zum Hauptinhalt
Andreas Babler, Bürgermeister von Traiskirchen und neuer Parteichef der SPÖ.

© dpa/Georg Hochmuth

Nach Wahlpanne plötzlich SPÖ-Parteivorsitzender: Österreichs neuer Chef der Sozialdemokraten steht vor einem schwierigen Start

Nach Bekanntwerden eines Auszählungsfehlers bei der Wahl zum Parteichef wurde der Zweite doch Erster. Andreas Babler muss jetzt nicht nur die Partei einen, es geht auch um deren Glaubwürdigkeit.

„Operettenniveau“, „schlampige Republik“ – das Medienecho auf die Panne bei der Stimmauszählung um den Parteivorsitz der österreichischen Sozialdemokraten fiel teils vernichtend aus. Andere versuchten das Debakel mit Humor zu nehmen. So teilte die Bücherei Wien auf ihren sozialen Kanälen den Buchtipp: „Excel 2021 – eine Anleitung in Bildern“.

Ausgerechnet bei der Übertragung in eine solche Tabelle ist am vergangenen Samstag etwas passiert, das selbst in der Redaktion der „Washington Post“ für Augenreiben sorgte: Der eigentliche Sieger wurde als Zweitplatzierter verkündet – und dann im Nachgang als Sieger ausgerufen.

Dieser heißt Andreas Babler und war bisher Bürgermeister der 20.000-Einwohner-Stadt Traiskirchen in Niederösterreich. Der Lokalpolitiker und gelernte Maschinenschlosser galt als „Underdog“ im Rennen um den Parteivorsitz und die Spitzkandidatur für die Nationalratswahl 2024. In den vergangenen Wochen konnte er mehr oder weniger aus dem Nichts eine Graswurzelbewegung mobilisieren, die ihn bis zum Parteitag trug.

Kein Momentum des Aufbruchs

Ob es ihn und seine Partei auch ins Kanzleramt bringt? Der neue Vorsitzende erlebt gerade einen schwierigen Start. Das Momentum des Aufbruchs konnte er aufgrund der Panne nicht nutzen. Anstatt seinen Sieg euphorisch auszukosten, musste er am Montag vor die Presse treten und von Fehlern sprechen. „So etwas darf sich nicht wiederholen“, entschuldigt sich Babler. Er habe als Vorsitzender kandidiert, um der Partei Stolz und Würde zurückzugeben. Die vergangenen Tage hätten gezeigt, wie bitter notwendig das sei. 

Das Auszählungsdebakel hat der SPÖ reichlich Häme und Spott eingebracht. In Österreich ist man politische Skandale zwar gewohnt – die Bundespräsidentenwahl 2016, die Ibiza-Affäre, und der ÖVP-Skandal um Sebastian Kurz – aber dies war doch ein außergewöhnlicher Vorgang, über den dieser Tage in vielen Wohnzimmern Österreichs gesprochen wird. Tenor: „Wie kann man nur so deppert sein?“

Für die SPÖ geht es neben all den Lager-Streitigkeiten der vergangenen Jahre um Glaubwürdigkeit. Was dem Neuen in dieser misslichen Lage aber hilft: Er kann begeistern und flammende Reden halten. Das zeigte er bei seiner Parteitags-Rede, die anfangs noch von Gemurmel und den Saal verlassenden Genossen begleitet wurde. Mit jeder Minute am Mikro drehte sich die Stimmung. Am Ende standen sie für ihn auf und applaudierten frenetisch – gemessen am Lärmpegel wäre er umgehend als Sieger hervorgegangen.

Wird der Rivale kooperieren?

Das Vertrauen sämtlicher Delegierten hat er damit gewonnen, nun gilt es, auch die Anhänger seines Kontrahenten Hans Peter Doskozil zu überzeugen. Für diesen sei „das Kapitel Bundespolitik ein für alle Mal abgeschlossen“, erklärte er am Montag. Gleichzeitig kündigte er an, vom Burgenland aus „alles zu tun“, damit die Partei wieder geeint werde und die nächsten Nationalratswahlen gewonnen werden. Weg vom Fenster ist der Rivale also nicht.

Hans Peter Doskozil (re.), Landeshauptmann des Burgenlandes, war für zwei Tage Parteichef, ehe man den Fehler bei der Auszählung entdeckte.

© dpa/Georg Hochmuth

Abarbeiten wird sich auch die Konkurrenz an Andreas Babler, die ihn an so manche ideologischen Einlassungen erinnern wird: Mit seiner Aussage zur EU („Schlimmer als die Nato“) setzte er sich in die Nesseln. Medial um die Ohren flog ihm auch der Satz, er sei „Marxist“, den er später relativierte. Hier wird er sich noch erklären und wohl abgrenzen müssen. Das könnte einige Anhänger vergraulen.

Das Kontrastprogramm zu Schwarz-Blau

Auf der anderen Seite bietet er konträre Positionen zu ÖVP und FPÖ, die sich in den Landesparlamenten zunehmend annähern. Babler steht für eine humane Asyl- und Migrationspolitik und will hier keinen harten Kurs fahren, wie ihn sein Rivale Doskozil und dessen Lager für richtig halten, um rechte Wähler zurückzuholen. Den Zorn auf jene zu lenken, „die mit dem Plastiksackerl kommen, wird es bei uns nicht geben“, rief er in seiner Parteitagsrede den Menschen zu.

In seiner Gemeinde Traiskirchen, wo zudem das größte Aufnahmelager des Bundes liegt, hatte er damit Erfolg: Mehr als 70 Prozent haben ihn gewählt.

Seine anderen Vorhaben (gesetzlicher Mindestlohn, Arbeitszeitverkürzung, Vermögenssteuer – und seit neuestem Cannabis-Legalisierung) dürften im konservativ geprägten Land provozieren und auffallen. Mangelnde Profillosigkeit wird das geringste Problem der Sozialdemokraten sein. Im besten Fall zieht die Babler-SPÖ enttäuschte Grün-Wähler an und jene, die derzeit Gefallen an der aufstrebenden KPÖ finden.

Dass es damit für eine Koalition jenseits von Schwarz-Blau reicht, ist nicht absehbar – und mit Blick auf die Umfragen eher unwahrscheinlich. Abseits von solchen Farben-Spielen hat der neue SPÖ-Chef Babler erstmal alle Hände voll zu tun, sein Team aufzustellen. Danach soll eine Tour durch alle Bezirke Österreichs führen. Für den Mann, der kein Mandat im Nationalrat hat, eine Möglichkeit, sich Gehör und eine politische Bühne zu verschaffen.

Das Bild vom feurigen Redner einer ehemaligen Arbeiterbewegung, der Schwarz-Blau im Parlament ordentlich Dampf macht, dürfte für seine Anhänger vorerst noch eine Wunschvorstellung sein. Was er ihnen aber schon erfüllen könnte: Das Bild einer chaotischen Partei aus der Welt räumen. Dann wird vielleicht auch die jüngste Panne irgendwann mal vergessen – oder vom nächsten Polit-Skandal in der Alpenrepublik abgelöst sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false