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Zeichen auf der Autobahn zwischen Mariupol und Berdjansk.

© action press/Ягодкин Дмитрий

Ukraine-Invasion Tag 519 : „Wenn es so weiter geht, sind wir bald in Mariupol“

Putin empfängt afrikanische Politiker, Russland erlässt Haftbefehl gegen Richterin des Internationalen Strafgerichtshofs, Rotes Kreuz kürzt Mittel für die Ukraine. Der Überblick am Abend.

We agree to disagree – so könnte man den aktuellen Blick auf die ukrainische Gegenoffensive beschreiben. Am Mittwochabend erregte ein Artikel der „New York Times“ international Aufmerksamkeit (hier), in denen zwei Beamte aus dem US-Verteidigungsministerium erklärten, dass die zentrale Phase der ukrainischen Gegenoffensive nun begonnen habe.

Und auch die Experten des US-Thinktanks „Institute for the Study of War“ (ISW) konstatieren: „Die ukrainischen Streitkräfte starteten am 26. Juli eine bedeutende Gegenoffensive im westlichen Oblast Saporischschja und scheinen vorbereitete russische Verteidigungsstellungen südlich von Orichiw durchbrochen zu haben.“ 

Gesichert ist Stand Donnerstagnachmittag: Bei den Kämpfen in der Südukraine konnten Kiews Soldaten wohl mindestens ein strategisch wichtiges Dorf erobern (Staromajorske) und ein anderes weiter westlich zu großen Teilen umzingeln und umgehen (Roboytne). Ein ukrainischer Soldat erklärte gegenüber dem britischen Reporter Maxim Tucker, der für die „Times“ arbeitet, im Hinblick auf die aktuellen Fortschritte: „Wenn es weiter so geht, sind wir bald in Mariupol.“

Tatsächlich? Dazu muss man wissen, dass die von Russland vergangenes Jahr nach monatelangen erbitterten Kämpfen eroberte Stadt Mariupol von der aktuellen Frontlinie rund 100 Kilometer entfernt ist. Die Geländegewinne der Ukraine beschränkten sich in den acht Wochen der Gegenoffensive teilweise auf wenige hundert Meter pro Tag. 

Experten wie der Militäranalyst Konrad Muzyka warnen deshalb vor Euphorie. Er war gerade mit anderen Experten in der Ukraine und konnte dort mit hochrangigen Militärs und Regierungsmitgliedern sprechen. Er sieht zahlreiche Probleme im ukrainischen Militär – und eine vergleichsweise gute Verteidigung der Russen.

Muzykas Einschätzung: „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir einen entscheidenden Durchbruch der Ukrainer sehen, ist minimal. Die Kämpfe, die wir in den vergangenen Wochen gesehen haben, werden so auch in den nächsten Monaten weitergehen.“ Wenn es im aktuellen Tempo weitergehe, dann würden die ukrainischen Soldaten die erste Defensivlinie der Russen erst im Herbst erreichen. Und dann beginnt die Matschsaison, die jede größere Offensive mit schwerem Gerät zunichtemacht. Damit wäre die Ukraine mit ihrem Ziel gescheitert, noch in diesem Jahr bedeutende Gebiete im Süden zurückzuerobern. 

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Einschätzung von US-Beamten: Am Mittwoch hat die zentrale Phase der ukrainischen Gegenoffensive begonnen. Tausende ukrainische Soldaten, die bisher in Reserve gehalten wurden, kämpfen nun im Süden des Landes. Minenfelder erschweren jedoch den Durchbruch für Kiews Truppen. Mehr hier.
  • Derzeit verbreitet sich ein Video in den sozialen Netzwerken, das laut russischen Medien aus Deutschland stammen soll. Recherchen zeigen, dass Moskau der Urheber des kruden Streifens ist. Mehr hier.
  • USA und Russland führen wohl Geheimgespräche über Kriegsende: Wie die „Moscow Times“ berichtet, haben die USA und Russland ein Gesprächsformat eingerichtet. Einer der Teilnehmer äußerte sich jetzt gegenüber der Zeitung. Mehr hier.
  • Sportpolitischer Eklat in Mailand: Die ukrainische Fecht-Olympiasiegerin Olha Charlan tritt gegen eine Russin an und gewinnt. Dennoch ist sie bei der WM raus – wegen „unsportlichen Verhaltens“. Mehr hier. 
  • Kremlchef Wladimir Putin hat zum Auftakt des zweiten russischen Afrika-Gipfels in St. Petersburg den Vertretern des Kontinents verlässliche Lebensmittellieferungen zugesichert. „Russland bleibt ein zuverlässiger Lieferant von Nahrung für Afrika“, sagte Putin am Donnerstag bei einer teils im Staatsfernsehen übertragenen Sitzung mit Vertretern der Afrikanischen Union (AU). Bei dem Treffen beklagte der Vorsitzende der AU-Kommission, Moussa Faki Mahamat, dass der Krieg zwischen Russland und der Ukraine die Lebensmittelkrise teilweise verstärke. „Afrika leidet darunter“, sagte er laut russischer Übersetzung. Mehr in unserem Liveblog.
  • Auch der Söldnerchef Jewgeni Prigoschin zeigte sich einen Monat nach seinem kurzen Aufstand gegen die Moskauer Militärführung nach russischen Angaben am Rande des Afrika-Gipfels.
  • Als Reaktion auf den Haftbefehl gegen Präsident Wladimir Putin hat Russland die Richterin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Tomoko Akane, auf seine Fahndungsliste gesetzt. Das berichteten russische Staatsmedien am Donnerstag unter Berufung auf die aktuelle Fahndungsliste des Innenministeriums. Gegen welches russische Strafgesetz Akane konkret verstoßen haben soll, wurde nicht bekannt gegeben.
  • Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hat die Festnahme eines Matrosen bekannt gegeben, der einen Terroranschlag auf ein Kriegsschiff der Schwarzmeerflotte geplant habe. Der Verdächtige sei „von einem ukrainischen Geheimdienst angeworben“ und mit zwei selbst gebauten Bomben gefasst worden, heißt es in einer Erklärung.
  • Das ukrainische Sportministerium hat seinen Athleten erlaubt, bei Wettbewerben mit russischer und belarussischer Beteiligung anzutreten. Russen und Belarussen dürfen dabei jedoch nur als neutrale Einzelstarter teilnehmen, wie es einer in der Nacht zum Donnerstag veröffentlichten Anordnung des Ministeriums hieß. Ukrainischen Sportlern bleibt es weiterhin untersagt, bei Wettkämpfen zu starten, bei denen Russen und Belarussen ihre Landesflaggen und Nationalsymbolik verwenden.
  • Die russischen Streitkräfte haben nach ukrainischen Angaben in der Nacht zu Donnerstag erneut Hafenanlagen in der Region Odessa beschossen. Es seien Raketen auf die Anlagen abgefeuert worden, teilte Oleh Kiper, der Gouverneur der im Süden der Ukraine gelegenen Region, mit. Ein Wachmann sei getötet worden. Zudem sei ein Frachtterminal beschädigt worden.
  • Die Dachorganisation des Roten Kreuzes kürzt die Mittel für die humanitäre Hilfe in der Ukraine. Der genaue Umfang stehe noch nicht fest, sagte der Sprecher des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK), Achille Després, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Wahrscheinlich trifft die Kürzung bereits unser Budget von 2023.“ Als Grund nennt er die schwierige finanzielle Situation des IKRK auf globaler Ebene. 
  • Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un hat sich mit dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu über militärische Fragen ausgetauscht. Das meldete Nordkoreas staatlicher Auslandssender Voice of Korea am Donnerstag. Kim und Schoigu hätten sich am Vortag in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang über „Angelegenheiten von gegenseitigem Interesse im Bereich der nationalen Verteidigung und Sicherheit sowie über das regionale und internationale Sicherheitsumfeld“ verständigt, hieß es.

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