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Die Stimmung bei den wöchentlichen Demonstrationen in Tel Aviv wird gereizter.

© AFP/JACK GUEZ

Auf Kosten der Sicherheit : Der Streit um Israels Justizreform spitzt sich zu

Israels Regierung treibt ihre umstrittene Justizreform voran, auch die Gegner verschärfen ihre Mittel. Das hat bisweilen absurde Folgen – und mitunter womöglich auch gefährliche.

Im Streit um die geplante Justizreform der israelischen Regierung verschärfen beide Seiten die Mittel – mit teils absurden, teils womöglich auch gefährlichen Folgen. Das bekam in der vergangenen Woche Sara Netanjahu zu spüren, die Frau des israelischen Ministerpräsidenten.

Sara Netanjahu, der eine Schwäche für Luxus nachgesagt wird, besuchte am vergangenen Mittwoch einen vornehmen Friseursalon in Tel Aviv. Dabei wurde sie von Passanten erkannt, die die Neuigkeit schnell verbreiteten.

Innerhalb kurzer Zeit versammelten sich Tausende Reformgegner vor dem Salon, ausgestattet mit schnell improvisierten Plakaten, und hinderten Sara Netanjahu drei Stunden lang daran, das Geschäft zu verlassen. Sicherheitskräfte geleiteten die frisch frisierte Premiersgattin schließlich nach draußen.

Die Stimmung wird gereizter

Auch bei den wöchentlichen Demonstrationen wird die Stimmung gereizter. Am vergangenen Samstagabend gingen in Tel Aviv und anderen großen Städten eine Viertelmillion Menschen auf die Straße – die höchste Zahl seit Beginn der Proteste und eine beeindruckende dazu, schließlich hat Israel nur neuneinhalb Millionen Einwohner.

Einige von ihnen blockierten eine wichtige Schnellstraße, woraufhin die Polizei Wasserwerfer einsetzte und mehrere Demonstranten festnahm. Israelischen Medienberichten zufolge soll Itamar Ben-Gvir, der rechtsextreme Minister für nationale Sicherheit, zuvor auf ein härteres Vorgehen der Beamten gedrungen haben.

Netanjahus rechts-religiöse Regierung, seit Ende Dezember im Amt, treibt derweil ihre umstrittenen Pläne mit erheblicher Eile voran. Bislang konnte das Oberste Gericht Gesetzesvorhaben stoppen, wenn diese den israelischen Grundgesetzen zuwiderliefen; in Zukunft soll eine einfache Parlamentsmehrheit genügen, um eine solche Gerichtsentscheidung aufzuheben.

Kritiker fürchten, dies könnte die demokratische Gewaltenteilung des Landes untergraben. Zudem sehen die Reformpläne vor, der Regierung mehr Einfluss auf die Ernennung von Richtern zu geben. Davon könnte Netanjahu persönlich profitieren, warnen Kritiker, schließlich läuft gegen ihn weiterhin ein Prozess wegen Verdacht auf Betrug, Bestechlichkeit und Untreue.

Krise der bilateralen Beziehungen

Der Konflikt um die Reform greift auf immer mehr Gesellschaftsbereiche über. Seit Wochen häufen sich Berichte, dass Investoren, High-Tech-Firmen und einfache Bürger ihr Geld aus dem Land schaffen.

Die für Israel so wichtige Beziehung zu den USA steht unter Spannung.

Mareike Enghusen

Und nun droht selbst die Armee, die lange als letzter Konsens der jüdischen Mehrheitsgesellschaft galt, unter dem Streit zu leiden: Es melden sich nicht nur immer mehr pensionierte Generäle, frühere Armeechefs und einstige Elitesoldaten mit Brandbriefen zu Wort, in denen sie die Regierung zur Umkehr aufrufen.

Es verweigern auch immer mehr Reservisten den Dienst oder drohen zumindest damit. Manchen Einheiten soll es bereits schwerer fallen, Reservisten zu ihrem alljährlichen Dienst einzuberufen. Noch ist der Mangel Berichten zufolge nicht groß genug, um die nationale Sicherheit zu beeinträchtigen. Dennoch unterstreicht die Weigerung der Reservisten den Ernst der Lage.

Zu alledem steht auch noch die für Israel so wichtige Beziehung zu den USA unter Spannung. Nachdem US-Diplomaten vorsichtige Kritik an der geplanten Reform geübt hatten, gingen israelische Minister den großen Partner äußerst undiplomatisch an.

Und spätestens die Forderung des Finanzministers Bezalel Smotrichs vergangene Woche, das Dorf eines palästinensischen Terroristen „auszulöschen“, scheint die US-Regierung ihrerseits zu einer härteren Gangart zu bewegen: Sie soll darüber nachdenken, Smotrich die Einreise in die USA zu verweigern.

Die Krise in den bilateralen Beziehungen kommt für Israel zu einer äußerst ungünstigen Zeit: Dessen Erzfeind Iran treibt sein Atomprogramm immer weiter voran, nicht mehr viel trennt das Regime Experten zufolge vom Bau einer Bombe.

Nicht ohne Grund drohte Netanjahu Teheran am Sonntag wieder einmal indirekt mit einem Militärschlag. Doch auch er dürfte wissen: Mit den mächtigen USA im Rücken würde die Drohung mehr Eindruck machen.

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