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Szene aus Hamza Baigs „The Marblous Four“, der auf dem Forecast Festival läuft.

© Hamza Baig

Comedy trifft Steinmagie: Das Forecast Festival zeigt zukunftsweisende künstlerische Ideen

Rat und Tat liefern Mentorinnen den Talenten, mit denen sie monatelang zusammengearbeitet haben. Die Ergebnisse gibt’s im Radialsystem V zu sehen.

Der Unfall ereignete sich 1968, in einem Kellerclub in Beirut mit dem allzu passenden Namen „Purgatoire“, Fegefeuer. Ein junger, in Bagdad geborener Regisseur namens Gary Garabedian drehte hier die Schlussszene seines Films „Koullouna Fidayoun (We Are All Freedom Fighters)“, eine Art pro-palästinensischer Spaghetti-Western.

Im dramatischen Finale der Story zünden Fedajin eine Bombe in einem Nachtclub in Tel Aviv, das „Purgatoire“ sollte dafür Pate stehen. Allerdings erwies sich die Location als schlechteste aller Optionen – schon, weil sie eine Decke im Tropfsteinhöhlen-Stil aus leicht entflammbarem Material hatte. Die Special Effects verursachten einen fatalen Brand, in dessen Folge insgesamt 20 Menschen ums Leben kamen, darunter der Regisseur.

Filmgeschichte der Unfälle. Szene aus Alexis Guilliers „Purgatoire Cinema that Kills“.

© Alexis Guillier

Der Medienkünstler Alexis Guillier hat diesem Drama nachgespürt. Er betreibt ein Projekt mit dem Titel „A many splattered thing“, das eine eigene Filmgeschichte entlang von Unfällen an Sets erzählt – Katastrophen wie beim Dreh zu „Rust“, wo der Schauspieler Alec Baldwin versehentlich einen tödlichen Schuss auf eine Kamerafrau abgab.

Guillier interessiert sich für die größeren sozio-ökonomischen Zusammenhänge hinter solchen Vorfällen. Das Beispiel „Koullouna Fidayoun“ hat mit der Stromkrise im Libanon jener Tage genau so zu tun, wie mit einer palästinensischen Pleitebank, die hinter dem Filmstudio stand. Viele Verflechtungen konnte Guillier dank der Hilfe der libanesischen Investigativjournalistin Alia Ibrahim aufdecken. „Ich selbst spreche kein Arabisch“, sagt er. „Alia hat mir mit ihren Netzwerken in Beirut viele Türen geöffnet“.

Aus Luciana Decker Orozcos „What Humans See as Blood Jaguars See as Chicha“.

© Luciana Decker

Menschen wie Guillier und Ibrahim zusammen zu bringen, ist das Prinzip des Forecast Festivals, dessen siebte Ausgabe jetzt im Radialsystem V zu sehen ist. Insgesamt sechs Tandems aus erfahrenen Mentor:innen und aufstrebenden Mentees werden gebildet, die acht bis neun Monate Zeit haben, gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten.

Der Open Call findet weltweit statt, für die anstehende 8. Ausgabe gab es über 800 Bewerbungen, erzählt Freo Majer, der künstlerische Leiter des Festivals. Das Feld ist dabei breit gesteckt, Mentor:innen und Mentees haben auch nicht notwendigerweise den gleichen beruflichen Background. Aber irgendeine Ebene, auf der es klickt, müssen sie miteinander finden. Die Radikalperformerin Florentina Holzinger hat sich beispielsweise den jungen Magier Tom Cassani als Mentee ausgesucht – beide eint die jeweilige Suche nach körperlicher Entgrenzung.

An zwei Tagen geben nun im Radialsystem V die Mentor:innen Einblicke in ihre jeweilige Kunst, die Mentees präsentieren Ausschnitte der Projekte, an denen gemeinsam gearbeitet wurde. Bei der Probe ist zum Beispiel Daliso Chaponda zu erleben, ein Stand-up-Comedian, der es 2017 ins Finale der Show „Britain’s Got Talent“ geschafft und damit seinen Durchbruch erlebt hat. Chaponda hostet heute unter anderem eine erfolgreiche BBC-Radioshow. Als Mentee hat er sich nach einer Probephase mit drei Kandidat:innen (auch dieser Auswahlprozess gehört zu Forecast) den Filmemacher Hamza Baig ausgesucht. Ein Autodidakt, der meist mit Laien arbeitet und aktuell die Serie „The Marblous Four“ entwickelt. Die kreist um ein traditionelles pakistanisches Spiel, das mit fünf Steinen gespielt wird, wobei Baig der Story einen so magischen wie humorvollen Twist verpasst.

Chaponda sagt im Gespräch, er habe gezögert, Forecast-Mentor zu werden. In Hochkulturkreisen würden Comedians schließlich in der Regel ungefähr so gering geschätzt „wie Stripper“. Überzeugen ließ er sich davon, dass „dieses Festival wirklich einen weiten Horizont in Bezug darauf hat, was Kunst ist“.  

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