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Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei den Klimaverhandlungen in Dubai..

© dpa/Hannes P. Albert

Umweltschützer entsetzt, die Verhandler streiten: Wichtige Beschlüsse weichgespült – Klimagipfel muss verlängert werden

Die Verhandler in Dubai sahen sich Montag auf einem guten Weg. Dann wurde klar: Ein Ausstieg aus fossilen Energien ist nicht in Sicht, konkrete Maßnahmen sind nur optional, ein Fahrplan für die CO₂-Senkung fehlt.

Ernüchterung in Dubai: Die Weltgemeinschaft ist weit entfernt davon, einen globalen Ausstieg aus den fossilen Energien zu beschließen. Was die Präsidentschaft der 28. Weltklimakonferenz (COP28) am frühen Montagabend vorgelegt hatte, sei in seinen Kernpunkten nicht akzeptabel“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Dubai.

Die EU könne diesen Text nicht mittragen, erklärte die sichtlich enttäuschte Außenministerin wenige Stunden später zum Entwurf des „Global Stocktake”, der „Globalen Bestandsaufnahme“. Der Entwurf hätte nach dem Wunsch der Präsidentschaft der letzte sein sollen, da die COP28 laut Protokoll am Dienstvormittag enden sollte.

Doch der Protest vieler Staaten war nicht zu überhören – nachts wurde also weiterverhandelt. Am frühen Morgen war klar: Der Klimagipfel muss, wie die meisten anderen Treffen zuvor, in die Verlängerung. Eigentlich hätte er um 8 Uhr Mitteleuropäische Zeit enden sollen.

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In der „Globalen Bestandsaufnahme“ fehlten „die konkreten Instrumente zur Umsetzung, um überhaupt noch auf einen 1,5-Grad-Pfad zu kommen“, sagte Baerbock. Der Presse gab die Außenministerin nur ein sehr kurzes Statement von gerade einmal dreieinhalb Minuten, bevor sie wieder vom Podium schritt.

Auch Beobachter forderten Nachverhandlungen: „In den nächsten 17 Stunden müssen sich die Verfechter des Ehrgeizes zusammenraufen und diejenigen isolieren, die den Ehrgeiz bremsen”, sagte am Abend Tom Evans, politischer Berater des Thinktanks E3G.

Keine Einigung auf konkrete Maßnahmen, nur Optionen

Statt eines kompletten Ausstiegs aus Kohle, Öl und Erdgas ist im Text nur noch die Rede von der Möglichkeit, den Konsum und die Produktion von fossilen Brennstoffen zu „reduzieren“, um die Emissionen auf netto null zu senken – und zwar „bis, vor oder um 2050 herum, im Einklang mit der Wissenschaft“.

Der Kompromisstext stammt aus der Feder von Sultan Al Jaber, dem Präsidenten der COP28 und Chef des staatlichen Ölkonzerns in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Zum Entsetzen vieler Beobachter präsentiert der Entwurf keine feste Einigung auf konkrete Maßnahmen, um die globalen Emissionen zu reduzieren. Stattdessen listet das Dokument nur noch eine Reihe verschiedener Handlungsoptionen für dieses Ziel auf.

Kein Zeitplan für das Absenken der weltweiten Emissionen

Demnach könnten die Vertragsstaaten die „unverminderte Kohle“ abbauen und die neue und unverminderte Erzeugung von Kohlestrom nur noch begrenzt genehmigen. Darüber hinaus könnten die Länder klimaschonende Technologien vorantreiben: Hier werden Erneuerbare im selben Atemzug genannt wie Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO₂ (CCS) – ebenso Atomenergie und „kohlenstoffarme Wasserstofferzeugung“. Dienen sollen die Mittel dazu, „unverminderte fossile Brennstoffe in den Energiesystemen“ zu ersetzen.

Allerdings ist nicht definiert, was „unverminderte Brennstoffe” sein sollen. Der Begriff könnte auch ein Deckmantel für sehr schwache Emissionsabscheidung sein. Eine sehr knappe Definition bietet das IPCC (Intergovernmental Panel of Climate Change): Unverminderte Brennstoffe seien solche, deren Emissionen „während des gesamten Lebenszyklus” erheblich reduziert werden.

Das entspreche mindestens 90 Prozent des CO₂ aus Kraftwerken oder 50 bis 80 Prozent der Methanemissionen aus der Energieversorgung. Allerdings heißt das nicht, dass ein COP-Beschluss auch eine so strenge Definition enthalten würde.

Doch der Text legt zudem keiner Staatengruppe – weder Industrie- noch Entwicklungsländern – einen Zeitplan dafür auf, wann ihre Treibhausgasemissionen den Höchststand erreichen und im Folgejahr sinken („Peaking“) müssen. Stattdessen erkennt der Beschlussentwurf nur noch an, dass der Scheitelpunkt für die globalen Emissionen spätestens vor 2025 eintreten muss – immerhin ein Fortschritt zur vergangenen COP, auf der es nicht einmal diese wissenschaftliche Erkenntnis in das Abschlussdokument schaffte.

 Das ist ein ‘Wähle dein eigenes Abenteuer’-Ansatz für den Klimaschutz.

 David Waskow, Leiter der International Climate Initiative

„So schnell wie möglich“ könnten die Länder aus ineffizienten Subventionen für fossile Brennstoffe aussteigen, die einen „verschwenderischen Verbrauch“ befördern. Rückenwind gibt es offenbar die Handlungsoption, bis 2030 die Erzeugungskapazität der Erneuerbaren Energien zu verdreifachen und die Energieeffizienz jährlich doppelt so schnell zu verbessern als bislang. Allerdings fehlt die konkrete Zielmarke von 11.000 Gigawatt installierter Leistung – diese ergäbe sich aus der Verdreifachung.

Kein klares Bekenntnis zur Finanzierung der Anpassung

Als eine von mehreren Maßnahmen könnten die Nicht-CO₂-Emissionen einschließlich Methan bis 2030 „substanziell“ sinken – auch hier findet sich im Dokument wieder keine konkrete Zielmarke. Der Weltklimarat beziffert den notwendigen Rückgang bis 2030 auf 34 Prozent im Vergleich zu 2019, um die 1,5-Grad-Grenze nicht zu überschreiten. So steht es in seinem jüngsten Sachstandsbericht mit Blick auf verschiedene Klimaschutz-Szenarien.

Finanzierungsfragen beim Klimaschutz und bei der Klimaanpassung in ärmeren Ländern sind über den gesamten Beschlussentwurf gestreut – mal wird die Notwendigkeit für Unterstützung unterstrichen, mal die Verantwortung der Industriestaaten betont.

Entsetzt zeigten sich am Montagabend Umweltschutzorganisationen. Zwar sei es gut, dass zu einer beschleunigten Reduktion der Produktion und Nutzung fossiler Brennstoffe aufgerufen werde und dies auf „gerechte, ordentliche und angemessene Weise” geschehen solle. Damit soll vor allem den Schwellen- und Entwicklungsländern Rechnung getragen werden, die weniger finanzielle Mittel und Infrastruktur haben, um die Energiewende so schnell wie die reichen Industriestaaten zu vollziehen.

Dennoch sei der Text „absolut enttäuschend“, befand David Waskow, Leiter der International Climate Initiative. „Das ist ein ‘Wähle dein eigenes Abenteuer’-Ansatz für den Klimaschutz. Aber man kann nicht einfach einzelne Punkte aus dieser Liste nehmen, es braucht alle diese Maßnahmen!“

Klimaschützer fürchten CCS als Vorwand für mehr Fossile

Besonders bitter für jene, die auf ein Ende der fossilen Brennstoffe gehofft hatten, ist die dominante Rolle von CCS im Text. Auch westliche Länder wie die USA, die florierende Öl- und Gasgeschäfte betreiben, hatten sich dafür eingesetzt. Die EU und ihre Unterstützer hatten CCS möglichst reduzieren wollen auf unvermeidbare Emissionen im Industriesektor – keinesfalls jedoch solle CCS im Energiebereich zum Einsatz kommen.

Das Kohlekraftwerk „Boundary Dam“ in Kanada war das erste weltweit, in dem Kohlendioxid aus dem Abgas abgetrennt und in den Untergrund gebracht wird.
Das Kohlekraftwerk „Boundary Dam“ in Kanada war das erste weltweit, in dem Kohlendioxid aus dem Abgas abgetrennt und in den Untergrund gebracht wird.

© Saskpower/Mark Greschner

Im „Stocktake“ ist dieser aber explizit genannt, zudem würde CCS mit den Erneuerbaren gleichgesetzt, sagte Catherine Abreu, Gründerin der Bewegung Destination Zero. „Wir wissen, dass die funktionieren, während CO₂-Minderungstechnologien es nicht tun und auch nicht in erster Linie dazu verwendet werden, um CO₂ zu speichern, sondern um noch mehr Gas zu fördern.“

China hatte auf mehr Zeit für Energiewende gepocht

Noch am Vormittag sah es so aus, als hätte eine breite Mehrheit für einen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen zusammenkommen können, wie aus Verhandlerkreisen zu hören gewesen war. Zwar brauchen Entscheidungen auf der COP Einstimmigkeit, doch in der Vergangenheit hatten sich die Widerstandskämpfer – in diesem Fall angeführt von Saudi-Arabien – am Ende der breiten Mehrheit angeschlossen.

Die EU hatte derweil um den Beistand der kleinen, vom Klimawandel besonders bedrohten Inselstaaten geworben. Tagsüber hatten auch 16 Länder im Namen der „Beyond Oil and Gas Alliance” für einen solchen Ausstieg plädiert.

Diese Allianz hätte mithilfe der USA eine Mehrheit zusammen mit den sogenannten „Umbrella”-Staaten formen können, sagten Verhandler. Zu ihnen gehören Australien, Kanada, Island, Israel, Japan, Neuseeland, Kasachstan, Norwegen, die Ukraine und das Vereinigte Königreich.

Solarfeld in China. Das Land installiert zwar Rekordmengen an erneuerbaren Energien – setzt aber auch noch auf den Ausbau von Kohlekraftwerken.
Solarfeld in China. Das Land installiert zwar Rekordmengen an erneuerbaren Energien – setzt aber auch noch auf den Ausbau von Kohlekraftwerken.

© AFP/Stringer

Sogar China hätte ins Boot der Fossil-Aussteiger kommen können, wenn auch unter der Bedingung, dass den Schwellenländern mehr Zeit eingeräumt wird. Durchaus ernste Ambitionen hatte die Volksrepublik im Sommer gezeigt, als China mit den USA das Sunnylands-Statement unterzeichnet hatte.

Darin bekennen sich beide Länder dazu, „die Substitution von Kohle-, Öl- und Gaserzeugung zu beschleunigen und dadurch in diesem kritischen Jahrzehnt der 2020er Jahre eine bedeutende absolute Emissionsreduzierung im Energiesektor zu erreichen”. Darauf hätte man aufbauen können, zusammen mit der Allianz um die EU.

Wie der COP-Präsident Druck machen kann

Am Dienstag könnte die COP28-Präsidentschaft im Laufe des Tages ein Plenum einberufen und damit vor den Augen der Weltöffentlichkeit weiter über den „Stocktake“ verhandeln. Damit würden sofort diejenigen Länder ins Licht rücken, welche einen ambitionierten Beschluss verhindern.

So würden sie unter Druck geraten, ihre Blockadehaltung aufzugeben und den Weg für eine Einigung freizumachen. In jedem Fall erscheint es plausibel, dass die Klimakonferenz in eine deutliche Verlängerung geht.

Neben dem Entwurf für die globale Bestandsaufnahme skizzierte die COP28-Präsidentschaft am Montag wieder ein mögliches Rahmenwerk für das globale Ziel bei der Klimaanpassung (Global Goal on Adaptation, GGA). Verschwunden aus dem neuen Beschlussentwurf ist ein Fahrplan, um die finanziellen Hilfen für die Anpassung in ärmeren Ländern zu verdoppeln.

Die Industriestaaten hatten auf der COP26 zugesagt, die Mittel für diesen Zweck bis 2025 im Vergleich zum Niveau von 2019 zu verdoppeln. Dies entspräche jährlich etwa 40 Milliarden Dollar.

Außerdem erhebt der Kompromisstext das GGA nicht zu einem fortlaufenden Verhandlungsthema in der Klimadiplomatie – damit müssten sich die Vertragsstaaten jedes Mal neu einigen, ob sie überhaupt über das Vorhaben und dessen Erreichung sprechen wollen. Auch im neuen Entwurf haben Vorsätze wie eine bessere Wasserversorgung, klimafestere Landwirtschaft und widerstandsfähigere Infrastruktur keine Messlatte; Indikatoren soll es erst nach einem zweijährigen Arbeitsprogramm geben..

Ana Mulio Alvarez von der Denkfabrik E3G, sagte am Montag: „Leider scheint es, dass uns dieser Text nicht in die Lage versetzt, den notwendigen Umfang der transformativen und schrittweisen Anpassungsmaßnahmen zu erbringen.“ Die verhandelnden Staaten könnten laut Alvarez Verbesserungen vornehmen, wenn sie die Ziele auch mit konkreten Zahlen versehen und einen Weg bereiten, um die benötigten Gelder zu mobilisieren.

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