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Israelis und Amerikaner am 7.  März bei einer Demonstration gegen die Justizreform vor der US-Botschaft in Tel Aviv.

© AFP/JACK GUEZ

Stresstest für den treuesten Verbündeten: In den USA wächst die Kritik an Israels Justizreform

Jüdische Organisationen in den Vereinigten Staaten sehen die geplante Reform der Netanjahu-Regierung zunehmend kritisch. Die meisten amerikanischen Juden haben eher liberale Einstellungen.

Für Michael Bloomberg war es ein ungewöhnlicher Schritt. Der ehemalige Bürgermeister New Yorks, der 2020 auch mal als Präsidentschaftsbewerber antrat, schrieb vor wenigen Tagen einen Meinungsbeitrag in der „New York Times“, der es in sich hatte.

Bloomberg, selbst Jude, warf der Regierung von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu darin vor, die Axt an die Unabhängigkeit der Justiz zu legen. Mit der geplanten Justizreform riskiere Israel eine Katastrophe, schreibt er.

Was die Regierung Netanjahu plant, treibt seit Wochen Zehntausende Israelis auf die Straße – und stößt auch international auf Kritik. Unter anderem soll es dem Parlament künftig möglich sein, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Außerdem sollen Politiker bei der Ernennung von Richtern mehr Einfluss erhalten.

Die Regierung rechtfertigt die Reform mit dem angeblich so großen politischen Einfluss der Richter. Kritiker fürchten indes um das Prinzip der Gewaltenteilung.

Der US-Botschafter in Israel, Thomas Nides, forderte Netanjahu öffentlich auf, diese Reform noch einmal zu überdenken – und wurde dafür umgehend kritisiert. Er solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, die Demokratie in Israel gehe ihn nichts an, wetterte das israelische Kabinettsmitglied Amichai Chikli. Nides‘ Antwort zeigt indes ein Dilemma: Er glaube nicht, so Nides, dass die Mehrheit der Israelis wolle, dass sich Amerika aus ihren Angelegenheiten heraushalte.

Die Amerikaner gelten generell als wichtigster Verbündeter des jüdischen Staates. Seit Jahren unterstützen sie Israel mit finanziellen und militärischen Mitteln in Milliardenhöhe. Im UN-Sicherheitsrat nutzen die USA regelmäßig ihr Veto-Recht, wenn Israel etwa wegen Auseinandersetzungen mit den Palästinensern verurteilt werden soll.

Die jüdischen Organisationen in den USA sind einflussreich – aber sie sind auch sehr divers. Und so gehen auch die Meinungen in den Vereinigten Staaten über das Vorgehen der israelischen Regierung stark auseinander. Für viele linksliberale jüdisch-amerikanische Organisationen stellt die rechts-religiöse Regierung in Jerusalem gerade ihre Solidarität infrage.

Anfang Januar protestierten rund 100 Menschen vor der israelischen Botschaft in Washington gegen die neue Regierung. Zu der Demonstration aufgerufen hatte die Organisation Americans for Peace Now (APN).

Organisationen wie J Street, nach eigener Aussage Amerikaner, die sich für Israel, Frieden und die Demokratie einsetzen, fürchten um die Zukunft Israels als „demokratische Heimat des jüdischen Volkes“ – und um die Beziehungen zwischen den USA und Israel.

Das Verhältnis ist auch deshalb schwieriger geworden, weil die Demokratische Partei in den USA nach links gerückt ist. Das setzt die Regierung von US-Präsident Joe Biden unter Druck. Prominente Linke im Kongress wie die Abgeordnete Ilhan Omar oder Senator Bernie Sanders kritisieren Israel regelmäßig wegen seines Umgangs mit den Palästinensern, dem Vorgehen der Siedler – und nun auch wegen der Justizreform.

Biden selbst hat sich bisher kaum zu den Plänen geäußert. Aber als er es tat, hallte dies nach. Auf eine entsprechende Frage des „New York Times“-Kolumnisten Thomas L. Friedman erklärte er, für jede grundlegende Veränderung sei ein Konsens erforderlich, um nachhaltig zu sein. „Das Geniale an der amerikanischen und der israelischen Demokratie ist, dass sie beide auf starken Institutionen, auf Kontrolle und Ausgewogenheit und auf einer unabhängigen Justiz beruhen“, sagte er.

Friedman interpretierte dies als „klare Ansage“. Damit habe sich erstmals ein US-Präsident in eine interne Debatte in Israel eingemischt, in der es um etwas so Grundlegendes wie den Zustand der Demokratie des Landes gehe.

Die meisten jüdischen Amerikaner vertreten liberale Positionen, etwa 70 Prozent neigen der Demokratischen Partei zu. Nur rund zehn Prozent sind orthodox, sie sind deutlich konservativer eingestellt und stehen zu drei Vierteln der Republikanischen Partei nahe.

Eine weit nach rechts gerückte Regierung in Israel, der auch extreme Politiker wie der Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, angehören, stellt da ein Problem dar. Ben-Gvir forderte unter anderem ein hartes Vorgehen gegen Demonstranten in Israel.

Besonders schwierig ist es für betont überparteiliche Organisationen in der Mitte, die Balance zu halten. So gratulierte das American Jewish Committee (AJC) Netanjahu zur Bildung einer Koalition mit den Worten: „Wir vertrauen darauf, dass Israel auch weiterhin die Werte hochhält, die es uns erlaubt haben, im Nahen Osten als Hort der Freiheit herauszustechen.“

Das American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) äußerte sich ähnlich und erklärte mahnend: „Einmal mehr hat der jüdische Staat bewiesen, dass er eine widerstandsfähige Demokratie ist mit den Freiheitsrechten, die Amerikaner so schätzen.“ Stehen diese Freiheitsrechte infrage, so der Umkehrschluss, gefährdet das auch die Unterstützung Israels in den USA.

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