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Carabinieri tragen Anwohner huckepack durch die überschwemmten Straßen. Die italienischen Regionen Emilia-Romagna und die Marken werden weiter von schweren Unwettern heimgesucht.

© dpa

Update

Nach der Dürre kommt die Sintflut: Italien, ein Land im Klima-Dauernotstand

Bisher war der Wasserstand in Seen und Flüssen auf Rekordtief, jetzt spülen Regenmassen Äcker und Asphalt davon. Die Klimawandel-Extreme bedrohen Italiens Lebensmittelsicherheit und den Export „made in Italy“.

| Update:

Dürre? Die apokalyptischen Bilder vom ausgetrockneten Flussbett des Po, Italiens größtem Fluss, scheinen wie aus einer anderen Zeit. Dabei sind sie gerade zwei Monate alt. Seit Wochen liegt Italien unter Regenwolken, es gießt beinahe ununterbrochen.

In dieser Woche rief die Emilia-Romagna den Katastrophenzustand aus: 23 Flüsse sind zwischen Bologna und Rimini über die Ufer getreten, Tausende Menschen mussten ihre Häuser in den ländlichen Regionen verlassen, elf starben – Stand Donnerstag – bisher in den Schlammmassen.

Mitte Februar schlug Italiens Umweltverband Legambiente noch wegen dramatischer Trockenheit Alarm. Flüsse und Seen des Landes führten bereits zu Frühlingsbeginn so wenig Wasser wie im Sommer des letzten Jahres mit seiner Rekorddürre. Nicht zuletzt das Schmelzwasser aus den Alpen fehlte.

Flusspegel steigen, das Wasserproblem bleibt

64 Prozent weniger Wasser aus Schneefall registrierte die unabhängige CIMA-Stiftung in ihrer Bilanz des Winters, die zuständigen Wasserbehörden für die Po-Regio und den nördlichen und zentralen Apennin, Italiens zentrale Gebirgskette, meldeten einen „mittleren“ Notstand.

Das hat sich nun, wie es scheint, durch die Sintflut im Norden, die viele dort Haus, Besitz und einige das Leben kostete, etwas gebessert. Amtlichen Messungen in Südtirol nach führte die Etsch bereits am vergangenen Wochenende viermal mehr Wasser als kurz zuvor. In den Alpen schneite es im Mai sogar noch einmal heftig.

64
Prozent weniger Schneewasser hat diesen Winter Italiens Flüsse und Seen aufgefüllt.

Das dürfte aber wenig oder nichts an dem ändern, was Legambiente einen „Dauernotstand“ nennt. Italien ist seit Jahren im Wasserstress. Mit einem jährlichen Verbrauch von 33 Milliarden Kubikmeter rechnet die Weltgesundheitsorganisation WHO das Land zu den Ländern mit mittlerem bis hohen Risiko – zumal man lediglich ein Drittel der erneuerbaren Wasserquellen nutzt.

Notstand in der Heimat des Parmesan

Der lahme Ausbau nachhaltigen Verbrauchs von sechs Prozent in zehn Jahren, zusammen mit Verstädterung, Umweltverschmutzung und der Klimakrise, die sich in immer längeren Trockenperioden niederschlage, stelle „die Wasserversorgung der Halbinsel vor schweren Herausforderungen“, urteilt der Umweltverband.

Unmittelbar betroffen ist die Landwirtschaft. Die Dürre bringe die Lebensmittelversorgung Italiens in Gefahr , prognostizierte kürzlich Francesco Vincenzi, Chef von Italiens Wasserwirtschaftsverband Anbi. Mit am gefährdetsten ist ausgerechnet die Landwirtschaft der Po-Ebene, wo Vieh und Getreide viel von dem liefern, was in aller Welt als italienische Küche geliebt wird. Weiter südlich, In der jetzt so brutal getroffenen Emilia-Romagna, wird unter anderem der Parmesan hergestellt.

Den Mangel an Rückhaltebecken werden wir in wenigen Wochen bereuen, wenn die große Hitze wieder anfängt.

Francesco Vincenzi vom italienischen Wasserwirtschaftsverband

Die Fluten jetzt zerstören nicht nur Häuser, Asphalt und Menschenleben. Sie spülen auch Ackerland weg, das durch die vorangegangene Trockenheit schon spröde ist. Und sie sind auch nicht als jener „potenzielle Wasserreichtum“ nutzbar, so Vincenzi, den das Land so dringend nötig hätte. Es fehle nämlich die Infrastruktur, um die Wassermassen aufzufangen.

Regierung gibt ein paar Millionen

Den Mangel an Rückhaltebecken „werden wir in wenigen Wochen bereuen, wenn die große Hitze wieder anfängt“, so Vincenzi kürzlich im Sender Sky24. Pläne, wie das zu ändern wäre, gebe es längst. Doch ob sie verwirklicht werden, ist die Frage: Gerade hat der verantwortliche Infrastrukturminister Matteo Salvini von der rechtsradikalen Lega magere 100 Millionen Euro versprochen, um gegen die Trockenheit vorzugehen.

Salvini, der sich bisher lieber um sein Prestigeprojekt einer Brücke über die Meerenge von Messina kümmerte, musste kürzlich auf Nachfrage ausländischer Journalistinnen in Rom passen, als er nach konkreten Projekten gefragt wurde. Im übrigen hoffe er, „dass es bald regnet“, so Salvini. Und da könne ein Minister ja nun wenig tun.,

Sein Wunsch wurde wenig später Wirklichkeit. Jetzt gibt es neben dem bleibenden Problem der Trockenheit eine weitere Katastrophenlage.

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