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re:publica 23

© action press/Snapshot/Boris Niehaus

Die re:publica in Berlin: Im Rauschen des Events, im Zeichen des Baren

Auffällig viele Stände von Ministerien, Auftritte von Robert Habeck und Christian Lindner: Die re:publica in Berlin ist zur wichtigsten Medien- und Gesellschaftsmesse der Republik geworden. Ein Resümee.

Von Daniel Bax

Es knallte dann da, wo man es nicht erwartet hatte. „Hauptsache jung, Hauptsache laut: Auslaufmodell Journalismus?“ lautete der Titel eines Podiums, das „Monitor“-Redaktionschef Georg Restle auf der re:publica in Berlin angesetzt hatte. Die Rolle des Anklägers übernahm Videojournalist Tilo Jung („Jung & Naiv“). Sichtbar auf Krawall gebürstet, warf er den öffentlich-rechtlichen Sendern vor, sie würden junge Leute nur noch „mit Bullshit berieseln“.

Anlass der Debatte war eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung, die ARD und ZDF bescheinigt, ihr Jugendformat „Funk“ würde sich hauptsächlich „weichen“ Themen wie Gesundheit, Partnerschaft und Kriminalität widmen, und das meist aus subjektiver, persönlicher Perspektive. Politik komme kaum vor.

Alles sehr schick, alles sehr knallig

Tilo Jungs Wut richtete sich aber auch gegen die Investigativjournalistin Anja Reschke, deren Sendung „Reschke TV“ er vorwarf, zu sehr auf Humor und Unterhaltung zu setzen und damit dem Ernst der gesellschaftlichen Lage nicht angemessen zu sein. Diese verteidigte sich halbherzig, aber die Positionen prallten unversöhnlich aufeinander.

Hoffnung für den Jounalismus

Die re:publica hat sich zur wichtigsten Medien- und Gesellschaftsmesse der Republik gemausert. Sie erinnert an eine Mischung aus „Popkomm“, die ehemalige Fachmesse der Musikindustrie in Köln, und Bundeszentrale für politische Bildung. Neben ARD und ZDF waren auffällig viele Ministerien prominent mit Ständen vertreten, und auf den großen Podien gaben sich neben prominenten Autor*innen wie Tupoka Ogette, Luise Neubauer und Meron Mendel viele Regierungspolitiker*innen die Klinke in die Hand, von Finanzminister Christian Lindner bis Wirtschaftsminister Robert Habeck.

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Bevor sie sich Lindner zuwandte, hatte die re:publica-Mitkuratorin Geraldine de Bastion absichtsvoll maliziös die Millionenerbin Marlene Engelhorn auf die große Bühne in der Treptower Arena geladen. Engelhorn setzt sich dafür ein, dass reiche Menschen mehr Steuern zahlen sollen. Sie und Christian Lindner, das wäre spannend geworden. So aber konnte sich der Finanzminister später mit routinierten Phrasen aus der Affäre winden.

„Cash“ war das Motto dieses Jahr, und das spiegelte sich im Corporate Design der re:publica wieder: Neon-Leuchtfarben, Preisschilder und Plastikkorb-Paletten im Discounter-Supermarkt-Stil prägten den Gesamteindruck. Sehr knallig, sehr schick. Das Thema „Geld“ zog sich wie ein roter Faden durch mehrere Veranstaltungen. Aber auf 18 Bühnen mit über 1100 Sprecher*innen war für jede*n etwas dabei. Mal ging es um „Digital Streetwork“, mal um die Folgen der Inflation für unsere Gesellschaft, mal um die Sucht nach dem Handy.

Die re:publica ist im 15. Jahr weiter gewachsen. Selbst auf dem weitläufigen Gelände der Treptower Arena und des Festsaals Kreuzberg stößt sie allmählich an ihre Grenzen. Auch bei viele Besucher*innen stellte sich nach drei Tagen ein Gefühl der Erschöpfung, wenn nicht gar Überforderung ein.

Nicht überall wurde die Zukunft der Medien und des Journalismus aber so düster gesehen wie von Tilo Jung. In einem Garten hinter der Arena stellte ein Team der Recherchenetzwerks „Correctiv.local“ seine Ideen vor, wie sich der Lokaljournalismus mit Datenrecherchen retten lasse. Cosmo-Chefin Shiva Shlei und MDR-Chef Klaus Brinkbäumer diskutierten über die Förderung von Vielfalt im Journalismus.

Deutlich wurde, dass dies auch mit der Bezahlung im Journalismus zu tun hat. Und der Investigativjournalist Daniel Drepper diskutierte mit seinen Kolleginnen Juliane Löffler, Pia Stendera und Lena van Holt über Hindernisse und Folgen der #MeToo-Berichterstattung, von Julian Reichelt bis Rammstein. Das Interesse an dieser Berichterstattung sei groß, diese Texte werden viel gelesen.

Das habe in manchen Chefredaktionen zu einem Umdenken geführt, sodass diese Geschichten heute mehr Raum bekämen und nicht mehr als Betroffenheits-„Gedöns“ abgetan würden wie früher. Es gab also durchaus Anlass für Hoffnung auf eine Zukunft des Journalismus. Auch wenn manches davon im eventhaften Grundrauschen der re:publica unterging.

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