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Russlands Präsident Wladimir Putin (l.) neben Chinas Präsident Xi Jinping

© Reuters/Sputnik/Sergey Bobylev

Russlands Gamechanger?: Diese drei Gründe sprechen für mögliche Waffenlieferungen Chinas

Die US-Regierung geht davon aus, dass China erwägt, Russland beim Angriffskrieg in der Ukraine zu unterstützen. Doch welche Vorteile hätte das für Peking?

Die Worte, die aus den USA zu vernehmen waren, ließen aufhorchen – waren sie doch in der Deutlichkeit bislang unbekannt. Zudem kamen sie vom ranghöchsten Diplomaten des führenden westlichen Staates, der seine Worte stets mit Bedacht zu wählen versucht.

US-Außenminister Antony Blinken sagte dem TV-Sender CBS, dass Washington „auf Grundlage der uns vorliegenden Informationen“ in Sorge sei, dass China „die Bereitstellung tödlicher Unterstützung“ für Moskau im Ukraine-Krieg erwäge. „Alles von Munition bis zu den Waffen selbst“, konkretisiert er – und wurde kurz darauf mit seiner Einschätzung von CIA-Chef Bill Burns unterstützt.

Chinas Außenamtssprecher Wang Wenbin reagierte empört und bestritt die angeblichen Pläne, indem er sie als „Falschinformationen“ bezeichnete. Auch Blinkens Chef, US-Präsident Joe Biden, sah sich genötigt, die Wogen zu glätten. „Ich erwarte keine große Initiative von China, Russland mit Waffen auszustatten“, sagte Biden dem TV-Sender ABC News.

Doch welche könnten die „vorliegenden Informationen“ sein, von denen US-Außenminister Blinken gesprochen hatte?

Russlands Außenminister Sergej Lawrow (r.) besuchte Chinas Top-Diplomat Wang Yi in der vergangenen Woche.

© AFP/Alexander Nemenov

Der ehemalige australische General und heutige Militärexperte Mick Ryan ist überzeugt, dass jede großangelegte chinesische Unterstützung Russlands die Voraussetzungen im Ukraine-Krieg grundlegend verändern würde. Sie wäre also ein echter Gamechanger. Ryan hat drei mögliche Gründe in einem Gastbeitrag für ABC News ausformuliert, warum China den russischen Truppen Waffen liefern könnte.

Erstens: China könnte die Unterstützung nutzen, um zu schauen, mit welcher Härte der Westen auf eine solche Aggression reagiert. Das wäre deshalb nützlich, weil China dadurch ein Gefühl gewinnen könnte, wie eine Reaktion von USA und Nato auf einen Angriff auf Taiwan aussehen würde.

Zweitens: China hat kein Interesse an einem schnellen Ende des Kriegs in der Ukraine. Denn solange der Westen seine besten Waffen in die Ukraine schickt und sich darauf konzentriert, gerät die Pazifikregion aus dem Fokus – so das chinesische Kalkül laut Ryan. Ähnlich habe es sich bei den Konflikten im Irak und in Afghanistan in den vergangenen Jahrzehnten verhalten.

Drittens: China will nicht, dass der Verbündete Russland den Krieg verliert. Eine russische Niederlage in der Ukraine würde das Narrativ des chinesischen Präsidenten Xi Jinping vom Niedergang des Westens konterkarieren. Es würde eine große Herausforderung für Xi, seine Fehleinschätzung zu rechtfertigen. Es könnte die globale Rolle Chinas in Frage stellen und einige Länder des globalen Südens wieder näher Richtung Westen treiben.

Sollte China die Lücken schließen, die die verlustreichen Kämpfe in der Ukraine in den russischen Waffen- und Munitionsbestand gerissen haben, könnten Moskaus Truppen nach Einschätzung Ryans wieder auf stark artilleriegestützte Offensiven wie im Sommer zurückgreifen. Damals hatte Russland mit dem Zusammenspiel von Artillerie und Drohnen zwischenzeitlich die gesamte Region Luhansk eingenommen.

Auch Kampfpanzer könnte China den Russen zur Verfügung stellen, an solchen mangelt es derzeit ebenfalls. Russland ist daher bereits dazu übergangen, bei ihren Offensiven noch stärker auf Infanterie zu bauen und die Kampfpanzer nur noch in der zweiten Reihe einzusetzen. Dadurch, dass die Soldaten als „Kanonenfutter“ dienen, kommt es zwar zu hohen Verlusten – doch wird der Bestand an schweren Waffen geschont. Ein Problem, das China lösen könnte.

Ryan hält es für sehr wahrscheinlich, dass China Russland während des Krieges bereits neben wirtschaftlicher Hilfe auch mit geheimdienstlichen Informationen über das strategische Vorgehen des Westens versorgt hat.

Dass China weiterhin Öl, Gas und Kohle aus Russland importiert, ist kein Geheimnis. Der Umfang soll rund 60 Milliarden Euro im ersten Kriegsjahr betragen haben, wie aus Statista-Daten hervorgeht.

Die chinesischen Analysten, die sich mit dem möglichen Unterstützungsszenario befassen, sehen allerdings auch die erwartbaren negativen Auswirkungen. Einerseits würde China das ohnehin schon angespannte Verhältnis zu den USA dadurch wohl weiter verschlechtern und müsste mit schwerwiegenden Sanktionen des Westens rechnen.

Zudem könnte der Westen Erkenntnisse über chinesische Waffen gewinnen, die die Ukrainer abfangen oder erbeuten. Bislang habe China die Möglichkeit gehabt, bezüglich der Qualität neuer Waffensysteme zu bluffen, schreibt Ryan – das ginge dann nicht mehr. Den USA würde das bei einer möglichen chinesischen Invasion in Taiwan womöglich einen Vorteil geben.

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