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Komische Schneeflocke. Pepe (Jarkko Lahti) hat eine Begegnung der dritten Art.

© Aamu Film Company

Das Kinodrama „Die Geschichte vom Holzfäller“: Die spinnen, die Finnen

Meterhoch Schnee und Skurrilitäten. Mikko Myllylahti erzählt im Aki-Kaurismäki-Stil von der Entwurzelung des Arbeiters Pepe und seines ganzen Dorfs.

Finnische Landschaften in Cinemascope, das ist schon ein Augenschmaus an sich. Auch wenn die wenigen Menschen, die in „Die Geschichte des Holzfällers“ den hohen Norden des Landes bewohnen, extrem merkwürdige Verhaltensweise an den Tag legen. Dass das bei Kino-Finnen niemanden verblüfft, dafür haben seit den achtziger Jahren die Propheten der Lakonie - Mika und vor allem Aki Kaurismäki - gesorgt.

In Aki Kaurismäkis Tradition der sparsamen Dialoge, stoischer Mienen, skurrilen Ereignisse und des ruhigen Erzählflusses steht „Die Geschichte des Holzfällers“, allerdings aufgepimpt durch Metaphorik und Surrealität. Die Dramödie, die 2022 in Cannes uraufgeführt wurde, ist das Langfilmdebüt des Dichters Mikko Myllylahti. Er hat zuvor Kurzfilmen und dem Drehbuch von „Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki“ seinen lakonischen Stempel aufgedrückt.

Der Reigen der Absurditäten beginnt, als ein Kapitalist im feinen Zwirn einen Hügel hinaufsteigt, um der Sägewerksbesitzerin im Pelz das Land und die Holzfirma abzukaufen, die die Lebensgrundlage von Pepe (Jarkko Lahti), seinem Freund Tuomas (HP Björkman) und den anderen Dorfbewohnern sind. Holzfällen ist out, jetzt kommt der Bergbau.

schock. Das Sägewerk, wo Pepe (Jarkko Lahti, Mitte) und Tuomas (HP Björkman, r.) arbeiten, wird dicht gemacht.

© Aamu Film Company

Wo eben noch alle in der Bar Geld für das Geburtstagkind Pepe gesammelt haben, der das Geschenk zügig in einer Lokalrunde anlegt, zerfallen plötzlich in Echtzeit die Leben, Ehen und die Dorfgemeinschaft. Tuomas, der dicke Dichter, will nicht auf Bergbau umsatteln. Anders als Pepe, der sich als notorischer Optimist in jeder Situation zurechtfindet, wird er erst arbeitslos, dann depressiv, misstrauisch und schließlich aggressiv.

Als dann noch ein Hellseher die durch den Verlust der angestammten Ordnung orientierungslosen Gehirne wäscht und Pepes Sohn Tumoas in die Fänge bekommt, läuft das keineswegs als vordergründige Kapitalismuskritik angelegte Szenario endgültig aus dem Ruder. Mikko Myllylahti lässt ein diabolisches Zottelhundewesen Blut lecken, eine giftig summende Leuchtkugel schweben und brennende Autos über verschneite Pisten tuckern. Meterhoher Schnee abstrahiert die Landschaft, über der meistens nordisches Winterdunkel liegt. Und Pepe, der heilige Tor, stapft in seinem rotweißen Skianzug wie ein ungelenkes Michelinmännchen durch das Verhängnis. Eine Comicfigur des eigenen Lebens.

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Der eingangs noch heitere Erzählton der Geschichte kippt immer mehr Richtung Tragödie. Irgendwann begreift man, dass der Regisseur an Pepe, diesem liebenswerten Charakter, durchdekliniert, ob Glaube an das Gute, Talent zum Glück oder nie versiegende Hoffnung einen Menschen gegen existenzielles Unglück imprägniert. Und gegen die individuelle Verführbarkeit, den Werteverlust, der auf die Zerstörung einer Existenz folgt. Nur dass sich „Die Geschichte vom Holzfäller“ am Ende zu sehr in den gesammelten Irrationalitäten verliert, um noch eine Identifikation mit dem Helden und ein Begreifen der sich auftürmenden Metaphern möglich zu machen.

Trotzdem ist diese finnische Abgedrehtheit mutig erzählt und in den sorgsam komponierten Stillleben des Kameramanns Arsen Sarkisiants überaus atmosphärisch anzuschauen. Wenn der beleuchtete Riegel des Mehrzweckbaus, in dem die Dorfbar sitzt, im Blau der Winternacht gleißt. Oder wenn Pepe nachts an Häuserfassaden entlang geht, in denen das Gelb der erleuchteten Fenster strahlt wie die Sonne.

In dieser Männerwelt, wo Eisfischen die beste Kommunikationsmethode zwischen Pepe und seinem Sohn darstellt, bleiben nicht nur sie, sondern auch die Ehefrauen und Mütter rätselhafte Wesen, die ihr eigenes, wortkarges Ding machen. „Die Geschichte vom Holzfäller“ wäre kein Traumspiel, wenn Pepe trotz seines zunehmend lädierten Gesichts nicht weiter mit einem Lächeln auf die Welt schauen würde. Glück im Unglück auf Finnisch halt.

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