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Marschbefehl: Polnische Soldaten der 12. und 17. Mechanisierten Brigade sammeln sich vor ihrem Weg an die Grenze zu Belarus.

© REUTERS/12 BRYGADA ZMECHANIZOWANA

Wagner in Belarus: Polen schickt tausend Soldaten an die Grenze

Warschau will einer möglichen „Destabilisierung“ durch das Nachbarland, einen Satelliten Russlands, vorbeugen. Dabei könnte es nicht nur um Schutz vor Prigoschins Truppe gehen.

Der Nato-Mitgliedstaat Polen hat mit der Verlegung von mehr als 1000 zusätzlichen Soldaten und fast 200 Militärfahrzeugen in seine östliche Grenzregion zu Belarus begonnen. Das teilte Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak nach Angaben der Agentur PAP am Samstag mit. Mit der „Operation Podlachien“ wolle Polen seine Bereitschaft demonstrieren, auf „Destabilisierungsversuche“ an den Grenzen zu reagieren.

Die historische Landschaft Podlachien stößt im Osten an die mit Russland verbündete Ex-Sowjetrepublik. Erst vor kurzem hatten die Staatspräsidenten von Litauen, Polen und Lettland in einem gemeinsamen Schreiben an die Nato ihre Besorgnis über die Entwicklungen im benachbarten Belarus zum Ausdruck gebracht.

Hintergrund sind die Stationierung russischer taktischer Atomwaffen sowie die mögliche Unterbringung von Kämpfern der Söldnertruppe Wagner in dem von Präsident Alexander Lukaschenko autokratisch regierten Land.

Heusgen: Polens Entscheidung nachvollziehbar

So sieht dies auch der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen: „Polen reagiert mit dieser Entscheidung auf die angekündigte Verlegung der Wagner-Söldner in das benachbarte Belarus“, sagte er dem Tagesspiegel. „Wie unberechenbar diese Truppe ist, hat die Weltöffentlichkeit erlebt, als sie sich vor kurzem gegen Putins Regime erhob.“

Insofern sei „die polnische Entscheidung nachvollziehbar“, sagte Heusgen, der zwölf Jahre lang der außenpolitische Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel war und danach deutscher Vertreter bei den Vereinten Nationen in New York.

Sie passe „im übrigen zur Logik der neuen Nato-Strategie der Vorneverteidigung, der Bundesverteidigungsminister Pistorius mit der Verlegung einer Bundeswehrbrigade von 4000 Soldaten nach Litauen ebenfalls gefolgt ist“.

Geht es auch um Abwehr von Migration?

In internationalen Medien wird allerdings ein weiterer nicht militärischer Grund für die Verlegung von Soldaten und Material Richtung Belarus vermutet: Migration. Die rechtsnationalistische Regierung in Warschau könnte unter den nicht näher ausgeführten „Destabilisierungsversuchen“ von Lukaschenko auch eine Wiederholung der Ereignisse vom Winter 2021 fürchten.

Damals schickte der Diktator wohl gezielt und vermutlich in Absprache mit Russlands Präsident Wladimir Putin Schutzsuchende über die Grenze nach Polen, in eines der bis damals migrationsfeindlichsten Länder der EU. Die kategorische Weigerung Warschaus, sie die Grenze passieren zu lassen, führte dazu, dass viele Menschen im Niemandsland zwischen beiden Ländern ohne jede Hilfe und ausreichende Kleidung ausharren mussten. Mehrere von ihnen starben.

Wenig später, Ende Februar 2022, überfiel Russland die Ukraine. Polen nahm mit Abstand mehr geflüchtete Ukrainer:innen auf als jedes andere Land der EU. Obwohl sich die Stimmung Migration gegenüber im Land messbar gewandelt hat und Polens Wirtschaft inzwischen massiv unter dem Mangel an Arbeitskräften leidet, hält die in Warschau regierende rechtsnationale Partei PiS an ihrer abwehrenden Politik fest.

Einwanderungsreferendum am Wahltag möglich

Eine Ausnahme machte sie kürzlich mit einem Gesetzentwurf, der Arbeitsmigration aus Indien, Pakistan, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Nigeria erleichtert hätte. Sie zog ihn aber rasch zurück, nachdem Oppositionsführer Donald Tusk sich über diese Widersprüche lustig gemacht hatte – in einem Video, das von Migrantengruppen in Polen seinerseits als feindselig kritisiert wurde.

Im Herbst wählt Polen ein neues Parlament, PiS plant aktuell, ein Referendum über Einwanderungspolitik abzuhalten und den Termin auf den Wahltag zu legen.

In einer Resolution hat sich die Mehrheit des polnischen Parlaments vor kurzem auch gegen den neuen EU-Migrationspakt gewandt. Er enthält neben drastischen Verschärfungen und Abwehr die Regel, dass Schutzsuchende in der EU besser verteilt werden sollen. Länder, die nicht die vorgesehene Zahl von Menschen aufnehmen, sollen demnach 20.000 Euro pro Kopf zahlen. (mit dpa)

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