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Louisa Gagliardis Bild „Rendezvous“ ist dieses Jahr entstanden (235 x 300 cm).

© Courtesy the artist and Galerie Eva Presenhuber

Am Tisch mit Monstern: Eine Soloschau der Schweizer Künstlerin Louisa Gagliardi

Es ist die erste große Ausstellung in der Zürcher Galerie Eva Presenhuber. Dennoch hat Gagliardi schon alle Bilder verkauft.

Ihr Auftritt vergangenes Jahr war monumental. Während der Kunstmesse Art Basel, wo im Sektor „Unlimited“ teils riesige Skulpturen der internationalen Stars stehen, hing das Bild „Tête-à-tête“ von Louisa Gagliardi. Ein Monsterwerk, elf Meter lang.

Dennoch scheint der Tisch, um den sich neben geisterhaft transparenten Gästen zwei leicht gelangweilte Frauen scharen, so gerade noch in das Format gequetscht. Beide blicken die Betrachter an, holen sie mit an die Tafel voll schmutziger, zerknüllter Servietten und umgeworfener Flaschen. Ein nahezu magischer Moment, alles hier scheint in der Schwebe. Damit war Louisa Gagliardi die Aufmerksamkeit sicher – und die Galerie Eva Presenhuber, von der sie vertreten wird, lag richtig mit ihrer Strategie, alle Aufmerksamkeit auf die junge Künstlerin zu lenken. Noch bevor Gagliardi bei Presenhuber überhaupt richtig zu sehen war.

Noch vor zwei Jahren galt Gagliardi als Newcomerin

Das holt man nun nach. Schon zur Eröffnung ihrer ersten Soloschau waren sämtliche Werke verkauft. Zu Preisen bis 70.000 Euro und obwohl Gagliardi auch hier ins große Format geht, um der Ausstellungshalle optisch etwas entgegenzusetzen. Tatsächlich beschleicht einen kurz das Gefühl, es ginge auch eine Nummer kleiner im Werk der aufstrebenden Künstlerin, deren Stipendium für ein Zürcher Atelier drei Jahre zurückliegt und der der Swiss Art Awards als vielversprechende Newcomerin gerade mal vor zwei Jahren verliehen wurde. Es zeigt sich jedoch, dass Gagliardi ihre Figuren als Platzhalter nutzt; als Einladung, sich selbst in die surrealen Situationen zu versetzen. Das klappt nun einmal besser, wenn die Sujets in denselben Dimensionen wie das Publikum der Galerie auftreten.

Die Künstlerin hält ihre Themen gekonnt in der Schwebe

So beginnt man unwillkürlich den Dialog. Fragt sich, weshalb einen die schwarz gekleidete Figur auf dem Bild „Cascade“ so unheimlich anschaut, während sie gleichzeitig Wasser aus dem Hahn trinkt und sich dabei verrenkt. Warum der „Sunbather“ in einem leeren Raum unter dem Kunstlicht eines Ventilators liegt, obwohl sich hinter ihm violette Lamellentüren zur echten Sonne öffnen. Und ob die Gestalten im halbrunden „Green Room“ so von sich selbst und einander ermattet sind, dass sie immer blasser werden und fast komplett mit dem blassgrünen Sofastoff verschmelzen.

Warum also? Louisa Gagliardi hält die Interpretation ihrer Motive gekonnt in der Schwebe. Es sind stille, oft intensive Momente. Wenn sich die Figur, die auf dem Bild „Ghost“ Wäsche aufhängt, im Laken abzeichnet, verbindet sich das Leichte der im Wind flatternden Kleider mit dem Geisterhaften der Erscheinung. „Rendevouz“ heißt das Großformat, auf dem im blutroten Raum eine Gestalt wartet, die man lieber nicht treffen möchte. Zumal sich der Ort links unten langsam mit Wasser füllt. Mit Blick auf den „Sunbather“ verrät Gagliardi, 1989 in der Schweiz geboren, immerhin, wie sehr sie mit ihrer eigenen Generation hadert. Die sich möglicherweise im Lichtbader wiedererkennt – so erpicht auf das künstliche, digitale social life, dass die Realität bloß noch zur Kulisse taugt.

Traumverlorene Motive wie bei René Magritte

Eine simple Erkenntnis, sicher. Interessant wird sie dank der Kompositionen, in denen die Künstlerin ihre Eindrücke verwebt. Hier nämlich knüpft sie an die Kunstgeschichte an, Gefühle und Eindrücke der unmittelbaren Gegenwart verbinden sich mit Sujets aus dem Kanon des Surrealismus. Offene Fenster, Vögel vor der Kulisse eines artifiziell blauen Himmels mit weißen Wölkchen und Figuren, die in stillen, wie erstarrten Posen verharren: All das findet sich auch im legendären Werk von René Magritte. Dennoch wirken die Wiedergänger solch traumverlorener Motive bei Gagliardi nicht geklaut. Eher prüft sie aus der Perspektive einer fast hundert Jahre später lebenden digital native, was mit ihnen heute noch anzufangen ist.

Es funktioniert. Wie Archetypen beschwören die Details der Bilder immer neue Erinnerungen bis hin zur Mittelalter-Malerei eines Jan van Eyck. Stets sind es die rätselhaften Momente solcher Motive, an denen sich die Fantasie entzündet. Das tut sie auch bei Louisa Gagliardi, selbst wenn hier nicht mehr gemalt wird, sondern am PC komponiert und ausgedruckt wird. Die Künstlerin greift höchstens noch zum Nagellack, um Akzente zu setzen. Dennoch reißt man ihr die Bilder geradezu aus der Hand. Als würden sich die Käufer in den abgründigen Sujets wiedererkennen.

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