zum Hauptinhalt
Joe Biden (r), Präsident der USA mit Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine.

© dpa/AP/Ukrainian Presidential Press Office/Uncredited

Ukraine-Politik der USA: Wird die Hilfe für Kiew schon im Sommer knapp?

Die USA sind der größte Unterstützer der Ukraine. Doch im Kongress spielt sich derzeit ein Machtkampf um die Schuldenobergrenze ab. Was bedeutet das für weitere Hilfspakete?

„Ihr Geld ist keine Wohltätigkeit. Es ist eine Investition in weltweite Sicherheit und Demokratie, mit der wir in höchst verantwortlicher Art und Weise umgehen werden“ – mit diesen Worten versuchte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seinem Besuch in Washington Ende Dezember vor dem US-Kongress zu verdeutlichen, dass sich die Amerikaner mit ihrer Unterstützung von Kiew auch selbst helfen. 

Wie viel sie bereit sind zu geben, war zu diesem Zeitpunkt nicht klar. Denn vor allem in den Reihen des rechtspopulistischen Flügels der Republikaner gibt es Kritik an den milliardenschweren Hilfen für die Ukraine.

Es wurden dann doch 45 Milliarden US-Dollar, die der Kongress im Dezember billigte. Die USA schickten Millionen von Artilleriegranaten, finanzierten Panzer und lieferten gepanzerte Fahrzeuge und moderne Luftabwehrsysteme an das ukrainische Militär. Davon sind noch etwa sechs Milliarden Dollar übrig, schreibt das Nachrichtenmagazin „Politico“. Und stellt die Frage, ob die US-Mittel für Waffen und Nachschub bis zum Hochsommer versiegen könnten.

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, spricht vor einer überreichten ukrainischen Flagge im US-Kongress.

© dpa/Jacquelyn Martin

„Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Regierung die Ukraine rechtzeitig mit dem versorgt, was sie braucht, um ihr souveränes Territorium zu verteidigen und zurückzuerobern“, wird die republikanische Senatorin Susan Collins zitiert. Sie spricht sich wie viele andere dafür aus, dass die Ukraine ohne Unterbrechung finanzielle Unterstützung bekommt, um ihre Gegenoffensive und die Rückeroberung besetzter Gebiete fortzuführen.

Seit Beginn des Krieges haben die Biden-Administration und der US-Kongress mehr als 75 Milliarden US-Dollar an Hilfe für die Ukraine bereitgestellt. Davon sind nach Angaben der US-Denkfabrik „Council on Foreign Relations“ 46,6 Milliarden US-Dollar rein fürs Militär gedacht: 18,3 Milliarden für Sicherheit, 23,5 Milliarden für Waffen und Ausrüstung; Zuschüsse und Darlehen für Waffen und Ausrüstung machen 4,7 Milliarden aus.

Doch in Sachen Finanzplanung bestimmt die Ukraine derzeit nicht das Tagesgeschäft im Kongress. Dort gilt es, eine Finanzkrise abzuwenden, Republikaner und Demokraten liefern sich dabei einen Machtkampf. Sollte sich das Parlament nicht auf eine Erhöhung der Schuldenobergrenze einigen, droht ein Zahlungsausfall. US-Präsident Joe Biden ist bei der Anhebung auf die Republikaner angewiesen.

Resolution zur „Ukraine-Müdigkeit“

Sie weigern sich aber und fordern massive Einsparungen an anderer Stelle, etwa im Sozialbereich. Auch sonst hat sich in ihren Reihen eine kleine, aber lautstarke Gruppe formiert, die auch massiv gegen die Unterstützung der Ukraine auftreten. Elf Republikaner haben zuletzt eine Resolution zur „Ukraine-Müdigkeit“ eingereicht. Sie forderten ein Ende der Hilfen, da sie die Ausgaben als Verschwendung ansehen und finden, dass das Geld besser innerhalb der USA verwendet werden sollte.

Expertinnen und Experten wie Majda Ruge von der Denkfabrik European Council of Foreign Relations (ECFR) halten diese kleine, aber radikale Gruppe für sehr mächtig: „Sie haben durch die ‚Macht des Geldbeutels’ einen erheblichen Einfluss, wie sich gerade in der Debatte um die Schuldenobergrenze zeigt.“ Und das werde sich auch zeigen, wenn die Regierung das nächste Hilfspaket für die Ukraine vorlegt.

Rund 60 Republikaner im Repräsentantenhaus haben sich im vergangenen Jahr gegen das Paket ausgesprochen. Obwohl die Mehrheit der GOP-Mitglieder des Repräsentantenhauses die Fortsetzung der Hilfe für die Ukraine unterstützt, kann diese Minderheit ihre Präferenzen durch die Drohung durchsetzen, das Verfahren zur Absetzung des Sprechers Kevin McCarthy einzuleiten. 

Kevin McCarthy, Sprecher des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten.

© Imago/Rod Lamkey

Der Republikaner Kevin McCarthy ist Sprecher des Repräsentantenhauses und wurde erst im 15. Wahlgang gewählt, da sich die Hardliner seiner Partei gegen ihn gestellt hatten. Und sie könnten es wieder tun, glaubt auch der Politologe Marco Overhaus, Mitglied der Forschungsgruppe Amerika bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP).

„Sie können jederzeit die Machtfrage stellen und den Speaker, Kevin McCarthy, stürzen. Das haben sie sich ausgehandelt, als es um seine Wahl ging. Das ist ein starker Hebel innerhalb der republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus. Die Frage ist, ob und wann sie diese Machtkarte spielen wollen.“

Und diese Frage stellt sich bereits in den kommenden Tagen. Denn bis zum 1. Juni muss der Kongress die Schuldenobergrenze für die Regierung anheben. Bei den Ukraine-Hilfen dagegen bleibt noch etwas mehr Zeit. Nach Einschätzung der Biden-Administration reichen die bereits bewilligten Gelder für die Ukraine noch bis September, wenn das Haushaltsjahr endet. Unklar ist derzeit noch, ob das nächste Ukraine-Hilfspaket über eine zusätzliche „Not“-Gesetzgebung kommt oder im Zuge eines regulären Haushaltsverfahrens. 

Joe Biden hat sich weit aus dem Fenster gelehnt und der Ukraine volle Unterstützung „so lange wie nötig“ versprochen – aber die könnte geringer ausfallen als zuvor.

Marco Overhaus, Mitglied der Forschungsgruppe Amerika bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP)

So oder so könnten, die Republikaner vom rechten Rand McCarthy und den Rest der Fraktion dann erneut unter Druck setzen. Overhaus geht jedoch davon aus, dass es ein weiteres Hilfspaket geben wird: „Joe Biden hat sich weit aus dem Fenster gelehnt und der Ukraine volle Unterstützung ‚so lange wie nötig‘ versprochen – aber die könnte geringer ausfallen als zuvor.“ 

Druck auf Europa wird zunehmen

In der Konsequenz rückt dadurch Europa wieder mehr in den Fokus, sagt der Experte. „Der Druck auf Europa, auch bei den Ukraine-Hilfen für eine ausgewogene Lastenteilung zu sorgen, ist schon länger da – und wird in Zukunft mehr zu als abnehmen.“

Ähnlich sieht es auch Majda Ruge, Expertin von der Denkfabrik European Council of Foreign Relations (ECFR): „Die Europäer werden mehr beitragen müssen.“

Indessen soll das Weiße Haus schon ein neues Paket erörtern, schreibt „Politico“. Es wird zeitlich so abgestimmt sein, dass die Unterstützung für die Ukraine nicht abreißt, sagte ein hochrangiger Regierungsbeamter, der anonym bleiben wollte.

Der Beamte fügte hinzu, dass es unklar sei, wie sich die Bedürfnisse der Ukraine während oder nach der Gegenoffensive ändern könnten, aber dass die Regierung „voll und ganz“ entschlossen sei, Kiew während und nach dem Kampf „auf lange Sicht“ zu unterstützen.

Abgeordnete, die das Nachrichtenmagazin befragte, konnte allerdings keine Auskunft darüber geben, wann genau die Militärhilfe für die Ukraine auslaufen würde und wie groß das nächste Paket sein könnte.

Anfang Mai meldeten Nachrichtenagenturen, dass die USA wohl 300 Millionen US-Dollar schicken wollen. Die Lieferung soll unter anderem große Mengen an Artilleriegeschossen sowie Haubitzen, Luft-Boden-Raketen und Munition beinhalten. Offiziell angekündigt wurden sie noch nicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false