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Die Mädchen mit dem Perlenohrring. Das Mauritshuis in Den Haag präsentierte 170 moderne Adaptionen von Vermeers populärsten Werk.

© picture alliance/dpa/Mauritshuis

Ausstellungen: Nach Vermeer ist vor Vermeer

Marcel Proust hielt Vermeers „Ansicht von Delft“ für das „schönste Bild der Welt“. Warum es sich jetzt für die Fans des alten Meisters lohnt, nach Den Haag zu fahren - oder nach Braunschweig.

Das legendäre „gelbe Mauerstück“ auf Vermeers „Ansicht von Delft“, das Marcel Proust in seiner „Suche nach der verlorenen Zeit“ beschreibt, gibt es bekanntlich nicht. Auf der 1660/61 entstandenen Vedute ist zwar ein Teil der Stadtmauer zu sehen, aber sie ist nicht gelb, sondern lehmbraun, in anderen Partien eher kalkweiß.

Proust hat geschwindelt, sicherlich in bester Absicht. Er hielt das Gemälde für das „schönste Bild der Welt“, wie er in einem Brief schrieb, und macht in seinem Roman auf die Finessen einer Malerei aufmerksam, bei der sich das Sonnenlicht unter schnell am Himmel dahinfliegenden Wolken im Fluss Schie spiegelt, der an Delft vorbeifließt.

Als das Bild 1921 in Paris zu sehen war, erlitt Proust auf der Museumstreppe einen Schwächeanfall. Im Roman stirbt der Schriftsteller Bergotte auf einem Rundsofa im Ausstellungssaal und murmelt dabei: „Kleine gelbe Mauerecke unter einem Dachvorsprung, kleine gelbe Mauerecke“.

Wahrscheinlich haben zuletzt auch Museumsbesucher in Amsterdam nach dem ominösen gelben Mauerstück gesucht. Dafür mussten sie allerdings a) eine Eintrittskarte erhalten und b) freie Sicht auf das nur mittelformatgroße Bild bekommen haben.

Die Tickets für die bislang größte Vermeer-Ausstellung, die im Rijksmuseum 28 seiner 37 überlieferten Gemälde präsentierte, waren schnell vergriffen. Rund 650.000 Zuschauer wurden durch die Blockbuster-Schau geschleust, bis sie am 4. Juni endete.

Aber nach Vermeer ist vor Vermeer. Wer die „Ansicht von Delft“ sehen möchte, muss ins Mauritshuis nach Den Haag fahren, wo sie nun wieder hängt, zusammen mit dem „Mädchen mit dem Perlenohrring“.

Spätestens seit die Entstehung des Frauenporträts in einem Hollywood-Melodram mit Scarlett Johansson ausgemalt wurde, gilt es als Vermeers populärstes Werk. Die Abwesenheit des Originals nutzte das Mauritshuis für eine Ausstellung, bei der 170 Bilder zu sehen waren, auf denen sich junge Frauen als Perlenohrmädchen kostümiert hatten.

Aber passt Rummel überhaupt zu Vermeers stiller Kunst? Das Braunschweiger Herzog Anton Ulrich-Museum hatte die Leihanfrage aus Amsterdam für sein „Mädchen mit dem Weinglas“ abgelehnt. Aus konservatorischen Gründen, weil es ein Jahr zuvor für eine Vermeer-Schau nach Dresden gereist war.

Die Ausstellung hieß programmatisch „Vom Innehalten“. Manche Besucher pilgern aus Japan nach Braunschweig, um den Vermeer zu sehen. Dort befindet er sich in seinem natürlichen Habitat, zusammen mit Werken von Rubens, Rembrandt und Lucas Cranach dem Älteren.

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