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Israel hat sich mit der Justizreform falsch entschieden.

© Reuters/Amir Cohen

Umstrittene Justizreform in Israel: Netanjahu stellt die Erhaltung seiner Macht über alles

Gegen die Stimmen von Experten und der Mehrheit der Bevölkerung hat sich die Regierung Israels für die viel kritisierte Justizreform entschieden. Israels Feinde dürften die Nachrichten mit Vergnügen verfolgen.

Ein Kommentar von Mareike Enghusen

Israels Regierung hat sich entschieden. Gegen jene Mehrheit der Bevölkerung, die eine Verabschiedung der Justizreform ohne breiten Konsens ablehnt. Gegen die Start-ups, die Israel so viel Wohlstand geschenkt haben und nun überlegen, das Land zu verlassen. Gegen die Finanzexperten, die vor dem Vertrauensverlust der Investoren und der Schwächung des Schekels warnen. Gegen die US-Regierung, Israels wichtigsten strategischen Verbündeten. Und gegen die nationale Sicherheit.

Die Liste der hoch- und höchstrangigen ehemaligen Vertreter der Sicherheitskräfte, die einen Stopp der Gesetzgebung fordern, ist beeindruckend lang und politisch unverdächtig. Auch Rechte und Vertraute des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu finden sich darunter, wie der frühere Mossad-Chef Yossi Cohen.

Es geht nicht einmal mehr um die Frage, ob Justizreformen nötig sind oder in welcher Form. Selbst viele jener Menschen, die das Oberste Gericht für übergriffig halten, lehnen die Brechstangenmethode ab, mit der die Regierung nun das erste Element der Reform gegen massivste Proteste knapp vor der Sommerpause durchs Parlament gedrückt hat.

40
Milliarden US-Dollar hat der Streit um die Justizreform bisher gekostet

Schon jetzt hat allein der Streit um das Reformpaket den Staat laut Expertenschätzungen über 40 Milliarden US-Dollar gekostet. Die Verwerfungen, die die Krise in der Armee ausgelöst hat, lassen sich schwerer beziffern, könnten sich jedoch noch dramatischer auswirken. Israels Feinde dürften die Nachrichten in diesen Tagen mit Vergnügen verfolgen. Netanjahu und seine Verbündeten müssen sich all dessen bewusst sein.

Und in vollem Bewusstsein entscheiden sie sich für den eigenen Machterhalt zu jedem Preis. Nichts zeigt dies so deutlich wie jener Satz Netanjahus, den er vor Vertrauten ausgesprochen haben soll und demzufolge das Fortbestehen seiner Regierung wichtiger sei als das Erscheinen Tausender Reservisten zu ihrem Dienst.

Einer der radikalsten Minister dieser radikalen Regierung, Yitzhak Wasserlauf von der rechtsextremen „Jüdischen Stärke“, wirbt seit einer Weile für ein Gesetz, das Zionismus zum „leitenden Prinzip“ für politische Entschlüsse machen würde. Kritiker halten den Vorschlag für einen Freischein zur Diskriminierung nichtjüdischer Bürger.

Doch gäbe es ein solches Gesetz bereits und würde es konsequent angewandt, hätte es die heutige Entscheidung in der Knesset verhindern müssen. Denn die Justizreform voranzutreiben im vollen Wissen um die Schäden, die diese dem Staat Israel zufügt, ist ein zutiefst unzionistischer Akt.

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