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Iskander-Raketen fahren über den Roten Platz in Moskau. Sprengköpfe für diese Waffen sind seit fast 30 Jahren nicht getestet worden.

© Foto: dpa/Host Photo Agency

Zurück in die nukleare Konfrontation: Russland macht Weg für Atomwaffentests frei

Der Teststopp-Vertrag ist eine der letzten Säulen der Rüstungskontrolle aus Zeiten des Kalten Krieges. Die Duma annulliert jetzt die russische Ratifizierung.

Während westliche Politiker und die Öffentlichkeit mit zunehmender Sorge auf die Entwicklungen im Nahen Osten schauen, zerstört Russland einen weiteren Pfeiler der west-östlichen Sicherheitsarchitektur des Kalten Krieges. Am Dienstag hat die Duma, das Parlament in Moskau, die Weichen für die Wiederaufnahme russischer Atomwaffentests gestellt.

Sie leitete einen Prozess ein, mit dem sich das Land aus dem Vertrag über den Stopp solcher Versuche zurückzieht. Das weltweite Abkommen war 1996 vereinbart worden. Obwohl es offizielle und mutmaßliche Atommächte wie die USA, China, Israel, Pakistan, Indien und Nordkorea nicht ratifizierten, hielten sich seit den 90-er Jahren alle Staaten daran. Mit Ausnahme Nordkoreas.

Russlands Präsident Wladimir Putin bezeichnete den Austritt aus dem Teststopp-Abkommen noch Anfang Oktober als „theoretisch“, rechtfertigte den Schritt jedoch bereits mit dem Fehlen der Ratifizierung in den USA. Man habe jetzt „lange genug gewartet“.

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Putin-Vertraute drängen auf neue Tests

Aus Moskau kommen aber schon seit längerer Zeit verstörende Botschaften über den möglichen Einsatz taktischer Atomwaffen, die den tatsächlichen Hintergrund der jüngsten Entscheidung deutlich machen.

Der russische Abrüstungsexperte Nikolai Sokov hatte schon vor Monaten im Gespräch mit dem Tagesspiegel davor gewarnt, dass die Wiederaufnahme von Atomwaffentests die nächste Eskalationsstufe Russlands in der gegenwärtigen Ost-West-Konfrontation sein werde. Sokov, der heute im Westen lebt, hatte als junger sowjetischer Diplomat die Rüstungskontrollverträge Start-1 und Start-2 mitverhandelt.

Putin-Berater Sergej Karaganow, den schon das sowjetische Politbüro in außenpolitischen Fragen zu Konsultationen heranzog, erklärte unlängst, Russland müsse die nukleare Bedrohung verstärken. Es gehe darum, „den Willen des Westens zu brechen“, die Ukraine zu unterstützen.

Und auch Michail Kowaltschuk, der Chef des Kurtschatow-Instituts, in dem neue Atomwaffen entwickelt werden, unterstützt die Idee neuer Nukleartests. Es gebe keine ausreichenden Daten über die Zuverlässigkeit von rund 1600 Sprengköpfen, erklärte Kowaltschuk, der als enger Vertrauter Putins gilt.

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Einen Schritt zu weit ging offenbar kürzlich eine der wichtigsten Propagandistinnen des Moskauer Kriegskurses. Margarita Simonjan, die Chefredakteurin des staatlichen Medienunternehmens „Rossija Sewodnja“, deutete in einer ihrer Sendung an, man könne doch eine Atombombe in 100 Kilometern Höhe über Sibirien zünden.

Als sich daraufhin in den sozialen Netzwerken ein Shitstorm erhob, fühlte sich Kreml-Sprecher Dmitri Peskow zu einer Distanzierung genötigt. Es sei doch bekannt, ließ er verlauten, dass Simonjan keine offizielle Funktion im politischen Apparat Russlands bekleide. Wenig später erklärte auch Simonjan, nie habe sie etwas von einer Atomexplosion über Sibirien gesagt.

Als Ort für russische Atomtests kommt Nowaja Semlja infrage, eine Inselgruppe in der Arktis zwischen Kara- und Barentsee. Mit einer Fläche von mehr als 90.000 Quadratkilometern ist das Testgelände etwa so groß wie die Bundesländer Bayern und Hessen zusammengenommen.

Experte: „Die Risiken sind nicht kalkulierbar“

Dort testete die Sowjetunion seit 1954 ihre Atomwaffen, der letzte Versuch fand am 24. Oktober 1990 statt. Das Gelände könnte praktisch sofort wieder in Betrieb genommen werden, denn die Anlagen werden vom Verteidigungsministerium permanent gewartet. Es braucht lediglich eine politische Entscheidung.

Putin erklärte Anfang des Monats, er habe sich noch keine abschließende Meinung gebildet. Russland werde aber nicht als Erstes wieder mit Atomtests beginnen. Doch welchen Grund könnte es noch geben, seinen Worten zu vertrauen? Bisher habe der Kreml darauf geachtet, dass seine Ankündigungen eine kritische Schwelle nicht überschreiten, sagt Sokov. So offenbar auch diesmal.

Aber „die größte Herausforderung sind die Unwägbarkeiten, mit denen der Westen umgehen muss“, warnt Sokov. „Es gibt keine objektiven Kriterien, um das Risiko und die Wahrscheinlichkeit eines Nuklearkrieges auszurechnen.“

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