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Ein Selfie von Issam Abdallah an dem Ort an der libanesisch-israelischen Grenze, wo er später getötet wurde.

© REUTERS/Issam Abdallah

UN-Untersuchung zu Tod von Journalist in Libanon: Video-Journalist wurde durch israelischen Beschuss getötet

Am 13. Oktober war eine Journalistengruppe in Libanon beschossen worden. Ein Reuters-Mitarbeiter starb. Laut UN-Blauhelmen gab es zum Todeszeitpunkt keine Gefechte.

Der Beschuss aus einem israelischen Panzer hat am 13. Oktober in Libanon den Reuters-Journalisten Issam Abdallah getötet und sechs weitere Medienvertreter verwundet. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der UN-Beobachtertruppe Unifil in Südlibanon.

In dem Bericht, der von der Nachrichtenagentur Reuters und der britischen Tageszeitung Guardian eingesehen wurde, heißt es, die Journalisten seien „eindeutig als Medienvertreter“ gekennzeichnet gewesen.

In den 40 Minuten vor dem Beschuss der Journalisten hätten die Unifil-Soldaten keine anderen Schusswechsel in der Region an der Demarkationslinie zwischen Israel und Libanon registriert.

Panzer war 1,3 Kilometer entfernt

Die sieben Journalisten von Agence-France Presse, Al-Jazeera und Reuters waren bei zwei Beschüssen aus einem 1,3 Kilometer entfernten israelischen Panzer getötet und verletzt worden. Das hatte eine frühere Untersuchung von Reuters ergeben.

Ein Bild der Video-Journalisten, wie sie am 13. Oktober Beschuss an der libanesisch-israelischen Grenze beobachten.

© REUTERS/Issam Abdallah

Sie standen auf einem Hügel bei dem Dorf Almaa es-Schaab wo sie zum Zeitpunkt des Beschusses bereits über eine Stunde gearbeitet hatten. Sie filmten an dem Tag aus der Ferne Schusswechsel zwischen Israel und Hizbollah.

Laut Reportern ohne Grenzen tötete der erste Beschuss den 37-jährigen Reuters-Journalisten und verwundete die AFP-Korrespondentin Christina Assi. Der zweite Beschuss traf den weißen Toyota von Al-Jazeera und verletzt die umstehenden Journalisten.

Das ausgebrannte Auto der Journalisten auf dem Hügel beim libanesischen Dorf Alma as-Schaab, wo der libanesische Video-Journalist Issam Abdallah getötet wurde.

© REUTERS/MAYA GEBEILY

In dem siebenseitigen Dokument, für das auch Soldaten der libanesischen Armee und Augenzeugen vernommen wurden, hieß es, „die Gründe für den Beschuss der Journalisten sind unbekannt“. Und: „Der Beschuss von Zivilisten, in diesem Fall klar zu identifizierende Journalisten, ist eine Verletzung internationalen Rechts und der UN-Sicherheitsratsresolution 1701“, heißt es weiter.

Es ist Teil der Aufgaben der U-Beobachtungstruppen an der Grenze, Verletzungen des Waffenstillstandes zu dokumentieren und schwere Fälle aufzuklären.

Erik Kroon von der niederländischen, Organisation für Angewandte Wissenschaft (TNO) zeigt auf einer Karte den Standort der israelischen Panzer. Kroon hatte für Reuters eine Untersuchung zu den Umständen des Todes ihres Mitarbeiters durchgeführt.

© REUTERS/EMILIE MADI

Die Chefredakteurin der Nachrichtenagentur Reuters, Alessandra Galloni, hat Israel aufgefordert zu klären, wie es zu dem Angriff kommen konnte, der den 37-jährigen Videojournalisten tötete.

Zu dem Unifil-Bericht befragt, sagte der Sprecher der israelischen Armee, Nir Dinar, Israel habe am 13. Oktober auf Beschuss der Hisbollah aus Libanon mit Artillerie und Panzerbeschuss reagiert und um eine Bedrohung abzuwehren. Später habe man die Information erhalten, dass Journalisten verletzt worden seien. Man werde den Zwischenfall weiter untersuchen.

95
Journalisten und Medienleute sind seit dem 7. Oktober, zumeist in Gaza, getötet worden.

Nach vorläufigen Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) sind seit dem 7. Oktober 95 Journalisten und Medienleute getötet worden, 90 Palästinenser, zwei Israelis und drei Libanesen. 16 Journalisten wurden verletzt, vier werden vermisst. 25 wurden festgenommen.

Der Fall der TV-Reporterin Abu Akleh

Weltweites Entsetzen hatte im Mai 2022 die Tötung der bekannten Al-Jazeera-Journalistin Shireen Abu Akleh ausgelöst. Sie war während einer israelischen Militäroperation in Jenin im Westjordanland erschossen worden.

Die Fernsehreporterin Shireen Abu Akleh des katarischen Senders Al-Jazeera war in der gesamten arabischen Welt bekannt.

© AFP/-

Eine CNN-Untersuchung anhand von Videos, Augenzeugenberichten und Waffenexperten hatte ergeben, dass zum Zeitpunkt des Schusses auf die Journalistin keine aktiven Kämpfe im Gange und keine militanten Palästinenser in ihrer Nähe waren, auf welche die israelische Armee möglicherweise gezielt hätte. Die Untersuchung kam zu dem Schluss, dass die israelische Armee die Journalistin erschossen haben muss.

Auf dem Weg zum Begräbnis Abu Aklehs auf dem christlich-orthodoxen Friedhof neben der Altstadt von Jerusalem kam es zu Auseinandersetzungen mit israelischen Sicherheitskräften.

© REUTERS/AMMAR AWAD

Zunächst wies die israelische Armee alle Vorwürfe, sie hätte die Frau erschossen, zurück. Im September räumte sie ein, dass es eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ gebe, dass ein israelischer Soldat die deutlich als Journalistin erkennbare Frau „versehentlich“ erschossen habe.

Ungewöhnliche Entschuldigung im US-Fernsehen

Im Mai 2023 schließlich entschuldigte sich ein Armeesprecher in einem Interview im US-Fernsehen für den Tod der 51-Jährigen, was außergewöhnlich war. Abu Akleh war Palästinenserin, besaß aber auch die US-Staatsbürgerschaft und war in der Region und international für ihre Berichterstattung aus den Palästinensergebieten bekannt. Konsequenzen für den Soldaten, der die Schüsse abfeuerte, gab es nicht.

Das Komitee zum Schutz von Journalisten hatte damals in einem Bericht über die Tötung von mindestens 20 Journalisten, davon 18 Palästinenser, durch Israels Armee seit 2001 kritisiert, dass dafür nie jemand angeklagt oder verantwortlich gemacht wurde.

In dem Bericht mit dem Titel „Tödliche Muster“ wurde zudem problematisiert, dass Untersuchungen, wenn sie stattfinden, oft Monate und Jahre dauern und gerade palästinensische Familien kaum rechtliche Mittel in Israel hätten. Auch würden die Untersuchungen nie öffentlich gemacht.

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