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Szene vor einem Wahllokal in Rom. In der Hauptstadt ging nur ein Drittel der erwachsenen Bürger:innen wählen.

© La Presse/Mauro Scrobogna

Italiens Regionalwahlen, ein Desaster: Wer nicht wählt, tötet die Demokratie

Wenn ein Fünftel der Wahlberechtigten für einen haushohen Sieg genügt: Italiens jüngste Regionalwahlen sind eine Mahnung für die Demokratie im EU-Gründerland.

Ein Kommentar von Andrea Dernbach

Giorgia Meloni darf sich mit Fug und Recht bestätigt sehen: Die beiden Regionalwahlen in Latium und der Lombardei am Sonntag und Montag haben zwei Kandidaten des von ihr geführten Rechtsbündnisses ins Amt gebracht beziehungsweise darin gehalten. Sie wird mit diesem Ergebnis im Rücken „durchregieren“ wollen. Und es können.

Auch Nichtwählen ist eine Wahlentscheidung

Was, um nur die wichtigsten Felder zu nennen, bedeutet: Eine Umweltpolitik, die Klima und Landschaft nur so weit schützt, dass kein Schwarzbau ihrer Häuslebauerklientel dran glauben muss, weitergehende Privatisierung öffentlicher Güter wie Gesundheit und Bildung und ein Sozialabbau, der jetzt schon Millionen der Ärmsten trifft. Ihnen nimmt die Regierung Meloni Schritt um Schritt selbst die Minimalhilfe, das Bürgereinkommen.

Man kann es Meloni kaum verdenken. Wie anders als ein Referendum für ihre Politik sollte sie dieses Ergebnis lesen? Gewählt hat immerhin ein gutes Viertel der italienischen Bevölkerung, und es ging um zwei zentrale Regionen. Die Lombardei ist das wirtschaftliche Herz des Landes, in Latium liegt sein politisches Zentrum. Tatsächlich wählen gegangen sind zwar erschütternd wenige, deutlich weniger als die Hälfte der volljährigen Bürgerinnen und Bürger.

Aber auch Wahlverzicht ist eine Wahlentscheidung. Nämlich ein Ja zu dem, was andere entscheiden. Attilio Fontana, dem Regionalpräsidenten der Lombardei, genügten die Stimmen eines Fünftels der Wahlberechtigten, um einen Anteil von weit über 50 Prozent der abgegebenen Stimmmen einzufahren.

Protest entschuldigt nichts

Das ist die Krönung eines Mannes, der die Covid-Katastrophe in seiner am schwersten getroffenen Lombardei durch Missmanagement mitverschuldete, und ein Freifahrtschein für ihn, die jahrzehntelange Politik in der Region fortzusetzen, die das öffentliche Gesundheitssystem ausbluten lässt und dafür private Großkliniken fördert. Die spenden für die großzügige Wirtschaftsförderung regelmäßig gern an ihre Wohltäter.  

Es ging um viel bei dieser Wahl und um sehr Konkrektes. Das weiß jede und jeder, die selbst im sehr hohen Alter ein Jahr auf nötige Untersuchungen warten müssen, aber sofort behandelt werden, wenn sie privat das Portemonnaie zücken. Das ist es, was auch jene 56 Prozent abgesegnet haben, die nicht zur Wahl gingen.

Man kann die Wahlenthaltung als Protest sehen, die politische Konkurrenz hat dem kaum etwas entgegengesetzt. Das entschuldigt aber nichts: Rechte sterben, wenn sie nicht in Anspruch genommen werden. Wenn nur eine Minderheit noch wählen geht, stirbt die Demokratie. Und man braucht, in einem EU-Gründerland, nicht einmal mehr Gewalt dazu.

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