nacht aufgerufen, zu Hause zu bleiben. „Die aktuelle Situation erfordert die maximale Konzentration aller Kräfte, um die Ordnung aufrechtzuerhalten“, schrieb Wassili Golubew auf Telegram.

Die Strafverfolgungsbehörden täten alles Notwendige, um die Sicherheit der Bewohner der Region zu gewährleisten. „Ich bitte alle, ruhig zu bleiben und das Haus ohne Notwendigkeit nicht zu verlassen.“ 

Daran hielten sich allerdings nicht alle Einwohner. Einige stellten die Wagner-Kämpfer, die sich in der Stadt positioniert haben, zur Rede, wie auf Videos zu sehen ist. Einige sollen den Söldnern allerdings auch Wasser und Essen gebracht haben. Das Regionalmedium „RostovGazeta.ru“ veröffentlichte auf Telegram Bilder, die zeigen sollen wie sich Bewohner:innen der Stadt mit Wagner-Soldaten unterhalten. In einer Sprachnachricht, die über Prigoschins Pressedienst verbreitet wurde, behauptet der Wagner-Chef, dass seine Söldner in Rostow von der Bevölkerung unterstützt und begrüßt worden seien.

Auf Videos, die in den sozialen Medien kursieren, ist außerdem zu sehen, wie sich in Supermärkten in Rostow lange Schlangen bilden und Regale teils bereits leergeräumt sind. Am Samstagnachmittag soll es zudem zu einer Menschenansammlung am Rostower Bahnhof gekommen sein. Menschen wollen offenbar aus der Stadt ausreisen.

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Der Krieg war nicht notwendig, um die Ukraine zu demilitarisieren oder denazifizieren.

Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnergruppe Wagner

Auch in den von Russland teilweise annektierten Gebieten Donezk und Luhansk seien die Sicherheitsorgane in Alarmbereitschaft versetzt worden, hieß es. Dort gibt es viele Wagner-Kämpfer.

2. Alarmbereitschaft auch in Moskau

„In Moskau ist der Anti-Terror-Notstand ausgerufen worden. Die Lage ist schwierig.“ Das erklärte Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin am Samstag über seinen Telegram-Kanal angesichts des geplanten Vormarsches von Kräften der Söldnertruppe Wagner in Richtung der russischen Hauptstadt.

Der russische Präsident Wladimir Putin arbeite aber nach Angaben seines Sprechers trotzdem weiter in seinem Regierungssitz in Moskau. „Der Präsident arbeitet im Kreml“, sagte der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Samstag der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Die Agentur hatte Peskow zu Gerüchten in den Online-Netzwerken befragt, nach denen Putin Moskau wegen des Aufstandes per Flugzeug verlassen habe. 

Die Behörden in Moskau und Umgebung haben nach eigenen Angaben den Anti-Terror-Notstand ausgerufen. „Um mögliche Terroranschläge in der Stadt und dem Gebiet Moskau zu verhindern, ist ein Regime für Operationen zur Terrorbekämpfung eingeführt worden“, teilte das nationale Anti-Terror-Komitee mit. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden verschärft. Bei Verstößen gegen das Kriegsrecht drohen nun zudem 30-tägige Haftstrafen. Der russische Präsident Wladimir Putin habe ein entsprechendes Gesetz unterzeichnet, berichtet die Nachrichtenagentur RIA. 

BBC Russia berichtete, dass der FSB und SOBR – Spezialeinheiten der Nationalgarde – Straßensperren rund um Moskau errichten. Am Samstagnachmittag tauchten zudem Fotos von Straßensperren innerhalb der Stadt auf. Die wichtigsten Objekte Moskaus stünden der „BBC“ zufolge unter verstärktem Schutz, die Sicherheitsmaßnahmen in der Hauptstadt seien verstärkt worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf Strafverfolgungsbehörden. Auch Autobahnzubringer aus dem Süden Russlands wurden wohl gesperrt.

In einem Video, das mutmaßlich von einem Moskauer Sicherheitsbeamten stammt, sieht man, wie eine Autobahn in Lipitsy in der Oblast Moskau mit orangenen Trucks blockiert wird. Der Mann, der das Video aufnimmt, erklärt, dass „sie [die Wagner-Soldaten] von Süden her Richtung Moskau“ vorrücken. „Sie werden Zivilisten nichts tun, aber vermutlich Sicherheitskräfte töten“, sagt der Mann auf dem Video. Darauf würden die Moskauer Sicherheitskräfte sich nun vorbereiten.

Weitere Videos zeigen Kolonnen von Fahrzeugen der Wagner-Söldner auf einer der Großstraßen. Weitere Kämpfer der Söldnergruppe Wagner bewegten sich nach Erkenntnissen des britischen Verteidigungsministeriums im Bezirk Woronesch nach Norden. Sie sollen höchstwahrscheinlich nach Moskau unterwegs gewesen sein. Der Konvoi ist auf Videoaufnahmen bereits in der Region Lipetsk, rund 400 Kilometer vor Moskau gelegen, zu sehen.

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Woronesch ist das russische Militärquartier für die ukrainische Region Charkiw im Norden, auf halbem Wege von Rostow nach Moskau. Rund um die Stadt Woronesch soll es Kämpfe zwischen Wagner-Truppen und dem russischen Militär gegeben haben. Russische Militärhubschrauber hatten einem Reuters-Reporter zufolge das Feuer auf einen Konvoi der Wagner-Söldner in der Nähe der Stadt eröffnet.

Der Gouverneur der Region Woronesch berichtete zudem von einem brennenden Tanklager. Rund 100 Feuerwehrleute seien an den Löscharbeiten beteiligt gewesen.

Im Süden der Region Moskau bildeten sich lange Autoschlangen, dort soll die Brücke über den Fluss Oka gesperrt worden sein. Über die Brücke führt die Straße von Woronesch, auf der sich die Wagner-Truppen offenbar befanden.

Auswärtiges Amt warnt vor Reisen nach Rostow und Moskau

Das Auswärtige Amt aktualisierte aufgrund der Ereignisse seine Reisehinweise für Russland. „Aufgrund aktueller Ereignisse“ sollten schon bisher von einer Teilreisewarnung betroffene „Verwaltungsgebiete und insbesondere die Stadt Rostow sowie das Umland gemieden werden“, teilte das Ministerium am Samstag mit. „In Moskau sollten staatliche, insbesondere militärische Einrichtungen weiträumig umgangen werden. Das Stadtzentrum sollte bis auf Weiteres gemieden werden.“ 

Der staatliche Kanal 1 soll sein reguläres Programm für eine Sondersendung unterbrochen haben. Er bezeichnete die Behauptungen Prigoschins über einen russischen Militärangriff auf seine Wagner-Kämpfer als Fälschung. Berichten zufolge wurde Google in Russland teilweise blockiert.

Putin sei über die Entwicklungen unterrichtet, sagte dessen Sprecher Dmitri Peskow. Notwendige Maßnahmen würden ergriffen. Putin nannte die Vorkommnisse in seiner TV-Ansprache „Verrat“ und warf Prigoschin vor, aus persönlichen Interessen zu handeln. Der Aufstand sei ein „Stich in den Rücken“ des russischen Volkes.

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Der russische General Sergei Wladimirowitsch Surowikin appellierte via Telegram an die Wagner-Kämpfer: „Wir sind vom gleichen Blut. Wir sind Krieger, der Feind wartet darauf, dass sich die innenpolitische Lage im Land verschlechtert, man darf dem Feind nicht in die Hände spielen.“

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3. Was den Wagner-Aufstand angeblich auslöste

Prigoschin hatte Moskaus Militärführung am Freitag einen Angriff auf seine Söldner-Einheiten vorgeworfen und mit Gegenmaßnahmen gedroht. Verteidigungsminister Schoigu habe Wagner-Lager im Hinterland mit Artillerie, Hubschraubern und Raketen angreifen lassen, sagte Prigoschin in einer am Freitag von seinem Pressedienst auf Telegram verbreiteten Sprachnachricht.

Prigoschins Angaben nach war Schoigu extra an die nahe der ukrainischen Grenze gelegene Millionenstadt Rostow am Don gekommen, um die Operation gegen Wagner zu leiten. „Um 21 Uhr ist er geflohen – feige wie ein Weib – um nicht zu erklären, warum er Hubschrauber hat abheben und Raketenschläge durchführen lassen, um unsere Jungs zu töten.“

„Dieses Biest wird aufgehalten“, sagte Prigoschin. Er sprach von einer „großen Anzahl“ an Toten, nannte aber keine genaue Zahl der angeblich bei dem Schlag getöteten Söldner.

Wer versucht, uns Widerstand zu leisten, den werden wir als Bedrohung betrachten und sofort töten.

Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner

Er habe 25.000 Männer unter Befehl, die nun aufklären würden, warum solch eine Willkür im Land herrsche. „Wer versucht, uns Widerstand zu leisten, den werden wir als Bedrohung betrachten und sofort töten“, drohte Prigoschin. Der größte Teil des Militärs unterstütze ihn. „Das ist kein Militärputsch. Das ist ein Marsch für Gerechtigkeit.“ 

Zudem erklärte Prigoschin, das Verteidigungsministerium versuche, Putin und die Öffentlichkeit über die Kriegsgründe zu täuschen. Dass von der Ukraine eine Aggression ausgehe und diese gemeinsam mit der Nato Russland angreifen wolle, sei eine Lügengeschichte.

„Die Spezialoperation wurde aus anderen Gründen begonnen“, sagte Prigoschin, der Schoigu wiederholt scharf kritisiert und sich einer Unterordnung seiner Söldner unter das russische Militär widersetzt hat. „Der Krieg war notwendig, damit Schoigu Marschall werden und eine zweite Heldenmedaille bekommen kann“, sagte Prigoschin.

Außerdem habe sich die russische Elite mithilfe des Kriegs substanzieller Vermögenswerte bemächtigen wollen. „Der Krieg war nicht notwendig, um die Ukraine zu demilitarisieren oder denazifizieren.“ Damit widersprach Prigoschin auch Putins Begründung für den Krieg. 

Der Präsident galt stets als Gönner des Unternehmers, der seinerseits offene Kritik an Putin vermieden hatte. Putin hatte erklärt, die als „militärische Spezialoperation“ bezeichnete Invasion seit dem 24. Februar vergangenen Jahres habe das Ziel, die Ukraine zu demilitarisieren und zu denazifizieren.

Er hat den Krieg auch als Existenzkampf gegen den Westen bezeichnet, der eine Zerstörung Russlands anstrebe. Diese Darstellung wird von der Ukraine sowie von zahlreichen westlichen und anderen Staaten zurückgewiesen.

Wie Telegram-Chats zeigen, waren Wagner-Kämpfer offenbar über Prigoschins Pläne informiert. Einige von ihnen haben sich in den letzten 24 Stunden von ihren Angehörigen verabschiedet und ihnen gesagt, sie sollen sich die Fernsehnachrichten ansehen.

Eine Chat-Teilnehmerin berichtete: „Gestern haben viele Leute angerufen und sich ‚unter Auflagen‘ verabschiedet. Viele sagten, sieh dir die Nachrichten an.“ Mehrere Teilnehmer geben an, dass sie ihre Wagner-Männer nicht erreichen können.

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4. Was Experten sagen und wie die Opposition reagiert

Der US-Think-Tank „Institute for the Study of War“ schrieb in der Nacht zu Samstag zur Situation: „Der von Prigoschin wohl erwünschte Wechsel der Militärführung wird kaum stattfinden.“ Prigoschin scheine sich tatsächlich auf einen bewaffneten Aufstand vorzubereiten.

Als Hintergrund der Eskalation sieht das ISW den Versuch des russischen Verteidigungsministeriums, die russischen Söldnergruppen unter sein Kommando zu stellen. Prigoschin hatte das abgelehnt. Für ihn würde das den Verlust von Macht und auch politischem Einfluss bedeuten. Dem ISW zufolge gibt es aber keine Anzeichen, dass größere Teile der Armee zu Prigoschin überlaufen.

Russlands Präsident Wladimir Putin (links) und Verteidigungsminister Sergej Schoigu.

© Sputnik Kremlin Pool Photo/AP/dpa

Der bekannte russische Regierungskritiker Michail Chodorkowski hat die Russen derweil aufgefordert, den Söldnerführer in seinem Kampf gegen die Armeeführung zu unterstützen. „Wir müssen jetzt helfen, und dann werden wir diesen (Mann) wenn notwendig ebenfalls bekämpfen“, schrieb der Kreml-Kritiker in der Nacht zum Samstag in Onlinemedien.

„Selbst der Teufel“ verdiene Unterstützung, wenn er gegen den „dieses Regime“ kämpfe. „Und ja – dies ist erst der Anfang“, schrieb der im Exil lebende Chodorkowski. 

Auch die von der Ukraine aus operierenden russischen Partisanen begrüßten die Entwicklung. Allerdings vermutete deren politischer Sprecher, Ilja Ponomarjow, eine Inszenierung des Kreml. „Ich glaube, dass dies ein Verhalten ist, das er mit Putin vereinbart hat und das darauf abzielt, eine falsche Alternative zu Putin selbst zu schaffen“, sagt er mit Blick auf Prigoschins Drohung.

Falls dem nicht so sei, erklärte Ponomarjow: „Herr Prigoschin hat meine Telefonnummer. Wenn er sich auf die Seite der Anti-Putin-Koalition stellen will, dann gibt es internationale Regeln für Militärführer, die kapitulieren wollen. Die Ukraine hält sich daran. Ich bin bereit, bei der Organisation solcher Verhandlungen mitzuhelfen, die darauf abzielen, das Leben von Soldaten zu retten und den Krieg schnell zu beenden.“

Ukraine sieht Russlands Präsidenten Putin geschwächt

Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak hält das Schicksal von Kremlchef Putin für offen. „Die nächsten 48 Stunden werden über den neuen Status von Russland entscheiden“, schrieb Podoljak am Samstag beim Kurznachrichtendienst Twitter. Möglich seien ein „ausgewachsener Bürgerkrieg“, ein „ausgehandelter Machtübergang“ oder auch eine „vorübergehende Atempause vor der nächsten Phase des Sturzes des Putin-Regimes“.

Podoljak ist einer der Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj. Weiter schrieb er: „Alle potenziellen Akteure entscheiden jetzt, auf welcher Seite sie stehen.“ In Russland herrsche gerade ein „ohrenbetäubendes Schweigen der „Elite““. 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj selbst sieht in dem bewaffneten Aufstand ein klares Zeichen der Schwäche Putins. „Die Schwäche Russlands ist offensichtlich“, schrieb Selenskyj am Samstag beim Kurznachrichtendienst Twitter. „Eine umfassende Schwäche.“ Je länger Russland Truppen und Söldner in der Ukraine halte, „desto mehr Chaos, Schmerz und Probleme wird es später für sich selbst haben“.

Weiter sagte Selenskyj: „Lange Zeit bediente sich Russland der Propaganda, um seine Schwäche und die Dummheit seiner Regierung zu verschleiern. Und jetzt ist das Chaos so groß, dass keine Lüge es verbergen kann.“ Mit Blick auf Putins Angriffskrieg gegen sein Land sagte er: „Jeder, der den Weg des Bösen wählt, zerstört sich selbst.“

Die USA bleiben angesichts der Entwicklungen in Russland in enger Abstimmung mit ihren Verbündeten und Partnern, erklärt Außenminister Antony Blinken auf Twitter. Er habe an diesem Samstag mit den G7-Außenministern und dem EU-Außenbeauftragten gesprochen. An der US-Unterstützung für die Ukraine ändere sich nichts.

Wie Russlands Regionalpolitiker und Verbündete reagieren

Der Gouverneur der Uralregion Swerdlowsk, Jewgeni Kuiwaschew, sagte, „Prigoschin ist ein großes Problem“ und rief zur Unterstützung der russischen Armee auf. Die Situation im Gebiet Swerdlowsk sei ruhig, fügte er hinzu.

Der Regionalgouverneur der nordöstlichen russischen Oblast Karelien, Artur Parfentschikow und der Bürgermeister der Stadt Petrosawodsk, Wladimir Ljubarski, haben die Wagner-Söldner dazu aufgefordert, die Waffen niederzulegen. „Wir möchten uns an unseren Landsmann wenden, der die Söldnertruppe Wagner leitet… denkt darüber nach, es gibt nichts Schrecklicheres, als das Blut seines eigenen Bruders zu vergießen“, sagte Parfentschikow. 

Die Behörden der Region Krasnodar wiesen derweil Berichte darüber zurück, dass es Zusammenstöße mit Wagner-Söldnern in der Region gegeben habe. Das berichtet die staatliche Nachrichtenagentur „Tass“ unter Berufung auf den Telegramkanal der Regionalbehörde.

Das mit Moskau verbündete Belarus bezeichnete die bewaffnete Rebellion als „Geschenk an den Westen“. „Jede Provokation, jeder interne Konflikt in den militärischen oder politischen Kreisen, im Bereich der Information oder in der Zivilgesellschaft, ist ein Geschenk an den Westen“, zitierte das Außenministerium in Minsk den belarussischen Sicherheitsrat. „Das kann in einer Katastrophe enden“, erklärte der Rat weiter und forderte dazu auf, der „Stimme der Vernunft“ zuzuhören.

Der Iran bezeichnet die Vorgänge in Russland als dessen innere Angelegenheit. Iranische Staatsmedien zitieren einen Sprecher des Außenministeriums außerdem mit den Worten, die Islamische Republik unterstütze die Herrschaft des Rechts in der Russischen Föderation. (mit Agenturen)

Mitarbeit: Kristina Thomas

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