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Aufnahme eines israelischen Luftangriffs im Gazastreifen am 10. Oktober 2023.

© Imago/Xinhua/Rizek Abdeljawad

Update

Schwere Gefechte im Gazastreifen: Israelische Armee nimmt Kämpfe wieder auf – UNO fordert Waffenruhe

Mehrere Tage lang hatten Israel und die Hamas ihre Gefechte eingestellt. Nun gehen die Kämpfe weiter. Die UNO verurteilt dies und dringt auf erneute Waffenruhe in Nahost.

| Update:

UN-Generalsekretär António Guterres hat die Fortsetzung der Kampfhandlungen zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas kritisiert und eine erneute Feuerpause im Gazastreifen angemahnt. „Ich bedauere zutiefst, dass die Militäroperationen in Gaza wieder aufgenommen wurden“, schrieb Guterres am Freitag im Onlinedienst X, früher Twitter.

Er hoffe darauf, dass die Kampfpause nochmals verlängert werden könne. „Die Wiederaufnahme der Kampfhandlungen zeigt nur, wie wichtig eine echte humanitäre Waffenruhe ist“, fügte Guterres hinzu.

Die Feuerpause, die insgesamt eine Woche galt, war am Freitagmorgen ausgelaufen. Anschließend setzte Israel seinen Militäreinsatz gegen die Hamas fort, während die Palästinenserorganisation wieder Raketen auf Israel abfeuerte. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen werden die Gespräche über eine erneute Waffenruhe unter Vermittlung Katars und Ägyptens aber fortgesetzt.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Das Büro von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warf der Hamas einen Verstoß gegen die Vereinbarungen über eine Feuerpause vor. „Sie ist ihrer Verpflichtung, alle weiblichen Geiseln freizulassen, heute nicht nachgekommen und hat Raketen auf israelische Bürger abgefeuert“, hieß es.

Nach Aussagen eines hochrangigen Hamas-Funktionärs hat Israel „mehrere Angebote, Initiativen und Vorschläge“ für eine Verlängerung der Feuerpause abgelehnt. Chalil Al-Haja sagte dem arabischen TV-Sender Al-Dschasira am Freitag: „Wir waren bereit, uns mit drei Vorschlägen zum Austausch (von Geiseln und Gefangenen) zu befassen, aber die Besatzung (damit ist Israel gemeint) lehnte sie ab.“ Israel habe sich stattdessen darauf vorbereitet, die Angriffe im Gazastreifen fortzusetzen.

„Wir standen bis heute Morgen mit den Vermittlern in Kontakt, aber die Gespräche über eine Feuerpause endeten, als die Bombenangriffe anfingen“, so der Hamas-Funktionär.

Al-Haja warf Israel vor, den Vermittlern böswillig eine Liste mit Namen übergeben zu haben, die sich „allesamt als weibliche Soldaten“ herausstellten. Israel habe sich außerdem geweigert, über den Austausch von erwachsenen palästinensischen Gefangenen gegen erwachsene Geiseln zu diskutieren. Al-Haja sagte, die Hamas habe den Vermittlern mitgeteilt, sie seien weiterhin bereit, Geiseln gegen Gefangene auszutauschen, bis ein Waffenstillstand erreicht sei.

Vermittlungen laufen dennoch weiter

Nach Informationen des US-Senders CNN gehen die Verhandlungen in Katar über eine Freilassung weiterer Geiseln dennoch weiter. US-Außenminister Antony Blinken hatte am Vortag Israels Führung mit deutlichen Worten aufgefordert, Zivilisten im Gazastreifen zu schützen.

Palästinenser suchen nach einem israelischen Luftangriff am heutigen Morgen in Trümmern eines Hauses nach Überlebenden.

© REUTERS/STAFF

Die zahlreichen Todesopfer unter der Zivilbevölkerung und die Vertreibung in einem Ausmaß, wie man sie im nördlichen Gazastreifen gesehen habe, dürfe sich im Süden nicht wiederholen, mahnte er. Es sei „zwingend erforderlich“, dass sich Israel an das humanitäre Völkerrecht und die Regeln der Kriegsführung halte, sagte Blinken.

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Berichte über schwere Kämpfe im Gazastreifen

Der arabische Fernsehsender Al-Dschasira berichtete unter Berufung auf Augenzeugen von schweren Kämpfen in der Stadt Gaza und anderen Gebieten im Norden des abgeriegelten Gazastreifens. Im Zentrum des Küstenstreifens gebe es nahe der Flüchtlingslager Nuseirat und Bureidsch zudem Panzerbeschuss, hieß es. Die BBC meldete zudem unter Berufung auf die Hamas Luftangriffe auch im Süden des Gazastreifens. Eigene Quelle hätten dies bestätigt, berichtete der britische Sender.

Die Hamas erklärte nach Wiederaufnahme der Kämpfe, die internationale Gemeinschaft, angeführt von den USA, trage die Verantwortung für „die Fortsetzung des brutalen Krieges gegen Zivilisten, Kinder und Frauen“. Das palästinensische Volk habe „das Recht, sich mit allen Mitteln zu verteidigen, und es hat das Recht, seine Freiheit und Unabhängigkeit zu erlangen, seinen palästinensischen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt zu errichten und die Besatzung (Israel) in Übereinstimmung mit internationalen und UN-Regeln vollständig aus seinem Land zu entfernen“, heißt in der Erklärung der Hamas weiter.

145
Geiseln befinden sich nach israelischen Angaben noch in der Gewalt der Hamas

Israel und die Hamas hatten unter Vermittlung Katars sowie Ägyptens und der USA vor einer Woche eine Feuerpause vereinbart, die seither zwei Mal verlängert worden war - zuletzt um einen Tag. In der Zeit wurden von der Hamas 105 Geiseln freigelassen, unter ihnen auch 14 Deutsche. Im Gegenzug setzte Israel 240 palästinensische Häftlinge auf freien Fuß. Zudem gelangten weitere Hilfsgüter in den Gazastreifen für die rund zwei Millionen palästinensischen Zivilisten. Diese sind nach Aufrufen Israels zum Großteil in den Süden des abgeriegelten Gebiets geflüchtet.

Israel müsse vor der Wiederaufnahme größerer Militäreinsätze humanitäre Pläne zum Schutz der Zivilbevölkerung vorlegen, forderte Blinken. In den Plänen sollte etwa genau festgelegt werden, in welchen Gebieten Zivilisten im südlichen und zentralen Gazastreifen sicher seien. Die Zerstörung lebenswichtiger Infrastruktur wie von Krankenhäusern, Kraftwerken und Wasserversorgungsanlagen müsse vermieden werden.

Sobald es die Bedingungen zuließen, müssten Zivilisten auch die Möglichkeit haben, wieder in den Norden des Gazastreifens zurückkehren zu können, forderte Blinken. Es dürfe keine dauerhafte Vertreibung innerhalb des Gazastreifens geben.

Die israelische Regierungssprecherin Tal Heinrich erklärte daraufhin am Freitagmorgen dem Fernsehsender CNN, man habe Blinken Pläne für sichere Zonen und mehr humanitäre Korridore vorgelegt. „Wir wollen also das Leiden der Zivilbevölkerung in Gaza lindern“, sagte sie.

Der Palästinensische Rote Halbmond hatte kurz vor Ausbruch neuer Kämpfe mitgeteilt, seit Beginn der Waffenruhe hätten 310 Lastwagen mit Hilfsgütern erfolgreich den Norden des Gazastreifens erreicht. Demnach kamen seither mehr als 1000 Lastwagen im gesamten Gebiet an. Laut Hilfsorganisationen ist das nur ein Bruchteil der benötigten humanitären Lieferungen.

Baerbock will Fortsetzung der humanitären Feuerpause

Und so forderte denn auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Freitag eine internationale Anstrengung zur Fortsetzung der Feuerpause. „In diesen Minuten müssen wir alles dafür tun, dass die humanitäre Feuerpause fortgeführt wird“, verlangte die Grünen-Politikerin am Freitag in Berlin. Nötig sei dies „sowohl für die verbleibenden Geiseln, die seit Wochen in finsteren Tunneln auf Freilassung hoffen, als auch für die notleidenden Menschen in Gaza, die dringend mehr humanitäre Hilfe benötigen“.

Außenministerin Annalena Baerbock

© dpa/Sebastian Gollnow

Das Leid sei für die Menschen in Israel wie für die Menschen in Gaza unerträglich, erklärte Baerbock zur aktuellen Lage. „Dieses Leid muss für alle endlich aufhören.“ Israel werde niemals in Sicherheit leben können, wenn der Terror nicht bekämpft werde. Zugleich könne es nur Sicherheit für Israel geben, wenn auch die Palästinenser eine Zukunftsperspektive hätten.

Der tödliche Anschlag in Ost-Jerusalem am Donnerstag und die neuen Raketen auf Israel zeigten, dass dies nur gelingen könne, „wenn der Vernichtungsterror der Hamas keine Chance mehr hat, sich neu zu formieren“, betonte Baerbock. Ohne arabische Länder ausdrücklich zu nennen, fügte sie hinzu: „Dafür müssen alle, die das Leid beider Seiten sehen und es für alle beenden wollen, darauf hinarbeiten, dass von der Hamas keine Existenzgefahr mehr für Israel ausgeht.

Das hieße selbstverständlich auch, dass Hamas die Waffen niederlegen muss.“ Nur so könne sich auch ein politischer Horizont für eine Zweistaatenlösung öffnen, „so unrealistisch das gerade heute Morgen auch erscheinen mag“. Künftige Verhandlungen mit der Hamas könnten schwieriger werden

Israel hält am Ziel der Hamas-Zerstörung fest

Derweil bekräftigte die israelische Regierung das Ziel, die Hamas zu zerstören. „Wir sind auf die nächste Phase der Operation vorbereitet“, so Heinrich. „Die israelische Regierung ist entschlossen, die Ziele des Krieges zu erreichen: Die Geiseln freizulassen, die Hamas zu eliminieren und sicherzustellen, dass der Gazastreifen nie wieder eine Bedrohung für die Bewohner Israels darstellt“, erklärte Netanjahus Büro am Freitagmorgen weiter.

Israel vermutet, dass sich noch rund 145 Geiseln in Gaza befinden. Darunter sollen sich allerdings nur noch 15 Frauen und Kindern befinden. Deshalb war es fraglich, wie lange das bisherige Prozedere, bei der Frauen und Kinder im Gegenzug für eine Verlängerung der Feuerpause freikommen, fortgesetzt werden kann.

Verhandlungen über eine erneute Feuerpause könnten dadurch erschwert werden, dass die Hamas fortan einen höheren Preis für viele der verbleibenden Geiseln fordern könnte. Nach früheren Zahlen müssten noch etwa sechs Geiseln mit deutschem Pass in Gaza sein. Katar kann laut Außenamtssprecher Madschid Al-Ansari vom Dienstag die genaue Zahl der verbliebenen Geiseln nicht bestätigen. Ursprünglich waren laut israelischen Angaben rund 240 Geiseln verschleppt worden. (dpa)

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