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George Rickeys Skulptur „Two Open Rectangles Horizontal III“ ist Teil der Einzelausstellung in Schwante.

© Miriam Stewering

George Rickey auf Schlossgut Schwante: Edelstahl wippt im Wind

Der US-Amerikaner George Rickey gilt als Meister der kinetischen Bildhauerei. Er pflegte eine intensive Beziehung zu Berlin – jetzt zeigt der Skulpturenpark auf Schloss Schwante seine Werke.

Eine von George Rickeys prominentesten Arbeiten steht mitten in Berlin. Auf der Terrasse der Neuen Nationalgalerie ist seit 2021 wieder „Vier Vierecke im Geviert“ aufgestellt, eine Skulptur, die dort 1969 erstmals installiert worden ist. Hoch aufgehängt an einem Mast, bewegen sich vier silberne Quadrate im Wind, die Bäume am Ufer tun ihnen das Schaukeln und Wippen gleich.

George Rickey (1907-2002) gilt als einer der wichtigsten Vertreter der kinetischen Skulptur, seine Werke sind mit ihrem glänzenden Edelstahl, der wellenförmig polierten Oberfläche, sehr markant.

Von Ende der sechziger Jahre bis 1993 hatte der amerikanische Bildhauer ein Atelier in Berlin, verbrachte am liebsten die Winter hier, die wesentlich milder sind als in Upstate New York, wo er ebenfalls ein großes Atelier unterhielt.

George Rickeys letzte Arbeit aus dem Jahr 2002 „Untitled Circle“ ist inspiriert von einer Sonnenfinsternis.
George Rickeys letzte Arbeit aus dem Jahr 2002 „Untitled Circle“ ist inspiriert von einer Sonnenfinsternis.

© Miriam Stewering

In Deutschland ist Rickeys Werk in zahlreichen öffentlichen Sammlungen vertreten, steht auf Plätzen, in Fußgängerzonen und vor Museen. Trotzdem war seit 1982 keine größeren Outdoor-Installationen in Deutschland oder in Europa von ihm zu sehen. Deshalb ist es eine kleine Sensation, dass im Skulpturenpark auf Schloss Schwante, 25 Kilometer nordwestlich von Berlin, jetzt acht seiner Arbeiten installiert sind.

Rickey hatte ein Atelier in Berlin

2020 hat der Skulpturenpark auf Schlossgut Schwante eröffnet, mit Werken von Berliner Künstler:innen wie Maria Loboda oder dem chinesischen Konzeptkünstler Ai Weiwei, vom koreanischen Minimalisten Lee Ufan oder den Bildhauerinnen Kiki Smith und Susan Philpisz.

Nun wird der Park erstmals für eine Soloschau genutzt, wenngleich einige der bisherigen Arbeiten geblieben sind. „Wir hätten gerne noch mehr von Rickeys Werken nach Deutschland gebracht“, sagt Richard Benefield am Telefon, Geschäftsführer der George Rickey Foundation, die sich um den Nachlass des Künstlers kümmert.

Der Transport dieser großen Skulpturen aber ist teuer und aufwändig. Benefield organisierte die Ausstellung gemeinsam der Schlossherrin und Gründerin des Skulpturenparks, Loretta Würtenberger. Würtenberger platzierte Rickeys Arbeiten in Korrespondenz mit der Landschaft. Suchte Sichtachsen, Größenkorrelationen mit Baumkronen, Nischen und Ruhezonen, um jede Skulptur bestmöglich mit der Natur in Verbindung zu setzen.

Eine Arbeit, die bereits zur Eröffnungsausstellung im Park war, entwickelte sich zum Publikumsmagneten. Drei Quadrate, die in einer Reihe hintereinander montiert sind und sich sachte bewegen, als streife man mit der Hand durch Gras. Inzwischen steht eine Bank gegenüber, für die vielen Besucher:innen, die sich nicht satt sehen können.

Fünf Klingen ragen in die Luft

Zu den neuen Arbeiten gehört „Five Lines in Parallel Planes“, die Skulptur hat auf der Pferdekoppel am Rande des Geländes Platz gefunden. Bewegt vom Wind, wippen fünf senkrecht stehende, sieben Meter hohe Edelstahllinien durch die Luft, drehen sich um die eigene Achse. Die Bewegung dieser von Rickey auch „Klingen“ genannten Linien wird mithilfe von Kugellagern und Stoßdämpfern gesteuert. Obwohl es aussieht, als könnten sie jeden Moment gegeneinander schlagen, berühren sie sich nie.

George Rickeys „Five Lines in Parallel Planes“ steht auf der Pferdekoppel.
George Rickeys „Five Lines in Parallel Planes“ steht auf der Pferdekoppel.

© Miriam Stewering

Ganz anders wirkt eine von Rickeys letzten Arbeit aus dem Jahr 2002, ein Edelstahl-Ring mit immensem Durchmesser, der an einem kurzen Stab, sanft hin- und herrollt. Der Ring weckt eher extraterrestrische Assoziationen, ist inspiriert von einer Sonnenfinsternis, die Rickey beobachtete.

Er imitiere die Natur nicht, sei sich aber der Ähnlichkeiten bewusst, sagte Rickey über seine Kunst. Wenn seine Skulpturen manchmal wie Wellen, Wolken oder Pflanzen aussähen, dann deshalb, weil sie denselben Bewegungsgesetzen und mechanischen Prinzipien folgten. George Rickey war nicht nur Künstler, sondern auch Ingenieur. Die Bauteile für seine Skulpturen konzipierte er selbst, perfektionierte Kugel- und Messerkantenlager, um wagemutige konische Bögen oder 360-Grad-Drehungen zu ermöglichen.

Rickey starb 2002. Zum 20. Jahrestag 2022 initiierten die Foundation, seine New Yorker Galerie und der George Rickey Estate mehrere Outdoor-Installationen. Die aufsehenerregendste fand auf der Park Avenue in New York statt, Werke des Amerikaners waren entlang von vier Blocks aufgestellt. Außerdem weitere Skulpturen auf dem Dach von Rickeys Galerie, prächtig zu sehen von der Highline aus, der neuen zum Park umfunktionierten Hochbahntrasse.

Geplant sei ein Symposium in New York 2024, bei dem Wissenschaftler aus Europa und den USA neu über Rickeys Kunst diskutieren werden, erzählt Richard Benefield. Rickeys Beziehung zur Natur und seine Verbindung zum Konstruktivismus sollen breiter ausgeleuchtet werden.

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